Rational entspannt

Der gescholtene Mats Hummels konnte am Samstag gegen Wolfsburg sogar auch lächeln
© Getty

Das 5:1 von Borussia Dortmund über den VfL Wolfsburg war das erste Spiel für Mats Hummels seit sein Wunsch, in der kommenden Saison für den FC Bayern München zu spielen, publik wurde. Der BVB-Kapitän musste sich im Signal Iduna Park einiges anhören, zeigte in einer diffusen Atmosphäre jedoch eine erstklassige Reaktion - und tadelte anschließend den Vorstoß von Uli Hoeneß.

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Wie es mittlerweile um Mats Hummels Insomnie bestellt ist, bleibt leider unklar. Nach dem Einzug ins DFB-Pokalfinale vor zehn Tagen hat der Mannschaftskapitän von Borussia Dortmund geäußert, die Entscheidung über seine Zukunft koste ihn täglich locker 30 Minuten seines Schlafs.

Nun ist diese Entscheidung kommuniziert, Hummels würde sich gerne dem FC Bayern anschließen und in seine Heimatstadt München zurückkehren. Seitdem dies bekannt wurde, ist die Hektik aus dieser Personalie jedoch nicht entwichen.

Im Gegenteil, vielleicht grübelt Hummels angesichts der unterschiedlichen Stimmungen und Reaktionen vor dem Schlafengehen noch immer vor sich hin. Es würde jedoch genauso nicht verwundern, sollte der deutsche Nationalspieler in diesen Tagen sanft einschlummern können.

Hummels als Erster in der Kabine

Hummels schaffte es bei seinem ersten Auftritt vor heimischem Publikum seit der Bekanntgabe seines Wechselwunschs, eine souveräne Leistung aufs Parkett zu zaubern. Das ist insofern bemerkenswert, da Hummels auf dem Spielfeld in der Vergangenheit häufiger Schwierigkeiten hatte, sich aus dem Stand aus komplizierten Situationen zu befreien, die ihren Ursprung abseits des Platzes hatten.

Es war eine diffuse Stimmung, die am Samstagnachmittag im Signal Iduna Park herrschte. Die Partie gegen den VfL Wolfsburg war sportlich fast bedeutungslos, so dass Hummels' Begegnung mit dem schwarzgelben Anhang vielerorts im Vordergrund stand.

Vor der Partie konnte man bereits einen ersten Einblick gewinnen, was Hummels erwarten würde. Beim Einlaufen der Mannschaft hielt sich das Publikum noch zurück, als Hummels dann nach dem Aufwärmprogramm zum Torschusstraining bereitstand und seinen ersten Versuch über den Kasten donnerte, setzte es von den Rängen eine Mischung aus Pfiffen, Häme und Ironie.

Groteske Situation im Stadion

Hummels schien das zunächst noch etwas zu beeindrucken, er verschwand unmittelbar danach als Erster in der Kabine und schüttelte kurz den Kopf. Nach Anpfiff besann sich die Dortmunder Südtribüne dann darauf, den eigenen Verein in den Himmel zu singen. "Es gibt nie, nie, nie einen anderen Verein", skandierten die Fans und sie skandierten dies selbstredend in Hummels' Richtung. "Der Kapitän geht als Erster von Bord. Am besten sofort", stand auf einem Plakat geschrieben.

Als der das erste Mal an den Ball kam, wurde deutlich, auf was man sich einzustellen hatte: viele, aber bei weitem nicht alle Fans auf Europas größter Stehplatztribüne pfiffen gnadenlos, sobald Hummels die Kugel führte. Als dem Rest des Publikums klar wurde, welch harte Linie gerade die Dortmunder Ultras gegenüber dem 27-Jährigen fahren, nahm die Situation teils groteske Züge an.

Viele der restlichen Zuschauer, besonders diejenigen auf der Osttribüne, versuchten bei Hummels' Ballberührungen nun schnell lautstark zu applaudieren, um die Unmutsbekundungen zu übertönen. Hummels schien das alles jedoch nur wenig zu tangieren. Während er früher nach öffentlich ausgetragenen Diskussionen, beispielsweise um seine Form, schon häufiger dann auch auf dem Spielfeld unsicher wirkte, spulte Hummels am Samstag sein Programm ziemlich unbeeindruckt und rational ab.

