Marco Reus: Jetzt ist morgen

Marco Reus traf in seinen letzten drei Bundesliga-Spielen fünf Mal für Borussia Dortmund
© Getty

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Saison von Marco Reus wellenförmig verläuft. Der Nationalspieler in Diensten von Borussia Dortmund startete unter Trainer Thomas Tuchel hervorragend, fiel dann jedoch in ein Loch - aus dem er sich nun wieder befreit hat.

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Seine Arbeitskleidung wurde Marco Reus am Samstag in Bremen dann doch los. Ein Dortmunder Fan hatte ein schmuck bemaltes Schild mit eindeutiger Aufforderung mit ins Weser-Stadion genommen. BVB-Kapitän Mats Hummels schnappte es sich im Anschluss an das 3:1 gegen Werder, hielt es Reus unter die Nase und dieser gab wie gewünscht sein Trikot ab.

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Es ist das Trikot des Matchwinners, das der Anhänger nun sein Eigen nennen darf. Reus glänzte gegen Werder mit gnadenloser Effektivität - für seine beiden Treffer benötigte er genau zwei Schüsse.

Der 26-Jährige ist damit dem Loch entflohen, in dem er vor nicht allzu langer Zeit steckte. Es ist nicht das erste Mal, dass Reus' Leistungen einem steten Auf und Ab gleichen. Sein Problem allerdings: er wird aufgrund seines herausragenden Talents und seiner Verletzungsanfälligkeit enorm kritisch beäugt. Nach zwei Partien ohne Torbeteiligung fällt häufig schon das Beil.

Noch keine 90 Minuten in der Bundesliga

Diesmal kam beides zusammen: Reus war verletzt und kam danach nicht richtig in Schwung. Unter Dortmunds neuem Trainer Thomas Tuchel startete der Nationalspieler furios, gegen Gladbach, Ingolstadt und Odds BK erzielte er innerhalb von zwölf Tagen fünf Tore.

Im Heimspiel gegen Hertha BSC jedoch brach sich Reus die Zehe an. Eine auf den ersten Blick harmlose Blessur, doch sie war der Beginn einer mehrwöchigen Durststrecke. Reus konnte fast 20 Tage kein einziges Mal trainieren und verlor Rhythmus wie Substanz.

Kürzlich sagte Tuchel, er werde seine Spieler nicht um der Rotation willen rotieren lassen. Doch der Coach schaut durchaus genau hin, welche individuellen Belastungsdaten die Belegschaft zu Tage fördert. Mit Reus geht Tuchel besonders sensibel um, er verteilt dessen Pensum auch aufgrund seiner Verletzungshistorie enorm vorsichtig. Zum Beleg: in der Bundesliga ließ er Reus noch nie die vollen 90 Minuten auf dem Platz.

Kritischer Punkt gegen Bayern

Die Partie gegen Leverkusen verfolgte Reus noch von der Bank aus, bei den Punktverlusten in Hoffenheim und gegen Darmstadt ließ ihn der Trainer dann erstmals nach der Pause wieder von der Leine. Das Resultat: man merkte sie Reus an, mehr als man möglicherweise annahm.

Reus blieb blass, er fand weder Tempo noch Räume für sein Spiel, bisweilen wirkte er fast unbeteiligt. Dies versuchte auch Tuchel gar nicht erst zu beschönigen: "Er ist sehr fleißig und bemüht, aber es klemmt noch ein bisschen - auch in der Ausstrahlung, Torgefahr und im Gefühl fürs Spiel", meinte der Trainer eindeutig.

Diese Abwärtsentwicklung erreichte letztlich ihren kritischen Punkt beim Gipfeltreffen gegen den FC Bayern. Tuchel setzte seinen formschwachen Star zunächst auf die Bank - ein deutliches Zeichen des Übungsleiters, der in dieser Partie allerdings nicht nur eine überraschende Entscheidung in der Zusammenstellung seiner Mannschaft traf.

Reus selbstkritischer als angenommen

Tuchel begründete im Anschluss: "Ich habe immer die Hoffnung, dass Marco explodiert. Wir sehen in den Daten, wie fleißig er ist, wie viel Aufwand er betreibt. Wir hoffen, dass wir ihm helfen können, dass er wieder zu seiner Form kommt und das Tor trifft. Ich habe das Gefühl, dass das nicht lange dauert. Er kommt zurück, ganz sicher, am besten morgen."

Marco Reus' Spielerstatistik in der Saison 2015/2016

Nun ist das "morgen" gekommen, Reus wieder in der Spur. Bemerkenswert, wie er in der Schwächephase mit dem Wirbel um seine Person umging. Reus befindet sich dann verstärkt unter dem Brennglas der Öffentlichkeit, die Messlatte liegt permanent enorm hoch.

BVB-Boss Hans-Joachim Watzke schritt ihm zur Seite, nachdem Reus im Länderspiel gegen Georgien mehrere Großchancen fahrlässig verballerte: "Wer ist denn gegen eine sehr massierte Abwehr immer wieder in Abschlussposition gekommen? Immer Reus!"

Der Nationalspieler meidet in solchen Momenten die Medien und gibt keine wöchentlichen Wasserstandsmeldungen zu seiner Leistungskurve ab. Der Fußballer Marco Reus geht ambivalent vor: einerseits ist er deutlich selbstkritischer, als öffentlich gemeinhin angenommen wird. Doch im Wissen um das in ihm schlummernde Potential behält er zugleich die Ruhe.

Zweitbester Deutscher nach Müller

Reus mag manches Mal unglücklich agieren, mit hängenden Schultern tapst er aber nie über den Platz. Allerdings: nur etwas besser als in der Vorwoche gespielt zu haben, besänftigt ihn nicht. Reus braucht Zählbares. Wie wichtig für ihn eigene Treffer sind, wurde bei seinem Torjubel nach dem Führungstreffer in Mainz deutlich, als er den Ballast der letzten Woche förmlich von sich schrie.

"Marco Reus genießt volle Aufmerksamkeit von mir", sagte Tuchel während sich Reus im Loch befand und merkte an, dass ein Spieler dieser Klasse auch für ihn eine Herausforderung darstelle, an der er als Coach wachsen könne: "Es gibt keine Vorstellungen von mir ohne Marco Reus, es gibt kein Szenario ohne ihn."

Die Vorgehensweise von Trainer und Spieler scheint sich auszuzahlen. Reus bestätigte mit seinem Auftritt an der Weser die ansteigende Form. In seinen letzten drei Bundesliga-Spielen erzielte er wieder fünf Tore, zuletzt gab's zwei Doppelpacks in Serie. Mit jetzt sieben Saisontreffern in neun absolvierten Partien ist Reus zweitbester Deutscher der Liga. Nur Bayerns Thomas Müller traf noch häufiger (zehn Tore).

Bremen - Dortmund: Daten zum Spiel