Novum in einer Scheiß-Situation

66. Minute: Schiedsichter Felix Zwayer (r.) unterbricht die Partie zwischen Bayer und dem BVB
© Getty

Roger Schmidt schießt mit seinem Verhalten gegenüber Schiedsrichter Felix Zwayer bei der 0:1-Niederlage gegen Borussia Dortmund über das Ziel hinaus. Immerhin zeigt sich Bayer Leverkusens Coach am Ende einsichtig. Auch Rudi Völler platzt der Kragen. Nun droht ein Nachspiel.

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Ein altes Fußballsprichwort besagt: "Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift". Zugegeben: In der heutigen Zeit mit all den technischen Hilfsmitteln verliert dieser Spruch an Wertigkeit. Dennoch soll er nur verdeutlichen, dass das, was der Unparteiische entscheidet, zunächst einmal Gesetz ist.

Das gilt nicht ausschließlich für den Fußball. Frag nach beim Handball, frag nach beim Rugby. Frag nach beim Football. Überall dort wird die Entscheidung eines Schiedsrichters in der Regel nicht derart diskutiert, wie es im Fußball der Fall ist.

Insofern hätte Roger Schmidt am Sonntagsnachmittag einfach auf der Tribüne Platz nehmen sollen, so wie es ihm Felix Zwayer kurz zuvor ausdrücklich gesagt hatte.

Ein Novum im deutschen Fußball

"Die Situation hat sich so dargestellt, dass aufgrund wiederholt unsportlichen Verhaltens von Herrn Schmidt der Verweis aus dem Innenraum gegeben war. Dieser ist von mir persönlich ausgesprochen worden über eine gewisse Distanz, aber bei deutlichem Blickkontakt mit Herrn Schmidt", erklärte der Zwayer nach dem Spiel.

Dass sich Schmidt weigerte und sich Zwayer daher gezwungen sah, dass Spiel zwischen Bayer und dem BVB für neun Minuten zu unterbrechen, sorgte für ein absolutes Novum im deutschen Fußball. Wahrscheinlich wird sich das DFB-Sportgericht mit der Situation beschäftigen.

Dem Verweis von Schmidt war ein Foul von Stefan Kießling an Sven Bender vorausgegangen, Matthias Ginter hatte den Freistoß anschließend tief in der Dortmunder Hälfte schnell ausgeführt, allerdings genau 5,80 Meter entfernt vom eigentlichen Geschehen.

Dass daraus Pierre-Emerick Aubameyangs 50. Bundesligatreffer im 86. Spiel (Gerd Müller benötigte 82 Spiele) und gleichzeitig die Dortmunder Führung resultierte, brachte nicht nur den Bayer-Coach auf die Palme, doch beschwerte sich Schmidt nicht das erste Mal lautstark beim vierten Offiziellen, so dass sich Zwayer zum Handeln gezwungen sah.

"Wahrscheinlich im Ermessensspielraum"

"Klar, der wird 5,80 Meter entfernt ausgeführt. Erst einmal ist es Foul und der Ball liegt ruhig, das ist keine Frage. Ich muss ehrlich sagen, dass so viele Freistöße teilweise zehn Meter entfernt ausgeführt werden. Ich glaube, dass es völlig richtig entschieden war", sagte Mats Hummels.

Auch Thomas Tuchel sah die Szene ähnlich: "Der Abstand liegt wahrscheinlich im Ermessensspielraum. Ich denke, dass es so okay ist. Es gab aber auch schon Entscheidungen, in denen es zurückgepfiffen wurde."

Vielleicht wäre die Situation nicht derart eskaliert, wenn alle Beteiligten etwas direkter miteinander kommuniziert hätten. "Es war für mich weder gegeben noch zwingend erforderlich, in dieser Situation die Nähe des Trainers zu suchen. Der Trainer hat sich der eindeutigen Anweisung des Schiedsrichters widersetzt und eine persönliche Erklärung eingefordert. Das ist in meinen Augen nicht in Ordnung und kein respektvoller Umgang miteinander. Insofern haben wir uns deutlich an die Anweisung gehalten", erklärte Zwayer seine Sicht der Dinge.

Völler platzt der Kragen

Soweit scheint alles nachvollziehbar - allerdings nicht für Bayers Sportdirektor Rudi Völler, der sich nach dem Schlusspfiff bei Sky mit Moderator Sebastian Hellmann ein verbales Duell lieferte, das fast schon an den Weißbier-Schlagabtausch 2003 auf Island mit Waldemar Hartmann erinnerte.

