Joshua Kimmich beim FC Bayern München: Neuer Trend gegen den Strategen

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Joshua Kimmich erlebte aus mehreren Gründen einen turbulenten Rückrundenstart. Ein neuer Trend macht dem 27-jährigen Mittelfeld-Strategen zu schaffen - aber jetzt muss er erstmal zuschauen.

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Joshua Kimmich machte am Sonntagabend in Wolfsburg eine für ihn äußerst ungewöhnliche Erfahrung: Er musste einen Fußballplatz vor dem Abpfiff verlassen. Bei Trainer Julian Nagelsmann ist der 27-Jährige bekanntlich nicht nur vor Rotationen geschützt, sondern auch vor Auswechslungen. 14 Pflichtspiele in Folge absolvierte Kimmich für seinen FC Bayern München zuletzt von der ersten bis zur letzten Minute. Davor verpasste er eineinhalb Partien wegen einer Corona-Infektion.

Dass Kimmich beim 4:2-Sieg gegen den VfL Wolfsburg tatsächlich schon nach 54 Minuten runter musste, lag auch nicht an seinem Trainer, sondern an Schiedsrichter Harm Osmers. Er zeigte Kimmich in der ersten Halbzeit Gelb für einen unnötigen Schubser gegen Mattias Svanberg und nochmal Gelb für ein taktisches Foul gegen Maximilian Arnold nach dem Seitenwechsel. Macht Gelb-Rot. "Absolut dumm", beschrieb Kimmich die erste Szene einsichtig. Bei der zweiten sei es seiner Meinung nach "sehr wenig" gewesen.

Dem Spiel des FC Bayern schadete Kimmichs Platzverweis kurioserweise kaum: In der Phase unmittelbar davor hatte Wolfsburg energisch auf das 2:3 gedrückt, in Überzahl flaute der Angriffssturm erstmal etwas ab. Auf das plötzliche Fehlen Kimmichs darf man das natürlich nicht zurückführen, aber trotzdem passt es irgendwie ins Bild, das Kimmich aktuell abgibt. Trotz vereinzelter Glanzlichter läuft es für den in der Hinrunde oftmals überragenden Mittelfeld-Strategen des FC Bayern im neuen Jahr bisher eher durchwachsen.

FC Bayern München und die Probleme im Mittelfeld

Ja, gegen den 1. FC Köln traf er zum wichtigen Ausgleich (und beklagte sich anschließend über fehlende "Einstellung und Schärfe" seiner Mannschaft). Ja, beim 4:0-Sieg gegen einen harmlosen FSV Mainz 05 im DFB-Pokal lieferte er einen Assist und zeigte eine überzeugende Leistung. Ja, auch gegen Wolfsburg hat er mit einer Freistoß-Flanke Thomas Müllers zwischenzeitliches 3:0 vorbereitet.

Aber: Beim Rückrundenauftakt gegen RB Leipzig verschuldete er mit einem Doppelfehler den Ausgleich. Und in Wolfsburg kassierte Kimmich den allerersten Platzverweis seiner Profikarriere (was ob seiner aggressiven Spielweise freilich durchaus überrascht). Unabhängig von diesen Einzelszenen hat Kimmich aktuell nicht den konstant-dominanten Einfluss auf das Spiel des FC Bayern, den er selbst und auch Nagelsmann sich wünschen, beziehungsweise erwarten. Der Stratege ist taktisch nicht ideal ins Spiel seiner Mannschaft eingebunden.

Generell holpern die Abläufe im Mittelfeld des FC Bayern gewaltig: Weil Co-Sechser Leon Goretzka gerne extrem weit aufrückt, klaffte zuletzt regelmäßig ein großes Loch zwischen Kimmich und seinen Vorderleuten. Nach dem WM-Fiasko mit der deutschen Nationalmannschaft hatte Kimmich noch mit emotionalen Worten seine Angst geäußert, "in ein Loch zu fallen" - dieses Mittelfeldloch vor ihm meinte er dabei aber wohl nicht.

