Scheiße am Stiefel - und plötzlich Spannung

Thomas Müller haderte nach dem Remis gegen Hoffenheim mit seiner Chance
© getty

Der FC Bayern hat am 10. Spieltag zum dritten Mal Punkte abgegeben. Für die Münchner fühlt es sich an wie eine Niederlage, die Liga könnte plötzlich wieder spannend werden. Der Punktverlust gegen die TSG 1899 Hoffenheim hat verschiedene Gründe - und diese sind nicht nur beim FCB zu suchen.

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Blicke sagen manchmal mehr als 1000 Worte. Das ist an diesem Nachmittag in der Mixed Zone der Allianz Arena auch nötig. Denn viele Worte gibt es nicht. Mit gesenkten Köpfen und genervten Mienen stapfen beinahe alle Spieler des FC Bayern an den anwesenden Journalisten vorbei. Keine Lust auf Erklärungen nach dem 1:1 gegen die TSG 1899 Hoffenheim.

Thomas Müller spricht schließlich aus, was auf den Gesichtern seiner Teamkollegen bereits abzulesen war: "Wir sind nicht zufrieden. Wir haben heute nicht gewonnen, dementsprechend ist die Stimmung schlecht."

Tatsächlich war die Stimmung merklich angeknackst, als hätte der Meister eben verloren. Aus Sicht der Bayern bedeutet ein Unentschieden, zwei Punkte verloren zu haben. Das war offenbar.

Das Wort Krise geistert in München immer vorschnell durch den Blätterwald - und ist in diesem Fall auch nicht angebracht. Sollte RB Leipzig am Sonntag nicht mit acht Toren Unterschied gegen Mainz gewinnen, sind die Bayern nach wie vor Tabellenführer der Bundesliga. Krise sieht anders aus.

Fakt ist aber auch: Nach dem Sahnestart mit 15 Zählern aus den ersten fünf Spielen haben die Münchner in den vergangenen fünf Partien dreimal die Punkte mit dem Gegner geteilt. Und Leipzig könnte am Sonntag immerhin als punktgleicher Zweiter da stehen. Zum Vergleich: In der Vorsaison hatte der FCB nach zehn Spielen sieben (!) Punkte Vorsprung auf Borussia Dortmund.

Dass es gegen Hoffenheim zum dritten Mal in dieser Spielzeit nicht zu einem Sieg reichte, hatte verschiedene Gründe.

Starker Gegner

Der gewichtigste Grund von allen war der Auftritt des Gegners. Die Mannschaft von Trainer-Shooting-Star Julian Nagelsmann igelte sich nicht am eigenen Strafraum ein, sondern spielte vor allem in der ersten Halbzeit mutig und erarbeitete sich immer wieder eigene Gelegenheiten.

In diesem großen Spiel bewies Nagelsmann auf höchstem Niveau, dass er nicht nur als emotionaler Leader funktioniert, sondern auch als Taktikfuchs. Die Strategie, gegen die Bayern auf eine Dreierkette zu setzen, die sich in gegnerischem Ballbesitz in eine Fünferkette verwandelte, ging voll auf.

Auf der linken Abwehrseite doppelten Benjamin Hübner und Steven Zuber Arjen Robben konsequent und nahmen ihm so seine Entfaltungsmöglichkeiten, auf der rechten Seite machten Niklas Süle und Pavel Kaderabek das gleiche mit Douglas Costa. Besonders in der ersten halben Stunde lahmte so das Bayern-Spiel über die Außen - und die vergangenen Wochen haben gezeigt, wie sehr das Wohl oder Übel des Meisters mit der Verfassung der Flügelstürmer, insbesondere Arjen Robben, zusammenhängt.

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Auch Robert Lewandowski wurde durch den kompakten Verbund von Süle, Vogt und Hübner kaltgestellt. Der Spieler, der ligaweit bislang am häufigsten auf das gegnerische Tor schoss, kam nur dreimal zum Abschluss.

Schnelles Umschaltspiel

Wenn die Gäste den Ball eroberten, versuchten sie, schnell in die Spitze zu spielen. Auch da hat Nagelsmann die Achillesferse der Bayern in der bisherigen Saison klug ausgemacht. Wenn der Gegner schnell umschaltet und zum Abschluss kommt, ist die Ancelotti-Elf in diesem Herbst anfällig. Das Tor zum 0:1 war ein Paradebeispiel.

"Mit der ersten Halbzeit war ich zufrieden. Da hatten immer wieder mal Phasen, in denen wir gut mit dem Ball umgegangen sind", sagte Nagelsmann hinterher.

