Niko Kovac droht das Aus beim FC Bayern: Der Alleingelassene

Das 1:5 in Frankfurt war Niko Kovacs höchste Niederlage als Bundesligatrainer.
© getty

Nach der 1:5-Blamage gegen seinen Ex-Klub Eintracht Frankfurt wird die Luft für Niko Kovac beim FC Bayern immer dünner. Wenig spricht dafür, dass der angezählte Trainer noch lange auf der Bank Platz nimmt.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

"Und ihr wollt Deutscher Meister sein?", hallte es nach dem Abpfiff durch das Frankfurter Waldstadion. Selbst Teile der mitgereisten Gästeanhänger stimmten aus Enttäuschung und Entsetzen mit ein, als "die besten Fans der Liga", wie Niko Kovac sie zu bezeichnen pflegt, die Spieler des FC Bayern nach deren denkwürdiger Darbietung verhöhnten.

Während sich die Münchner Mannschaft in Richtung Gästeblock schleppte, hagelten ihr wüste Beschimpfungen entgegen. Robert Lewandowski, Serge Gnabry und Manuel Neuer sprachen rege untereinander, als würden sie selbst nicht so recht verstehen, was da gerade passiert war. David Alaba ging auf eine Schar von Wüterichen zu, um für ein wenig Besänftigung zu sorgen. Mit überschaubarem Erfolg.

Zu verstörend waren die vorangegangen 90 Minuten für den Anhang gewesen. 1:5 hatte der FCB seit dem 21. April 1980 nicht mehr in Frankfurt verloren, im Halbfinale des UEFA-Pokals war das damals. Dabei gestand Kapitän Neuer wenig später am Sky-Mikrofon, dass das Geschehene "kein riesiges Wunder" sei. Mehr noch: Das Debakel gegen die beherzt kämpfenden Frankfurter habe sich "angebahnt".

Manuel Neuers Analyse lässt tief blicken

Neuers kurze Analyse muss sich für Kovac wie ein Schlag ins Gesicht angefühlt haben. Der Trainer fordert seit Wochen mehr Disziplin und Konzentration von seinen Spielern ein, nur um wie in Frankfurt eindrucksvoll demonstriert zu bekommen, dass sie ihn ignorieren. Der folgenschwere Platzverweis von Jerome Boateng etwa kam wieder in der Anfangsphase zustande, für die Kovac eigentlich das Ziel vorgegeben hatte, hinten sicher zu stehen anstatt mit der eigenen Viererkette bis an die Mittellinie aufzurücken.

Und auch danach, als nur noch zehn Spieler übrig waren, wurden seine Anweisungen missachtet. "Selbst in Unterzahl darf man so nicht verlieren, wir haben zu viele Fehler gemacht", schimpfte Kovac. Seine Mannschaft stellte spätestens in der zweiten Halbzeit das Verteidigen ein anstatt sich "bayern-like" gegen den Untergang zu stemmen. Von "Mia san mia" weit und breit keine Spur. Das dürfte auch Uli Hoeneß, der als so etwas wie der Papst des derzeit brachliegenden Bayern-Mantras gilt, auf der Tribüne registriert haben.

Niko Kovac gehen die Argumente aus

Eigentlich wollte der Präsident in den letzten Tagen seiner Regentschaft keine Trainerdiskussion mehr führen. Er war sich aber eben auch sicher, dass die Mannschaft den schleichenden Negativtrend seit dem 7:2-Schützenfest gegen Tottenham Hotspur in der Mainmetropole stoppen würde. Stattdessen lieferte sie den größten Offenbarungseid der Ära Kovac.

Eine Ära, deren Ende nun unvermeidlich ist? Vieles spricht dafür. Ungeachtet des Double-Sieges in der vergangenen Saison entfacht der Fußball, den der frühere Eintracht-Trainer mit wenigen Ausnahmen seit seiner Ankunft im Juli 2018 spielen lässt, keine Begeisterung im Verein.

Aus dem Umfeld der Bayern-Kabine ist immer wieder zu hören, dass die Spieler nicht von Kovacs Ideen überzeugt seien und lieber einen Trainer hätten, der mehr Wert auf gepflegtes, offensiver denkendes Passspiel legt.

