Deswegen muss Hoffenheim in die CL

Andrej Kramaric war in der Partie gegen Bayern München der gefeierte Held
© getty

1899 Hoffenheim hat im 18. Versuch den historisch ersten Sieg gegen den FC Bayern München eingefahren - dank einer furiosen ersten Halbzeit verdientermaßen. Die TSG spielt die beste Saison in ihrer Vereinshistorie und hat sogar sieben Zähler mehr auf dem Konto als im aufsehenerregenden Aufstiegsjahr. Die Partie gegen die Bayern hat auch die letzten Zweifel ausgeräumt: Die Mannschaft von Julian Nagelsmann verdient sich die Champions-League-Teilnahme.

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Ein Spielzug wie aus dem Bilderbuch. In einem Tempo, das der Abwehr des FC Bayern München den Kopf verdreht.

An der linken Außenlinie bekommt Amiri den Ball von Kramaric. Direkt weitergeleitet auf Wagner. Der lässt wieder für Kramaric tropfen. Ballannahme, drei Schritte mit dem Ball, dann der perfekt durchgesteckte Pass auf Demirbay, der aus elf Metern halblinks im Sechzehner abzieht - und nur am glänzend reagierenden Ulreich scheitert.

Die Szene in der 40. Minute steht exemplarisch dafür, wie die TSG 1899 Hoffenheim den Titelverteidiger und unangefochtenen Spitzenreiter aus München in dieser ersten Halbzeit dominiert, zeitweise an die Wand spielt.

Baumann: "Die beste Halbzeit meiner Hoffenheimer Zeit"

"Angesichts dessen, gegen wen wir heute hier gespielt haben, war das die beste Halbzeit meiner Hoffenheimer Zeit", gab auch Torhüter Oliver Baumann nach der Partie im Bauch der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena zu: "Das war das Topniveau der Bundesliga und auch in Europa. Wir haben ein richtig gutes Spiel gemacht und verdient gewonnen."

Auch Bayern-Trainer Carlo Ancelotti fand bei der Pressekonferenz anerkennende Worte für diese 45 Minuten: "In der ersten Hälfte hat uns Hoffenheim ein bisschen überrascht."

Nagelsmanns Forderung eingelöst

Die Hauptzutat für den zeitweise furiosen Auftritt des aktuellen Tabellendritten der Bundesliga war eine, die der zuletzt immer weiter ins Scheinwerferlicht gerückte Trainer Julian Nagelsmann vor der Partie gefordert hatte: Mut.

Von der ersten Minute an betrieben die Hausherren einen hohen Aufwand (in der ersten Halbzeit fünf Kilometer höhere Laufleistung, in der zweiten Halbzeit vier), liefen die weißgekleideten Münchner im Spielaufbau aggressiv an, gewannen durch starkes Pressing den Ball und erspielten sich auf diese Art und Weise früh im Spiel zahlreiche Torchancen.

Hummels und Robben mahnen

"Wir haben Hoffenheim, die ja sowieso schon stark sind, noch stärker gemacht mit unseren Ballverlusten", haderte Mats Hummels in der Mixed Zone mit dem Auftritt seines Teams im ersten Durchgang.

Und auch Arjen Robben legte den Finger in die Wunde: "Wir haben überhaupt nicht gut gestanden und waren immer einen Schritt zu spät. Da haben wir Glück gehabt, dass es nur 1:0 steht."

Mats Hummels im Interview: "Glaube nicht, dass die Meisterschaft durch ist"

Anwärter auf den direkten Champions-League-Platz

Tatsächlich war das Halbzeitergebnis aus FCB-Sicht schmeichelhaft. Natürlich einerseits wegen des passiven Auftritts der Gäste. Allem voran jedoch, weil die Nagelsmann-Truppe zeigte, dass sie taktisch gereift und "eine der aktuell stärksten deutschen Mannschaften" (Hummels) ist. Kurzum: dass sie in dieser Form zu Recht ein Anwärter auf den direkten Champions-League-Platz ist!

Zur Pause stand die TSG bei 11:8 Torschüssen (4:2 aufs Tor), 7:2 Ecken und war selbst bei Bayern-Domänen wie Ballbesitz (47 Prozent) und Pässen (230:260) auf Augenhöhe.

