Joshua Kimmichs Rückkehr ins Zentrum des FC Bayern München: Es steht im Notizbuch

Joshua Kimmich trat in Berlin sehr dominant auf, das muss hier Herthas Suat Serdar erfahren.
© getty

Nach zehn Pflichtspielen Abstinenz kehrte Joshua Kimmich gegen Hertha BSC ins Zentrum des FC Bayern München zurück - und wie! Der 26-Jährige glänzte beim 4:1-Sieg in (fast) jeder Hinsicht.

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Das zweite und das vierte Tor des FC Bayern gegen Hertha BSC bereitete Joshua Kimmich direkt vor, aber auch beim dritten war er involviert: und zwar indem er beim Jubel danach dem Torschützen Leroy Sane mit wildem Flackern in den Augen dreimal ins Gesicht griff. Kimmich selbst empfand es wohl als tätscheln, tatsächlich sah es aber eher wie ein Schlagen aus.

War es die pure Freude? War es Lob für Sanes starkes Anlaufen samt Ballgewinn vor dem Torschuss? War es ein Motivationsschub für weitere Treffer? Es stand zu dem Zeitpunkt ja erst 3:0. Oder war es alles auf einmal? Auf jeden Fall war es Joshua Kimmich in Reinform. Es war eine Sequenz, die schrie: Der Aggressive Leader ist zurück. Weiter, immer weiter!

Beim 4:1-Sieg bei Hertha BSC agierte Kimmich erstmals seit Anfang November, erstmals seit zehn Pflichtspielen wieder in seinem natürlichen Habitat auf der Sechs. Im Zentrum des Spielfeldes, wo er in allen vier Himmelsrichtungen Kollegen antreiben kann, was er selbstverständlich auch tat. Bis hinauf auf die Ränge des Berliner Olympiastadions - die wegen der üppigen Laufbahn weit vom Spielfeld entfernt sind - spürte man, wie Kimmich das Spiel an sich reißen wollte. Die Rückkehr auf die Sechs schien bei ihm etwas ausgelöst zu haben.

Insgesamt acht Spiele hatte Kimmich wegen diverser Quarantänen, wegen seiner eigenen Corona-Infektion und wegen der daraus resultierenden Lungeninfiltration verpasst. Bei den ersten beiden Partien nach der Weihnachtspause musste er dann aus Personalnot als Rechtsverteidiger aushelfen. "Es macht Spaß, wieder auf dem Platz zu stehen", sagte Kimmich nach dem Spiel in Berlin und lachte - tatsächlich meinte er wohl: auf seinem Platz. Von den Folgen seiner Erkrankung spüre er übrigens nichts mehr: "Alles ist wieder völlig in Ordnung."

Joshua Kimmichs überragende Statistiken

Im Zuge der ausführlichen Impfdebatten hatte man fast vergessen können, was ein fitter Kimmich dem Spiel des FC Bayern im Zentrum gibt. In Berlin dominierte er mit Dauerpräsenz, mit energisch geführten Zweikämpfen und mit wichtigen Laufwegen. Die Zahlen zur Gala: Kimmich verzeichnete 149 Ballaktionen, mit Abstand die meisten aller Spieler auf dem Platz. Er gewann 75 Prozent seiner direkten Duelle. Er lief 12,57 Kilometer und damit über einen Kilometer mehr als Benjamin Pavard, der in diesem Ranking auf Platz zwei lag.

Es waren aber nicht nur diese harten Faktoren, die Kimmich auszeichneten. Es waren vor allem auch die weichen in Form von überlegten Schnittstellenpässen und sonstigen Torschussvorlagen. Acht Abschlüsse bereitete Kimmich vor, auch das war selbstverständlich Bestwert. Hervorzuheben sind das Zuspiel auf Kingsley Coman vor dessen vergebener Chance in der 16. Minute, die Freistoßvorlage auf Thomas Müller vor dem 2:0 und der Pass auf Serge Gnabry vor dem 4:0.

"Er hat drei herausragende Bälle in die Tiefe gespielt", sagte Trainer Julian Nagelsmann, der außerdem Kimmichs Ballgewinne lobte und ihm generell ein "sehr, sehr gutes Spiel" attestierte. "Es ist ganz wichtig, dass du einen Sechser hast, der den Ball auch will und die nötige Ballsicherheit hat." Ausbaufähig waren bei Kimmichs ansonsten tadellosen Auftritt in Berlin lediglich seine Eckbälle, die reihenweise nicht bei Mitspielern landeten.

Der FC Bayern siegte auch ohne Joshua Kimmich

Ergebnistechnisch kam der FC Bayern zuletzt aber auch ohne den Sechser Kimmich ganz gut zurecht: Während seiner Spiel- und anschließenden Zentrums-Abstinenz gewannen die Münchner schließlich acht von zehn Partien. In der Bundesliga reicht es für sie aktuell meist auch, wenn sie nicht auf allen Positionen in Idealbesetzung antreten können - zumal Kimmichs kongenialer Mittefeld-Partner Leon Goretzka seit Anfang Dezember wegen Problemen an der Patellasehne ausfällt.

Vertreten wurden die beiden von Marc Roca und Corentin Tolisso, vor allem der 27-jährige Franzose wusste dabei zu überzeugen. Während Roca in Berlin auf die Bank musste, blieb Tolisso in der Startelf und krönte seine starke Leistung an der Seite von Kimmich wie schon in der Woche zuvor beim 4:0-Sieg beim 1. FC Köln mit einem eigenen Treffer. Tolissos Vertrag läuft im Sommer aus, die Argumente für eine Verlängerung werden immer erdrückender.

Joshua Kimmich: "Wir sind auf einem guten Weg"

Kimmich selbst hat erst im vergangenen Sommer vorzeitig bis 2025 verlängert, in der Zeit bis dahin will er bei seinem Ehrgeiz wohl mindestens viermal die Champions League gewinnen. Der europäische Wettbewerb scheint für den FC Bayern aktuell die einzige ernsthafte Herausforderung zu sein. In der Bundesliga steht der zehnte Titelgewinn in Folge bevor, die Angriffe von Verfolger Borussia Dortmund werden locker abgewehrt, der Vorsprung beträgt weiterhin sechs Punkte. An diesem Spieltag konterte der FC Bayern ein knappes 3:2 des BVB bei der TSG Hoffenheim mit der beeindruckenden 4:1-Gala in Berlin.

"Wir haben ein gutes Spiel gezeigt und das Spiel 90 Minuten kontrolliert. Es hätte auch höher ausgehen können", sagte Kimmich lapidar. Die größten Kritikpunkte nach dem Spiel waren eigentlich kleine: die Chancenverwertung, Dayot Upamecanos Lapsus vor dem Gegentor und der fehlende Treffer von Stürmer Robert Lewandowski. "Wir sind auf einem guten Weg und müssen weiter solche Leistungen zeigen."

Diese Sätze sprach Kimmich mit Blick auf die bevorstehende K.o.-Phase der Champions League, wo es im Achtelfinale gegen RB Salzburg geht (Hinspiel Mitte Februar). Wohl mit Kimmich im Zentrum, eine Rückversetzung erscheint ob der mittlerweile entspannteren Personallage aktuell ausgeschlossen. "Ich weiß, dass er lieber Innen spielt aber das muss er mir nicht jede Woche sagen", erklärte Nagelsmann, angesprochen auf die Positions-Debatte um Kimmich. "Das habe ich mir in mein Notizbuch geschrieben und merke mir das auch."

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