"Wie bei Bayern mit Niko umgegangen wird, ist unter aller Kanone und grenzt fast schon an Mobbing", sagte ein Vorstandsmitglied der Eintracht, das namentlich nicht genannt werden wollte, nach der Partie zu SPOX und Goal. "Warum ist denn immer der Trainer an allem schuld? Niko ist nicht nur ein toller Trainer, sondern auch ein toller Mensch."

Die Bayern-Bosse schweigen - bis Sonntag?

Der anders als Hoeneß nicht als Kovac-Fürsprecher bekannte Karl-Heinz Rummenigge forderte vor Saisonbeginn daher nicht grundlos von dem Trainer, "eine klare Spielidee" zu entwickeln. Nicht nur in Frankfurt war davon kaum etwas zu sehen. Und so verwunderte es kaum, dass Rummenigge das Waldstadion schweigend verließ. Dass Hoeneß es ihm gleichtat, konnte Kovac nicht unbedingt als positives Zeichen für sich werten.

Selbst sein alter Mitspieler Hasan Salihamidzic, der sich nach dem Fast-Desaster im Pokal gegen den VfL Bochum in skurrile Ironie flüchtete und in seinem Amt als Sportdirektor eigentlich nur da war, um da gewesen zu sein, ließ sich ebenso wenig blicken. Niemand stellte sich hinter Kovac, weil dem die Argumente ausgehen. 16 Gegentore nach zehn Spieltagen gab es zuletzt unter Jürgen Klinsmann. Auch deshalb prognostizierte Neuer: "Die nächsten Tage werden unruhig."

Wie unruhig, das wurde schon am Samstagabend deutlich, als der Verein das für Sonntagmorgen angesetzte öffentliche Training an der Säbener Straße strich. Nicht auszuschließen, dass sich die Entscheider wie etwa 2017 bei der Entlassung von Carlo Ancelotti noch in der Nacht zusammensetzen, um zu beraten, welcher Schritt der sinnvollste für alle Beteiligten ist.

Niko Kovac: "Ich kenne das Geschäft"

Vor der Länderspielpause stehen noch zwei Heimspiele an: Am Mittwoch kommt Olympiakos Piräus im Rahmen der Königsklasse in die Arena, am Samstag Borussia Dortmund zum Topspiel der Bundesliga. Eine neue A-Lösung wird sich in der Kürze der Zeit sicher nicht finden lassen. Gut möglich aber, dass im Falle einer Kovac-Entlassung dessen Assistent Hansi Flick interimsweise übernimmt. Als potentielle Kovac-Nachfolger werden schon seit mehreren Wochen Ajax-Coach Erik ten Hag und Tottenham-Trainer Mauricio Pochettino sowie die sofort verfügbaren Ralf Rangnick, Jose Mourinho und Arsene Wenger gehandelt.

Kovac selbst gab sich vor der Rückreise nach München so, wie er sich immer gibt: kämpferisch. "Ich gebe nicht auf", sagte der 48-Jährige und erinnerte an die Vorsaison, als seine Zukunft ebenfalls auf Messers Schneide gestanden hatte. Er sagte aber auch: "Ich kenne das Geschäft. Ich bin nicht naiv oder blauäugig."

Die Spiele des FC Bayern bis zur Winterpause

DatumUhrzeitWettbewerbGegner
6. November21 UhrChampions LeagueOlympiakos Piräus (H)
9. November18.30 UhrBundesligaBorussia Dortmund (H)
23. November15.30 UhrBundesligaFortuna Düsseldorf (A)
26. November21 UhrChampions LeagueRoter Stern Belgrad (A)
30. November18.30 UhrBundesligaBayer Leverkusen (H)
7. Dezember15.30 UhrBundesligaBorussia Mönchengladbach (A)
11. Dezember21 UhrChampions LeagueTottenham Hotspur (H)
14. Dezember15.30 UhrBundesligaWerder Bremen (H)
18. Dezember20.30 UhrBundesligaSC Freiburg (A)
21. Dezember15.30 UhrBundesligaVfL Wolfsburg (H)
Artikel und Videos zum Thema