Im 3-5-2, das sich gegen den Ball in ein 5-3-2 verwandelte, hatten die Kraichgauer im Mittelfeld stets eine Überzahl und schafften es, durch starke Antizipation und Griffigkeit in den Zweikämpfen, das Aufbauspiel der Münchner zu unterbinden. Auf den Außen bekamen es Coman und Robben stets mit einer Doppelung, häufig sogar mit drei Kontrahenten (Coman stand dann gegen Süle, Toljan und Demirbay, Robben gegen Hübner, Zuber und Amiri) zu tun und fanden so lange nicht ins Spiel.

Geschwindigkeit und Kramaric

Und offensiv überzeugte Hoffenheim durch Geschwindigkeit und direktes Spiel in die Spitze. Außerdem erwischte Kramaric einen Sahnetag. Der Kroate gab die meisten Torschüsse ab (vier), legte die längste Laufstrecke aller Hoffenheimer zurück (12,63 km), spielte die meisten Pässe in der gegnerischen Hälfte (20) und gewann 59 Prozent seiner Zweikämpfe.

Im zweiten Durchgang wurde der Druck der Gäste erwartungsgemäß immer größer. Letztlich hatten die Kraichgauer jedoch das Glück auf ihrer Seite.

Das Glück der Tüchtigen

Das Glück, das Freiburg und Ingolstadt in diesem Jahr nicht hatten, als die Bayern in letzter Minute zum Sieg trafen. Das Glück, das Hertha nicht hatte, als die Bayern ihnen in der 97. Minute einen sicher geglaubten Sieg doch noch aus der Hand rissen.

Das Glück, dass neben Stürmer Kramaric auch Torhüter Baumann seine Topform abrufen und das ewige Duell gegen Robert Lewandowski dieses Mal für sich entscheiden konnte. Dass in entscheidenden Momenten immer wieder ein Schienbein, ein Kopf oder eben die Latte den Ausgleich verhinderten. Das Glück der Tüchtigen.

So stand am Ende im 18. Bundesligaspiel der TSG der erste Sieg gegen den FC Bayern. Die Stimmung beim häufig verpöhnten Publikum in Sinsheim war ausgelassen, ekstatisch.

"Wir haben es Real vorgemacht, wie man gegen die Bayern gewinnen kann", sagte Baumann und schob nach: "Natürlich wird es für die ein ganz anderes Spiel und sie machen es auch taktisch anders. Aber wir sind heute einfach stolz auf unsere Leistung."

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Hopp: "Das war ein großer Schritt Richtung Europa"

Auch Dietmar Hopp stand die pure Zufriedenheit ins Gesicht geschrieben: "Ich habe vor dem Spiel gesagt, ein Unentschieden würde mich zufrieden machen. Der Sieg ist jetzt unfassbar." Um dann den goldenen Satz hinterherzuschieben: "Das war ein großer Schritt Richtung Europa."

Tatsächlich spielt die TSG mit nun 51 Zählern nach 27 Spielen die erfolgreichste Saison ihrer Bundesligahistorie. Selbst im aufsehenerregenden Aufstiegsjahr 2008/2009, als die Herbstmeisterschaft heraussprang, hatte man zum gleichen Zeitpunkt sieben Punkte weniger auf der Habenseite.

Die 51 Zähler bedeuten weiterhin Platz drei, der die direkte Champions-League-Qualifikation bedeutet. Einen Punkt vor Borussia Dortmund, am Samstag zu Gast in München, während Hoffenheim in Hamburg gastiert. Träumen ist bei dieser Konstellation ausdrücklich erlaubt. Genauso wie das Herausholen des Rechenschiebers.

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Zumal die Formkurve eine klare Sprache spricht: 13 Punkte aus den letzten fünf Spielen gelangen neben der TSG nur Werder Bremen.

Wer jedenfalls einen Beweis gebraucht hat, dass Hoffenheim in dieser Saison eine Spitzenmannschaft ist, bekam diesen am Dienstagabend auf dem Silbertablett. Geht es nach Oliver Baumann, war dieser jedoch gar nicht mehr nötig: "Das wissen doch alle, oder", grinste der Keeper. Spätestens jetzt ja.

Hoffenheim - Bayern: Die Statistik zum Spiel

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