Die Wochen des maximalen Erfolgs

Der FC Bayern hat unter Jupp Heynckes bis jetzt die maximale Ausbeute eingefahren
© getty

Der FC Bayern München hat Borussia Dortmund durch den Sieg gegen RB Leipzig erstmals in dieser Saison von der Tabellenspitze verdrängt - und das nur zwei Wochen nach einem Fünf-Punkte-Rückstand auf den BVB. Das erste Zwischenzeugnis für Interimstrainer Jupp Heynckes fällt nach den ersten echten Prüfsteinen positiv aus. Dennoch werden die Münchner nicht müde, noch vorhandenes Verbesserungspotenzial anzumahnen.

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"Wir wollten ein Zeichen setzen." Arjen Robben hüpft in der Mixed Zone der Allianz Arena nicht euphorisch hin und her. Er redet ruhig, sachlich, selbstverständlich. Diese Selbstverständlichkeit ist zurück beim FC Bayern. Die Selbstverständlichkeit zu siegen, die am Anfang der Saison abhandengekommen zu sein schien.

"Du bist ja immer davon abhängig, was die anderen machen. Das haben wir nicht in der eigenen Hand", kommentiert der Ersatzkapitän, dass der FC Bayern dank des Patzers von Borussia Dortmund gegen Hannover 96 erstmals in dieser Saison an der Tabellenspitze thront. Doch wenn die Konkurrenz patzt, muss ein Spitzenteam eben selbst punkten und das auch ausnutzen.

Robben: Maximaler Erfolg, seit Heynckes da ist

Das taten die Münchner zuletzt. "Wir haben bis jetzt den maximalen Erfolg", analysiert Robben, "seit Jupp da ist." Der Wind im deutschen Fußball hat sich gedreht. Und das enorm schnell.

Gerade einmal vier Wochen ist es her, als der sichtlich angefressene Interimstrainer Willy Sagnol nach dem 2:2 gegen Hertha BSC konstatierte: "Ohne Konzentration sind wir nicht mehr die beste Mannschaft Deutschlands." Diese war damals der BVB, qua Spielfreude, qua Expertenmeinung und qua Tabelle. Fünf Punkte betrug der Vorsprung der Borussen.

Doch dann kam Jupp Heynckes. Und mit ihm die von Robben angesprochenen Wochen des maximalen Erfolgs.

Heynckes: fünf Pflichtspiele, ein Gegentor

Der 72-Jährige war im Oktober nun bei fünf Pflichtspielen verantwortlich. Allesamt gewannen die Münchner, wenn im Pokal gegen RB Leipzig auch glücklich im Elfmeterschießen. Insgesamt erzielten sie in dieser Phase 12:1 Tore.

Waren die ersten Siege gegen Freiburg (5:0), Celtic (3:0) und auch den HSV (1:0) noch Muster ohne Wert, kein Maßstab, so ist nun nach den ersten echten Prüfsteinen mit den beiden Duellen gegen RB Leipzig, die das Weiterkommen im Pokal und die Erlangung der Tabellenführung zur Folge hatten, ein erstes Zwischenfazit der Arbeit von Heynckes erlaubt. Und dieses fällt positiv aus. Logisch, anhand der Resultate wäre alles andere nur schwerlich zu rechtfertigen.

FC Bayern defensiv wieder stabiler

Allen voran hat der 72-Jährige es geschafft, den Münchnern wieder zu Stabilität zu verhelfen. "Oberste Priorität hatte es, zu Null zu spielen", legte Heynckes nach dem Sieg gegen Leipzig dar. Eine Zielsetzung, die seine Mannschaft nun in vier von fünf Spielen erfüllte. Am Samstag ließ die Defensive nur drei Schüsse zu - weniger waren es für die Leipziger in der Bundesliga noch nie (3, wie in Dortmund im Februar 2017).

Die neu gefundene Stabilität hat mehrere Gründe. Zum einen gibt Heynckes defensiv einem Stamm das Vertrauen, setzt bewusst auf das Weltmeister-Duo Mats Hummels und Jerome Boateng in der Innenverteidigung. Die Formkurve von beiden zeigt nach einem durchwachsenen Saisonstart deutlich nach oben.