Möglich war die gute Leistung der Hoffenheimer durch harte Arbeit. Insgesamt 123,2 Kilometer rissen die Nagelsmänner in München-Fröttmaning ab - bisheriger Saisonrekord. Die Bayern liefen beinahe acht Kilometer weniger.

Heim-Dominanz noch nicht da

Aus Sicht des Rekordmeisters könnte die starke Leistung des Gegners allerdings auch als weiterer Beweis gewertet werden, dass die große Selbstverständlichkeit vor heimischer Kulisse in dieser Saison noch nicht da ist. Nach der Partie gegen Köln hatte Manuel Neuer erst moniert: "Wir müssen dem Gegner klar machen, dass hier in der Allianz Arena nichts zu holen ist."

Ist also die fehlende Einstellung ein Grund für das erneute Remis? Nicht, wenn es nach Carlo Ancelotti geht: "Im Großen und Ganzen war es gut, denn wir haben gegen einen sehr guten Gegner gespielt. Wir hatten eine gute Einstellung", sagte der Trainer nach dem Spiel. Die deutlich geringere Laufstrecke ist ein Indikator, der Gegenteiliges vermuten ließe. Allerdings gewannen die Münchner 55,8 Prozent der Zweikämpfe, im zweiten Durchgang sogar 63 Prozent.

Das entscheidende Quäntchen Glück

Ohnehin war die zweite Halbzeit aus Sicht des Spitzenreiters stark verbessert. Und da kommt der dritte Grund für das dritte Unentschieden ins Spiel: Manchmal geht es im Fußball eben auch um das entscheidende Quäntchen Glück.

Zwei Spieler, die dieses derzeit nicht auf ihrer Seite haben, sind Mats Hummels und Thomas Müller. Hummels war bereits in der Vorwoche in Augsburg bei drei Abschlüssen entweder an Hitz oder der Genauigkeit gescheitert. Auch gegen Hoffenheim traf er nur den Pfosten.

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Den traf auch Thomas Müller in der 92. Minute. Es hätte der perfekte Moment für sein erstes Saisontor werden können. Die Schlagzeilen hätten sich beinahe von selbst geschrieben: "Müller müllert die Müllmänner zum Sieg" oder ähnliche Anspielungen auf das Sondertrikot aus Ozeanmüll hätten auf dem Silbertablett gelegen. Doch aus fünf Metern knallte der Nationalspieler den Ball nach feiner Kopfballablage von Kingsley Coman an den Außenpfosten.

"Meine Krawatte ist richtig dick", sagte Müller in der Mixed Zone: "Die Scheiße klebt an meinen Stiefeln. Es ist nicht so, dass man da nachdenklich wird, aber jetzt gerade bin ich ziemlich schlecht gelaunt."

"Einfach der Wurm drin"

682 Minuten ist es nun her, dass Müller in der Bundesliga letztmals ins Tor traf. Verdammt lange für einen Spieler, der in der vergangenen Saison 20 Treffer erzielte. Karl-Heinz Rummenigge ermutigte den Angreifer zum Weitermachen: "Es fällt auf, dass seit dem verschossenen Elfmeter gegen Atletico Madrid der Wurm drin ist und er einfach Pech hat. Das kann man nicht ändern. Da muss man einfach arbeiten, arbeiten, arbeiten und irgendwann schießt man dann wieder drei. Das wird demnächst passieren."

Am Samstag ist es nicht passiert. Wenige Sekunden nach Müllers Großchance war die Partie vorbei, das 1:1 stand fest. Damit gehen die beiden längsten Serien von ungeschlagenen Spielen in der Liga weiter. Die Münchner haben seit 20 Spielen (15 Siege, fünf Remis) nicht verloren, Hoffenheim seit zehn (fünf Siege, fünf Remis).

Clash mit dem BVB

Und plötzlich ist die Liga spannend. Leipzig könnte am Sonntag nach Punkten mit den Bayern gleichziehen und nach der Länderspielpause sind diese dann in Dortmund beim BVB zu Gast, der am Samstag im Parallelspiel mit einem Pierre-Emerick Aubameyang in Topform 5:2 über den Hamburger SV gewalzt ist.

Auch die Dortmunder sind in der Lage, einen Fußball zu spielen, der den Bayern wehtun kann. Ein weiterer Punktverlust oder gar eine Niederlage der Münchner würde die Karten in der Liga endgültig neu mischen. Doch all das ist Zukunftsmusik. Erst einmal fahren die Nationalspieler zu ihren Auswahlmannschaften.

Für die Bayern ist dabei Ablenkung offenbar dringend notwendig. Denn das Remis gegen Hoffenheim hat sich für diese angefühlt wie eine Niederlage. Zumindest sagten das deren Blicke aus. Und die sagen mehr als 1000 Worte.

Bayern - Hoffenheim: Die Statistik zum Spiel

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