Uns Oh weh

Ist diese Mannschaft des HSV stark genug für den Klassenerhalt
© getty

Der Hamburger SV hat schon einen Trainerwechsel hinter sich, von einer Trendwende sind die Hanseaten aber meilenweit entfernt. Es kracht und knirscht auf allen Ebenen. Es stellt sich die Frage, wie in dieser Konstellation der erste Abstieg aus der Bundesliga verhindert werden soll.

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Einen Geburtstag kann man auf viele verschiedene Arten feiern. Die einen fliegen zwei Tage vor einem Champions-League-Spiel im Privatjet nach Mailand, um beim Ehrentag eines Neffen dabei zu sein. Die anderen gehen Samstagnachmittag ins Stadion, lassen sich von 57.000 Menschen ein Ständchen singen und sehen dann dabei zu, wie sich ihr Herzensverein demütigen lässt.

Uwe Seeler war natürlich eines der Themen an diesem Tag, an dem das große HSV-Idol seinen 80. Geburtstag feierte. Es dürfte ihm aber nicht gefallen haben, dass die Hamburger Anhänger schon nach 30 Minuten seinen Namen in lautstarken Gesängen verwenden mussten. "Außer Uwe könnt ihr alle gehen", schallte es durchs Volksparkstadion.

Der HSV lag zu diesem Zeitpunkt nach einem Hattrick von Geburtstagsfeierbiest Pierre-Emerick Aubameyang schon mit 0:3 zurück und zeigte besorgniserregende Auflösungserscheinungen. "Ich bin sehr verärgert über den Start in das Spiel. Wir machen krasse, individuelle Fehler und geraten so schnell uneinholbar in Rückstand. Das bricht uns das Genick", sagte HSV-Trainer Markus Gisdol. "Die Spieler machen es natürlich nicht mit Absicht, aber diese Fehler werfen unseren gesamten Matchplan sofort über den Haufen.

Historisch schlecht: Die Schreckensbilanz des HSV

Was war zuerst da: Huhn oder Ei?

In Hamburg versuchte man auch aufgrund genau dieser Fehlleistungen die Frage zu beantworten, was zuerst dagewesen sei, das Huhn oder das Ei. Auf den HSV bezogen heißt das: Waren die Spieler so verunsichert, weil sie so viele Fehler gemacht haben, oder haben die Spieler so viele Fehler gemacht, weil Trainer Gisdol sie mit der ungewohnten Aufstellung verunsichert hat.

Die Antworten gingen je nach Gesprächspartner erwartungsgemäß auseinander. Während Gisdol meinte, bei diesen individuellen Patzern "hätten wir auch mit Viererkette Probleme gehabt", stellte Kapitän Johan Djourou fest: "Der Trainer hat das so entschieden. Für viele war das neu. Wir haben das probiert, müssen das aber noch trainieren. Die Automatismen stimmen nicht."

Ist Gisdol der richtige Mann?

Nach fünf Spielen unter Gisdol lässt sich resümieren, dass insgesamt nur wenig stimmt beim HSV. Der gewünschte Effekt nach einem Trainerwechsel ist ausgeblieben. Ein mit viel Glück errungener Punkt in Gladbach und jetzt die ersten beiden Tore unter seiner Führung gegen den BVB sind eine düstere Bilanz für den 47-Jährigen.

Deshalb muss sich Gisdol auch in der Kürze seiner Amtszeit die Frage gefallen lassen, ob er der richtige Mann für diesen Job ist. Seine Körpersprache am Samstag schien nicht dazu geeignet, den wackelnden Riesen HSV wieder solide auf die Beine zu bringen.

Und so macht sich Gisdol trotz der sportlichen Probleme auf den Weg in einen Kampf, den sein Vorgänger Bruno Labbadia erst vor einigen Wochen verloren hat: nämlich dem Verein mehr Realismus zu verordnen. "Die Träumerei muss aufhören. Die Erwartungshaltung vor Saison war nicht angemessen. Das ist Existenzkampf. Das ist die Realität", sagte er.

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Zu viele Nebenkriegsschauplätze

In diesem durchweg unruhigen Verein gehört das Lamento des Trainers über verzerrte Wahrnehmungen mittlerweile zum Standard. Dies zu ändern haben vor Gisdol schon ganz andere versucht.

Und auch in dieser schwierigen Phase werden sportliche Probleme von einer in der Öffentlichkeit durchgeführten Diskussion über Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer sowie der Suche nach einem neuen Sportdirektor überlagert. Im Hintergrund mischt dann auch noch Investor Klaus-Michael Kühne mit seinen Berater Reiner Calmund und Volker Struth mit.

Es ist kein Wunder, dass sich der Wunschkandidat für den Posten des Sportdirektors Nico-Jan Hoogma selbst von der Liste strich, weil er "mit dem Prozess" nicht einverstanden war. Beim HSV gibt es seit Jahren zu viele Nebenkriegsschauplätze.

Seeler: "Hamburger geben nicht auf"

In der Bundesliga sind jetzt erst einmal zwei Wochen Pause. Zeit zum Durchschnaufen, Zeit für die Arbeit auf dem Trainingsplatz, aber auch Zeit, um noch weiter zu verkrampfen. Der HSV ist mit seiner desolaten Bilanz von zwei Punkten und einem Torverhältnis von 4:23 für diesen Zeitraum am Tabellenende festgenagelt. Es ist kein schöner Anblick für HSV-Anhänger, aber noch sind der Relegationsplatz und die Nicht-Abstiegsränge in Sichtweite.

Nach der Länderspielpause reisen die Hamburger an Gisdols alte Wirkungsstätte zu 1899 Hoffenheim. Was für den ersten Sieg und die Wende zum Besseren spricht? Wenig.

Auch der Jubilar Seeler strahlte nur wenig Hoffnung aus, setzte aber klare Prioritäten. "Ich bin natürlich enttäuscht und hätte mir ein paar weniger Geschenke für die Dortmunder in der ersten Spielhälfte gewünscht. Aber Hamburger geben nicht auf, es geht weiter. Und meinen Geburtstag lasse ich mir nicht verderben."

Hamburg - Dortmund: Die Statistik zum Spiel

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