Natürlich könne man darüber diskutieren, ob der Trainer auf die Tribüne müsse oder nicht, "aber man kann es ihm auch einfach vernünftig erklären", so Völler: "So ein Spiel zu unterbrechen und dadurch so eine Hektik reinzubringen, das war völlig unnötig. Ich verlange von Herrn Zwayer, dass er unserem Trainer das erklärt, egal ob das in der Regel steht oder nicht. Wenn es anders im Regelwerk steht, dann haben wir wieder etwas dazugelernt. Dann hier so eine Nummer draus zu machen. Die Spieler müssen reingehen, als wäre hier etwas Furchtbares passiert, das ist total übertrieben."

Es war längst nicht das erste Mal, dass Völler völlig außer Rand und Band geriet.

Zumindest Schmidt ist einsichtig

Nach dem Spiel zeigte sich zumindest Schmidt einsichtig: "Natürlich kann ich das nicht jeden Samstag machen. Das darf ich nicht und das weiß ich auch. Ich habe da natürlich eine Vorbildfunktion und der bin ich heute auch nicht gerecht geworden. Das weiß ich auch. Vielleicht ist es falsch, aber ich finde schon, dass nicht mein Kapitän, sondern der Schiedsrichter mir sagen kann, dass ich auf die Tribüne muss. Das hat nicht stattgefunden, das habe ich eingefordert. Das war anscheinend ein Fehler. Es tut mir leid, vor allen Dingen für meine Mannschaft."

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Den Spielern schien der Vorfall im Nachhinein offensichtlich ein wenig peinlich zu sein. "Es war eine Scheiß-Situation und unnötig. Auch vom Schiedsrichter. Er hätte ja auch hingehen und es ihm sagen können. Im Endeffekt war es einfach blöd", sagte etwa Stefan Kießling.

Und der Stürmer weiter: "Ich war mit Mats Hummels beim Schiedsrichter drin. Da wurde noch einmal über die Situation gesprochen. Es war ein ruhiges Gespräch. Was soll ich sagen, ich werde keine Einzelheiten mitteilen. Wir haben ganz normal darüber gesprochen. Der Trainer ist in der Kabine geblieben und hat sich das Spiel von drinnen angeschaut. Also ist doch alles in Ordnung."

"Dann können wir uns nicht beschweren"

Naja, fast alles in Ordnung. Unglücklicherweise übersah Zwayer wenige Minuten nach dem Schmidt-Gate bei Sokratis' Abwehraktion im Strafraum ein klares Handspiel des Griechen - der zwingende Elfmeterpfiff blieb aus.

"Wenn die Hand so weggestreckt ist, dann können wir uns nicht beschweren, wenn er ihn gibt. Wenn ich das so sehe und der Schiedsrichter Elfmeter gepfiffen hätte, dann hätte ich auf keinen Fall gesagt, dass es eine Fehlentscheidung ist", sagte Hummels zu der Aktion in der 71. Minute.

Auch Zwayer gab den Fehler zu: "Das ist regeltechnisch ein strafbares Handspiel und ein Strafstoß. Sehr bedauerlich und eine Fehlentscheidung. Aber für mich persönlich nicht wahrnehmbar und auch für den Assistenten aus seiner Position nicht zu sehen".

Glücklicher Sieg für den BVB

So griff der Schiedsrichter an diesem Sonntagnachmittag ein weiteres Mal entscheidend in das Spiel ein, was natürlich kein gutes Zeichen ist. Der Ärger von Leverkusener Seite ist soweit auch verständlich, über die Art und Weise, wie die Beteiligten diesen kundtaten, lässt sich streiten.

So wird man sich noch lange an dieses Spiel erinnern. Aber nicht, weil die 30.210 Zuschauer ein hochklassiges Fußballspiel gesehen hätten, sondern weil sich Fehltentscheidungen und kuriose Reaktionen abwechselten.

Dass Borussia Dortmund letztlich drei mehr als glückliche Punkte gegen Bayer Leverkusen holte, den Abstand auf Platz vier auf 16 Punkte vergrößerte, sich das Spiel über die gesamten 90 Minuten auf eher überschaubarem Niveau bewegte und die Werkself kurz vor Schluss durch Chicharito sogar noch den Ausgleich auf dem Fuß hatte - darüber wollte anschließend keiner mehr diskutieren.

Leverkusen - Dortmund: Daten zum Spiel