Im zentralen Mittelfeld ist dem 72-Jährigen ein Sechser wichtig, der seine Stärken klar im Zulaufen von Räumen und in der Zweikampfführung hat. Gegen Leipzig spielte Javi Martinez alleine auf der Sechs und überzeugte erneut. Das Dreieck Boateng-Hummels-Martinez machte die Mitte dicht.

Rudy: "Jeder arbeitet in der Defensive mit"

Viel wichtiger als die Formstärke einzelner ist laut Sebastian Rudy jedoch ein anderer Faktor: "Jeder arbeitet in der Defensive mit. Wir agieren defensiv als Einheit. Dann ist es schwer für den Gegner, zu Torchancen zu kommen." Zuvor sei das "nicht immer" der Fall gewesen, erklärte Rudy. In den letzten Wochen hatte unter anderem Robben betont, dass Heynckes die Offensivspieler extrem darauf einschwöre, auch wieder mehr defensiv mitzuackern.

Durch die Siege haben sich die Bayern darüber hinaus ihr Mia san Mia zurückgeholt, das sich zuletzt in unterschiedlichen Ausprägungen zeigte. Ob mit souverän verwandelten Elfmetern im Pokal, mit einem Torfestival gegen Freiburg oder eben dem Auftritt am Samstag, als die Münchner zu keiner Zeit das Gefühl aufkommen ließen, sie könnten das 2:0 bereits ein drittes Mal in dieser Saison vergeigen.

Zwar spielte die Heynckes-Truppe auch zum dritten Mal innerhalb einer Woche über einen signifikanten Zeitraum in Überzahl. Dass es in dieser jedoch nicht selbstverständlich ist, keine Chancen des Gegners zuzulassen, hatte erst der Mittwoch gezeigt.

Überzahlspiel des FC Bayern als Kritikpunkt

Und doch war dieses Thema Überzahlspiel eine Facette, die zeigte, dass trotz der steigenden Formkurve noch nicht alles Gold ist, was glänzt. So schalteten die Bayern im zweiten Durchgang spürbar zwei Gänge zurück und schafften es nicht, ihre Überzahl vernünftig auszuspielen. Kontrolle ja, Torgefahr nein.

Eine Tatsache, die vor allem Jerome Boateng scharf kritisierte: "In der zweiten Halbzeit spielen wir ganz schlecht mit einem Mann mehr. Das müssen wir besprechen, das geht so nicht."

Robben stieß ins gleiche Horn: "Wir haben keinen guten Fußball mehr gespielt und das ist schade. Da musst du Spaß am Fußball haben und noch mehr Tore schießen."

Das gehört ebenfalls zum Selbstverständnis der Bayern: den Finger auch dann in die Wunde zu legen, wenn eigentlich alles gut scheint. Wenn das Pokalachtelfinale eingetütet ist und der Klubname in der Bundesliga-Tabelle wieder hinter der 1 auftaucht.

Für Heynckes war der Druckabfall seines Teams nach der Halbzeit halb so wild - die Belastungssteuerung steht für ihn im Vordergrund: "Natürlich hätten wir noch höheres Tempo gehen können, aber das ist primär nicht wichtig. Wir spielen am Dienstag wieder und haben schon drei Spiele in einer Woche gespielt. Die drei Punkte sind wichtig, deswegen ist es okay."

Keine Zeit zum Ausruhen

Tatsächlich ist keine Zeit für die Münchner, sich auszuruhen. Am Dienstag wollen sie beim Celtic FC auch in der Champions League den Achtelfinaleinzug perfekt machen. Am kommenden Samstag steht dann schon das nächste Spitzenspiel an, dann kommt es im Dortmunder Westfalenstadion zum Duell mit dem BVB.

Dann spielen die Konkurrenten aus, wer denn nun derzeit eigentlich die beste Mannschaft in Deutschland ist. Wer ein Zeichen setzt. Ob sich der Wind schon wieder dreht oder die Bayern sogar mit sechs Punkten davonziehen.

Bereits dann kommt das Zwischenzeugnis für den Vater des maximalen Erfolgs zur Wiedervorlage.

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