"Auf dem Platz muss man das ausblenden"

Vielleicht sollte das auch gar nicht großartig verwundern, schließlich befindet sich Hummels seit Wochen in herausragender Verfassung. Auch gegen Wolfsburg war er aufmerksam in der Balleroberung, antizipierte aggressiv und spielte viele brauchbare Bälle ins letzte Drittel. Den Dortmunder Führungstreffer durch Shinji Kagawa hatte auch Hummels mit auf den Weg gebracht.

"Das kommt aus dem Wissen heraus, dass er sich auf sein Team verlassen kann", sagte Trainer Thomas Tuchel nach Spielschluss darauf, weshalb sein Spielführer so souverän mit der Situation umging. Nachdem Hummels seine Entscheidung bekannt gab, habe die Mannschaft solidarisch reagiert, verriet Tuchel, "diese Stimmung fing ihn auf".

Auch Hummels selbst ordnete die Geschehnisse wohltuend unaufgeregt ein: "Es ist alles sehr emotional. Auf dem Platz muss man das ausblenden. Das habe ich getan und dazu beigetragen, dass wir das Spiel gewinnen."

Schlauer Satz von Tuchel

Es ist ein schmaler Grad, was Pfiffe gegen eigene Spieler im eigenen Stadion angeht. Ein zahlender Fan sollte die Freiheit haben und bei Bedarf die Möglichkeit nutzen können, seinen Unmut zu äußern. Hummels war sich vor dem Spiel wie auch Tuchel sicherlich bewusst, dass er beim Auftritt gegen die Wölfe nicht nur Applaus ernten würde und die Zuschauer seine Entscheidung in welcher Art auch immer kommentieren würden.

Und auch wenn die Buh-Rufe keinesfalls nur von dort kamen, wo Dortmunds treueste Anhänger stehen, musste sich Hummels von der Südtribüne nach Abpfiff einige Ansagen anhören, die deutlich unter der Gürtellinie waren. Tuchel bemühte anschließend einen schlauen Satz: "Ich finde, es gibt einen Unterschied zwischen Pfiffen und Schmähgesängen, die im Inhalt zu weit gingen."

Für Tuchel zeigte Hummels eine "entspannte und perfekte" Reaktion auf die diffuse Atmosphäre auf den Rängen, die Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke anschließend mit deutlichen Worten geißelte. Auch nach der Partie zeigte Hummels eine Reaktion, die ging allerdings in Richtung seines wohl kommenden Vereins.

"Das ist der größte Humbug"

Uli Hoeneß hatte am Freitag auf einer Veranstaltung zum Thema Hummels suggeriert, der Dortmunder habe sich den Münchnern angeboten. "Ich habe mich nirgendwo angeboten", entgegnete Hummels, "das ist der größte Humbug, den ich je gehört habe."

Es wirkte beinahe wie abgesprochen, dass ein paar Momente später Karl-Heinz Rummenigge in München vor die Mikrofone trat und für Aufklärung sorgte: "Da hat Uli vielleicht etwas missverstanden. Wir haben Mats Hummels kontaktiert und ihn gefragt, ob er sich das vorstellen kann."

Hummels kann sich das offenbar sehr gut vorstellen, doch die Verantwortlichen der Borussia knüpfen glasklare Bedingungen daran, wie dieser Deal über die Bühne zu gehen hat. "Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Die Vorstellungen realisieren sich zu 100 Prozent oder es gibt keinen Transfer. Wir sind mit den Bayern in Kontakt, das kann ich sagen. Ich gehe davon aus, dass es relativ schnell eine Klärung gibt", so Watzke.

Diese wird wohl noch deutlich vor dem Pokalfinale zwischen Dortmund und Bayern am 21. Mai kommuniziert. Das wäre wichtig, um vor der letzten Titelchance des BVB in dieser Saison den Deckel auf die Angelegenheit zu bekommen. Doch selbst, wenn dies nicht fristgerecht funktionieren sollte: Hummels tadellose Leistung gegen schwache Wolfsburger war für die restlichen drei Saisonpartien genauso ein Signal wie seine Absicht, Dortmund den Rücken zu kehren.

Dortmund - Wolfsburg: Daten zum Spiel

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