Weitestgehend geschlossen wurde das Loch lediglich beim 4:0-Sieg im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Mainz, als Nagelsmann auf ein 3-1-4-2-System setzte. Weil Dayot Upamecano angeschlagen fehlte, kehrte der Trainer in Wolfsburg aber zum gewohnten 4-2-3-1 zurück. Diesmal hielt sich Goretzka immerhin etwas weiter hinten auf. Außerdem ließ sich Rechtsaußen Leroy Sané regelmäßig fallen. Wirklich flüssiges Kombinationsspiel zeigte der FC Bayern aber nur in der Phase, als die ersten drei Treffer fielen.

VfL Wolfsburg, FC Bayern München
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Joshua Kimmich wird vermehrt in Manndeckung genommen

Zum System-Problem kommt ein für Kimmich persönlich unangenehmer Trend: Gegnerische Trainer lassen ihn zunehmend in Manndeckung nehmen. Selbstverständlich ist diese Idee nicht neu, wird aktuell aber auffallend regelmäßig genutzt. Gegen Leipzig verfolgte ihn Emil Forsberg, gegen Köln Mathias Olesen und gegen Wolfsburg zunächst Patrick Wimmer und dann Svanberg, den Kimmich irgendwann wegschubste und dafür seine erste Gelbe Karte sah.

"Es ist in den letzten Spielen mit der Manndeckung immer mehr geworden", betonte Kimmich nach dem Spiel. "Es ist natürlich schwierig, wenn du einen im Rücken hast. Dann hast du wenig Gelegenheiten, das Spiel mit Blick nach vorne zu gestalten."

Tatsächlich nahm Wolfsburg Kimmich mit dieser Taktik weitestgehend aus dem Spiel. In der ersten Halbzeit verzeichnete er lediglich 27 Ballaktionen und damit die wenigsten aller Bayern-Spieler. Bei seinem Platzverweis in der 54. Minute waren es 32, ein bedenklich niedriger Wert. Normalerweise sammelt Kimmich in einem Spiel gerne mal eine deutlich dreistellige Anzahl an Ballaktionen. Sein Saison-Schnitt in der Bundesliga liegt bei 97.

Nagelsmann will Kimmichs Chipbälle "mehr zur Geltung bringen"

Nagelsmann erwartet von Kimmich, "dass er seine mitreißende Art auf die Mannschaft überträgt, dass er auf dem Feld eine Führungsfigur ist. Nicht nur durch die Art und Weise wie er spielt, sondern auch als Kommunikator." Als Thomas Müller bei den ersten beiden Rückrundenspielen auf der Bank saß, vertrat Kimmich den verletzten Manuel Neuer als Kapitän.

Nagelsmann pflegt ein enges Verhältnis zu Kimmich, nennt ihn seinen "verlängerten Arm auf dem Platz" - und fordert, dass die Muskeln dieses Arms besser genutzt werden. "Seine größte Waffe, die Chipbälle, müssen wir noch mehr zur Geltung bringen", erklärte der Trainer vor dem Wolfsburg-Spiel und nannte Kimmich in dieser Kategorie den "mit Abstand besten Sechser der Welt". Obwohl Kimmich laut Nagelsmann "einen riesengroßen Impact auf unser Spiel" habe, solle er so "noch mehr Einfluss nehmen".

Dieser Wunsch erfüllte sich in Wolfsburg nicht, nächsten Samstag beim Heimspiel gegen den VfL Bochum wird es auch nicht passieren. Da muss Kimmich seine Sperre wegen der Gelb-Roten Karte absitzen - und entkommt somit immerhin der nächsten Manndeckung.

FC Bayern München: Die nächsten Spiele des FCB

DatumUhrzeitWettbewerbGegner
11. Februar15.30 UhrBundesligaVfL Bochum (H)
14. Februar21 UhrChampions LeagueParis Saint-Germain (A)
18. Februar15.30 UhrBundesligaBorussia Mönchengladbach (A)
26. Februar17.30 UhrBundesligaUnion Berlin (H)
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