BVB und die bedenkliche sportliche Leistung: Borussia Murmeltier

Lucien Favre und der BVB haben zuletzt fünf Führungen in drei Spielen verspielt.
© Getty

Borussia Dortmund nach sieben Spieltagen der laufenden Bundesligasaison: Elf Gegentore, nur drei Siege und am Sonntagabend womöglich auf Platz neun. Der Rückstand in der Tabelle ist zwar weiterhin nicht besorgniserregend - die sportliche Leistung dagegen immer mehr.

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Dass Borussia Dortmund beim SC Freiburg nun zum dritten Mal in Folge in der Bundesliga 2:2 spielte, insgesamt also sechs Gegentreffer kassierte, fünf Führungen aus der Hand gab und sich mit Eigentoren in den Schlussminuten zweimal selbst um den Sieg brachte, das kann man freilich auf unterschiedliche Weisen bewerten.

"Man muss es realistisch betrachten", findet beispielsweise Mats Hummels und sagt: "Wir spielen nicht perfekt, aber man muss auch sehen, dass wir mit ein bisschen Glück Tabellenführer wären." Julian Brandts Meinung ist die folgende: "Es ist spielerisch nicht genug momentan. Das Problem ist, dass wir in vielen Situationen sehr ungenau sind. Momentan sind wir zu schlampig, dann müssen wir in den Kampfmodus schalten. Es gibt halt Mannschaften, die sicherlich besser sind im Kämpfen als wir."

Es ist auch möglich, wie Sportdirektor Michael Zorc vor der Partie in Freiburg darauf zu verweisen, dass in den letzten Begegnungen "die sportliche Leistung nicht zu 100 Prozent erklärbar und zu greifen" gewesen sei. Zorc hob jedoch auch den Zeigefinger in Richtung der medialen Berichterstattung. Schließlich sei es ja nicht so, als habe man die Saisonziele bereits verfehlt.

Bedenkliche BVB-Muster - wie am Murmeltiertag

Damit liegt Zorc ohne Zweifel richtig. Sieht man der Borussia in dieser Saison - wäre man großzügig, könnte man auch das gesamte Jahr 2019 als Zeitraum nehmen - beim Fußballspielen zu, fallen allerdings bedenkliche Muster auf, die wie am Murmeltiertag immer und immer wieder auftreten. Und großflächiger betrachtet lassen sie nur wenig Anzeichen für eine Entwicklung zum Positiven erkennen.

Die Westfalen wären daher gut beraten, in der derzeitigen Lage weniger auf die Tabelle zu verweisen, wo der Rückstand auf die Spitze mit lediglich zwei Punkten in der Tat kein großer ist. Stattdessen wäre ein Blick auf die eigenen Leistungen angebracht, die gemessen am eigenen Anspruch und der Qualität im Team ziemlich dürftig daherkommen. Man muss nach der jüngsten Abfolge an Enttäuschungen kein Prophet sein, um festzustellen, dass der BVB die Saisonziele verpassen wird, wenn er weiterhin so auftritt wie bislang.

Es erinnert daher ebenso an den Murmeltiertag, wenn Trainer Lucien Favre nach dem Remis im Breisgau sagt: "Wir haben ordentlich gespielt, aber die Torchancen haben gefehlt. Wir haben aus meiner Sicht zwei unnötige Gegentore bekommen. Das kostet uns wieder sehr viel. Heute hätten wir gewinnen sollen." Dieses Fazit hat Favre schließlich schon nach zahlreichen Partien in diesem Kalenderjahr gezogen, meist nach sieglosen Duellen mit qualitativ deutlich schwächeren Teams.

Delaney: "Vielleicht greifen wir nicht genug an"

Die Spielverläufe ähneln sich dabei beinahe schon auf groteske Art und Weise: Dortmund geht in Führung, könnte den Sack zumachen, vergibt aber gute Chancen, lässt den Gegner durch tiefes und vor allem passives Verteidigungsverhalten zurück ins Spiel kommen und kreiert kaum noch eigene Gelegenheiten. Platt ausgedrückt: Der BVB wirkt nach eigener Führung regelrecht ängstlich, anstatt die Gier auf den Sieg zu verkörpern.

"Zu 100 Prozent den Ballbesitz" gelte es zu verbessern, war sich Hummels am Samstag sicher. "Mit besserem Ballbesitzspiel und mit mehr Spielintelligenz hätten wir hier heute den Sieg mitgenommen." Diese Facette anzugehen, wäre in der Tat der dringlichste Ansatz beim BVB. Dortmund unter Favre ist immer noch viel Ballbesitz und Kontrolle, aber "vielleicht kontrollieren wir zu viel und greifen nicht genug an", mutmaßt Thomas Delaney.

Mit Ball am Fuß lässt sich bei der Borussia nämlich eine spielerische Behäbigkeit ausmachen, die auch aufgrund eines unzulänglichen Positionsspiels nur wenig Räume bei den meist tief stehenden Gegnern aufreißt und kaum Überraschungsmomente in der Tiefe kreiert. Die Ballbesitzphasen geraten so viel zu langsam, die Angriffe zu eindimensional. Es bräuchte deutlich schnellere Ballstafetten, mehr Sprints und größere taktische Variabilität, um einen höheren Druck erzielen und zielstrebiger nach vorne spielen zu können.

Knackiges Programm für den BVB nach der Länderspielpause

Dortmund aber verliert bei seinen eigenen Offensivbemühungen mittlerweile zu häufig den Ball, teils aufgrund schlampiger Zuspiele. Damit lädt Favres Truppe die Gegner zu Pressingsituationen ein, gerade die Duelle bei Slavia und nun in Freiburg belegten das in den beiden zweiten Halbzeiten eindrücklich.

Dass Favre sein bekanntes taktisches Schema in gewisser Weise aufbrechen wird, um eine Besserung zu erzielen, davon ist nicht auszugehen. Immerhin hat sich der Trainer zuletzt von seiner Mannschaft davon überzeugen lassen, bei den 2019 häufig unterirdisch verteidigten Standardsituationen von Raum- auf Manndeckung umzustellen. So kassierte man in der Champions League prompt kein Gegentor, wenngleich auch der wichtige Sieg in Prag die spielerische Armut nicht zu überdecken vermochte.

Gladbach, Inter Mailand, Schalke, Gladbach im Pokal, Wolfsburg, erneut Inter Mailand und FC Bayern lauten die Gegner für den BVB nach der nun einsetzenden Länderspielpause, die ungeachtet Zorcs Ansage an die Presse unruhig für Favre und die Borussia werden dürfte. Nach nur vier Siegen in den vergangenen zwölf Auswärtsspielen und sechs Punkten aus den fünf letzten Bundesligaspielen, obendrein am Sonntag mit der Möglichkeit, auf Rang neun abzurutschen, keine besonders gewagte Prognose.

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