Nachdem Renato Sanches gegen Bremen rund sechs Minuten lang Fußball gespielt hatte (drei Minuten reguläre Spielzeit, drei Minuten Nachspielzeit), sprach er rund drei Minuten lang zu den anwesenden Journalisten.
Er sprach über diese sechs Minuten Fußball, die er fälschlicherweise als fünf empfand - aber viel wichtiger: die er als viel zu wenig empfand. Sanches sprach langsam, wählte seine Worte mit Bedacht und schaute dabei ein bisschen traurig aus.
"Fünf Minuten sind nicht genug. Ich bin jung und will einfach mehr spielen", sagte er. Das mit dem "einfach mehr spielen" schien Sanches ein ernstes Anliegen zu sein, gleich dreimal sagte er diesen Satz. Bis zur Partie gegen Bremen spielte er in der Rückrunde wettbewerbsübergreifend genau 63 Minuten. Auch in seiner dritten Saison als Angestellter des FC Bayern wurde Sanches nicht glücklich.
Die Saison wurde älter und Sanches' Minuten weniger
Als amtierender Europameister wechselte Sanches 2016 für knapp 35 Millionen Euro zum FC Bayern. Am Anfang durfte er oft mitspielen, aber je länger die Saison dauerte, desto weniger Minuten gab ihm der damalige Trainer Carlo Ancelotti. In der folgenden Saison spielte Sanches per Leihe in der Premier League bei Swansea City und das mit den abnehmenden Spielminuten bei voranschreitender Saison wiederholte sich. Am Ende konnte Sanches dann gar nicht mehr spielen, weil er sich am Oberschenkel verletzt hatte.
Er kehrte nach München zurück, Trainer Niko Kovac gab ihm Minuten und Sanches zahlte zurück. Beim Champions-League-Auswärtsspiel bei Benfica Lissabon im September traf er gar und seine aktuellen und ehemaligen Fans jubelten ihm gemeinsam zu. Sanches strahlte. Das war er doch sicher, der zwei Jahre lang ersehnte Durchbruch? Doch dann wieder: Die Saison wurde älter und Sanches' Minuten weniger.
Tolisso steht für das, was einst auch Sanches war
Javi Martinez, Thiago, James und Leon Goretzka teilen sich die meiste Spielzeit auf den drei zentralen Positionen in Kovacs System auf, zeitweise spielte dort sogar Joshua Kimmich und neulich auch wieder Thomas Müller. Gegen Bremen stand erstmals seit seinem überstandenen Kreuzbandriss Corentin Tolisso im Kader - ein weiterer Rivale. Tolisso gilt als Hoffnungsträger, als potenzieller Stammspieler der Zukunft. Als all das, was einst auch Sanches war.
Ob die Rückkehr Tolissos denn ein schlechtes Zeichen für ihn sei, wurde Sanches gefragt und er antwortete: "No, no, no. Ich bin selbstbewusst. Ich bin bereit zu spielen, und warte auf meine Chance." Mit "Chance" meinte Sanches nicht fünf Minuten. Eher Mal 45 oder gar 90. Warum er diese Chance nicht bekommt, weiß er selbst nicht. "Der Trainer erklärt mir nicht, warum ich nicht spiele", klagte Sanches neulich. Nach der Partie gegen Bremen sprach er immerhin von einem "normalen Verhältnis" zu Kovac, was zumindest ein kleiner Fortschritt wäre.
Sanches: Leihe oder Verkauf - Hauptsache Spielzeit
Ob die beiden in der neuen Saison an ihrem Verhältnis weiterarbeiten dürfen, ist aktuell sehr fraglich. Angeblich denken die Vereinsverantwortlichen des FC Bayern darüber nach, Sanches noch einmal zu verleihen. Sein Vertrag läuft bis 2021, eine einjährige Leihe ginge sich also noch aus. Ob das für ihn persönlich denkbar wäre? "Ich glaube schon", sagte Sanches. "Ich weiß aber nicht, ob eine Leihe oder ein Verkauf am besten für mich wäre."
Ihm ist es offenbar egal, Hauptsache er muss nicht mehr auf der Bank sitzen. "Ich will einfach nur spielen, egal ob in Portugal oder England oder Spanien", sagte Sanches. Als er da so in der Mixed Zone stand und sprach, wirkte er wie ein Kind, dem seine Lieblingsbeschäftigung verboten wurde.
Das Gute an seiner Situation ist immerhin, dass er in diesem Leben noch reichlich Zeit für seine Lieblingsbeschäftigung haben wird. "Ich bin jung, 21 Jahre alt", sagte Sanches. Tatsächlich: Obwohl er schon so lange dabei zu sein scheint, ist er erst 21. "Ich habe noch 15 Jahre, um Fußball zu spielen. Gerade ist es hart, aber ich denke, dass meine Zukunft gut sein kann." Immerhin seinen Optimismus hat Sanches auf der Münchner Bank noch nicht verloren.