FC Bayern siegt im "Murks-Kick" gegen Leipzig: Die genutzte Steilvorlage

Von Dennis Melzer
FC Bayern München, RB Leipzig
© Getty

Nicht schön, aber erfolgreich: Der FC Bayern kann wieder Arbeitssiege - und findet damit zurück zu alter Qualität. Dem BVB dürfte das nicht gefallen.

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Wer sich nicht im Klaren war, welch enormen Stellenwert der 1:0-Erfolg des FC Bayern über RB Leipzig für den deutschen Rekordmeister hatte, musste kurz nach Abpfiff lediglich einen Blick in Richtung Münchner Trainerbank werfen.

Mit geballter Faust stand Trainer Niko Kovac da, stieß einen langen Freudenschrei aus, der in Form eines kleinen, sichtbaren Wölkchens gen Nachthimmel stieg und sich mit der klirrend kalten Luft vermischte. Sportdirektor Hasan Salihamidzic sprang auf, ließ sich zu ganz ähnlichen Gesten hinreißen, ehe Thomas Müller fröhlich pfeifend durch die Mixed Zone hüpfte und die Räumlichkeiten mit einem doppelten "Wir sind wieder daaaa" erfüllte.

Überschwänglicher Jubel, der neben der Tatsache, Leipzig auf Abstand gehalten zu haben, natürlich noch einen ganz anderen, viel wichtigeren Nebeneffekt hatte: Der Rückstand auf Tabellenführer Borussia Dortmund wurde von neun auf sechs Punkte reduziert.

FC Bayern nutzt BVB-Fehltritt aus

Die Bayern, sie hatten die "Steilvorlage", wie Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge die Niederlage des BVB bei Fortuna Düsseldorf tags zuvor bezeichnete, genutzt. Das sei bei den Bayern ja eigentlich ohnehin Usus, eben dann eiskalt zuzuschlagen, wenn die Konkurrenz Federn lässt, merkte der 63-Jährige an.

Tatsächlich zählt das Ausnutzen von Niederlagen der Rivalen traditionell zu den größten Qualitäten der Bayern. In dieser Saison, so schien es lange, leistete man sich höchstens selbst den einen oder anderen Fehltritt, während der Lieblingsfeind aus Deutschlands Westen munter vor sich hin gewann, jedes FCB-Straucheln für sich zu nutzen wusste, um den Abstand zu vergrößern.

Die Schwarz-Gelben hatten sich ein elementares Bayern-Merkmal zu eigen gemacht, die jahrelang geltenden Bundesliga-Gesetze außer Kraft gesetzt. Dementsprechend hätte es vor wenigen Wochen noch ins Bild gepasst, dass die Kovac-Truppe aus einem Dortmunder Ausrutscher eben kein Kapital geschlagen hätte.

Kimmich: "Murks-Kick für die Zuschauer"

Nun muss man nach dem knappen Sieg aber konstatieren, dass die viel zitierte Krise allerspätestens jetzt überstanden scheint. Weil die Bayern mittlerweile auch ein hart umkämpftes, ein dreckiges, ja einen "Murks-Kick für die Zuschauer mit vielen Unterbrechungen", wie Joshua Kimmich die Partie recht treffend beschrieb, wieder erfolgreich gestaltet. Klassische Arbeitssiege, die es im Laufe einer Spielzeit genauso braucht wie die vollends überzeugenden Auftritte mit Schützenfestcharakter.

"Wir haben in dieser Saison schon deutlich bessere Spiele gehabt, die wir nicht gewonnen haben. Da nehme ich lieber so ein Spiel", sagte Kimmich im Anschluss gegenüber den anwesenden Reportern und ergänzte: "Wir haben über die Mentalität gewonnen. Ich hätte das 1:0 machen müssen und bin froh, dass wir noch gewonnen haben. Sonst wäre das für mich eine bittere Nacht geworden."

Damit spielte der Rechtsverteidiger auf eine riesige Möglichkeit an, die er nur wenige Minuten vor dem entscheidenden Tor durch Franck Ribery, der gleich zwei gegnerische Akteure ins Leere rutschen ließ, bevor er die Kugel am starken Leipziger Schlussmann Peter Gulacsi vorbeischob, vergeben hatte. "Das macht er natürlich brutal, mit dieser Ruhe. Sowas macht man vielleicht auch nur, wenn du 35 Jahre alt bist oder 18, wenn du dir überhaupt keinen Kopf machst", schwärmte Kimmich mit Hinblick auf Riberys Treffer weiter.

Bayern-Coach Kovac lobt sein Team

Eine gelungene Einzelaktion, die am Ende ausreichte, um die weitestgehend organisiert verteidigenden Sachsen zu bezwingen und die Bayern wieder in Schlagdistanz zu Dortmund zu bringen. Das 1:2 der Borussen in Düsseldorf sei ihnen "natürlich entgegengekommen", sagte Kapitän Manuel Neuer, der allerdings gleichzeitig darauf verwies, dass man selber erst mal die im Fußballerjargon häufig bemühten "Hausaufgaben" machen müsse, was bereits am kommenden Samstag in Frankfurt wieder höchste Priorität genießt.

Aktuell werden diese, um bei der Metapher zu bleiben, mit größtmöglicher Sorgfalt erledigt, sogar mit einem Fleißsternchen vom Klassenlehrer honoriert: "Wir mussten geduldig spielen und wussten, dass ein Tor entscheiden kann. Das ist das, was wir haben wollten. Es war eine Willensstärke, die meine Mannschaft heute an den Tag gelegt hat", lobte Kovac sein Team, das im dritten Bundesliga-Spiel in Serie ohne Gegentor blieb.

Ebenfalls ein Punkt, der die These der mit Bravour bewältigten Kalamität aus dem Herbst und die Wiederverankerung des Sieger-Gens in der Bayern-DNA, stützt.

"Das Christkind hat es gut mit uns gemeint"

Während die Protagonisten das Geschehen sachlich analysierten, sah Rummenigge - passend zur Weihnachtszeit - höhere Mächte am Werk. "Man muss fairerweise sagen, dass es heute gut für uns gelaufen ist. Das Christkind hat es gut mit uns gemeint", sagte er mit einem Augenzwinkern, bevor er die Katakomben der Allianz Arena verließ.

Ganz gleich, ob die Umstände für den Bayern-Aufschwung irdischer Natur sind oder nicht - fest steht: Der Sieg gegen RB erhöht den Druck auf den BVB kurz vor Abschluss der Hinrunde noch einmal ungemein. Auch am Wochenende muss die Mannschaft von Trainer Lucien Favre einen Tag vor den Münchnern ran.

Schon am Freitag kommt es zum Schlager gegen den Tabellenzweiten Borussia Mönchengladbach, bevor die Bayern in Frankfurt vielleicht darauf hoffen dürfen, den Rückstand auf den tabellarischen Platz an der Sonne abermals schmelzen zu lassen. Über den Stellenwert, den ein solches Szenario hätte, dürfte sich wohl jeder im Klaren sein.

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