Aggressives Experiment

Von SPOX
Der VfB Stuttgart hofft auf eine Saison ohne Abstiegskampf
© getty

Vor dem Start der 53. Bundesliga-Saison stellt SPOX die 18 Klubs vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: der VfB Stuttgart.

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12., 15., 14. - auch im dritten Jahr in Folge krebste der VfB in der vergangenen Spielzeit durch die unteren Tabellenregionen. Die letzte Saison war gar die brenzligste seit dem bislang einzigen Bundesliga-Abstieg 1975, nach insgesamt 16 Spieltagen mit der Roten Laterne retteten sich die Schwaben am letzten Spieltag aus der Abstiegszone.

Um das Abstiegsgespenst nicht schon wieder durchs Ländle spuken zu lassen, soll nach dem gescheiterten Projekt mit Armin Veh und Fredi Bobic ein Neustart her. Schon wieder - aber dieses Mal richtig.

Robin Dutt als neuer Vorstand Sport und der schon jetzt hoch angesehene Coach Alexander Zorniger waren nur die offensichtlichsten Änderungen auf operativer Ebene. Auch hinter den Kulissen, beispielsweise in der Scoutingabteilung, wurde kräftig gewerkelt und umgekrempelt, um sich nicht nur in dieser Saison, sondern auch in Zukunft wieder zu stabilisieren.

Das ist neu:

Um das Grundgerüst der Mannschaft hat sich beim VfB personell vieles getan. Ein großer und wichtiger Schritt gelang Dutt, indem er die "Altlasten" des Kaders los wurde und selbigen auf ein gesundes Maß ausdünnte. Gotoku Sakai (HSV), Sercan Sararer, Karim Haggui (beide Düsseldorf), Mohammed Abdellaoue (Valerenga) und Konstantin Rausch (Darmstadt) verließen den Klub bereits, Vedad Ibisevic soll bis Saisonbeginn ebenfalls noch gehen.

Das generierte Geld, das wiederum hauptsächlich aus den Verkäufen von Joshua Kimmich und Sven Ulreich zum FC Bayern stammte, wurde klug und punktuell reinvestiert. Mit Mitchell Langerak und Przemyslav Tyton kamen gleich zwei solide Keeper mit Ansprüchen auf die Nummer eins.

Jan Kliment, Philip Heise, Lukas Rupp und Emiliano Insua wechselten ebenfalls nach Schwaben.

Dazu gibt's trotz des Kimmich-Abgangs eine ganze Reihe von Eigengewächsen, die zur kommenden Saison zumindest in den Kader drängen. Jerome Kiesewetter machte in der Vorbereitung ebenso eine gute Figur wie Mart Ristl oder Arianit Ferati, der als das größte VfB-Talent seit langem gilt.

Die Taktik:

"Wir wollen einen eigenen VfB-Stil entwickeln", sagte Coach Zorniger über die kommende Saison, in der er den VfB grundsätzlich in einem 4-3-1-2, ähnlich einem 4-4-2 mit Raute, auflaufen lassen wird. Die Angriffe sollen dabei vor allem durchs Zentrum initiiert werden. Hat der Gegner den Ball, will Zorniger sein aus Leipzigs bekanntes aggressives Gegenpressing über den ganzen Platz aufziehen.

An den vier Verteidigern gibt es dabei nichts zu rütteln. Bleibt Antonio Rüdiger, wird der heiß begehrte Nationalspieler mit Timo Baumgartl die Innenverteidigung bilden. Außen dürften Klein rechts und Insua links gesetzt sein, beide bekommen von ihren Backups Schwaab und Heise aber mächtig Dampf.

Im Gegensatz zum letztjährigen 4-2-3-1 gibt's mit Serey Die nur einen Sechser zur Absicherung, generell ist das Mittelfeld durch die Raute aber um einiges kompakter als mit klassischen Außenangreifern. "Wir wollen im Spielaufbau wenig Risiken eingehen", sagt Zorniger, der dennoch hoch stehen und aggressiv gegen den Ball arbeiten lassen will.

Den Doppelsturm soll Ginczek tragen, Harnik gibt den Zuarbeiter. Kapitän Gentner jedenfalls zeigte sich erfreut über die "hochinteressante" neue Ausrichtung, wie er im Kicker betonte. "Es ist ein Experiment, das wir alle wollen."

Der Spieler im Fokus: Daniel Ginczek. Wie wichtig der bullige Angreifer für das Offensivspiel der Schwaben ist, stellte Ginczek in der Rückrunde der vergangenen Spielzeit mehr als eindrucksvoll unter Beweis. Nach überstandenem Kreuzbandriss und überwundenen Knieproblemen kam der 24-Jährige erstmals völlig fit für die Schwaben zum Einsatz - und traf in zwölf Spielen gleich sieben Mal.

Im Zusammenspiel mit Filip Kostic und Harnik hatte Stuttgart wieder ein magisches Dreieck, statistisch gesehen war im Saisonendspurt nur das katalanische Trio Lionel Messi, Luis Suarez und Neymar europaweit gefährlicher. Diesen Trend will die VfB-Offensive 2015/2016 bestätigen.

Die Vorbereitung verlief für Ginczek vielversprechend, unter anderem netzte der ehemalige Nürnberger beim 4:2-Kantersieg gegen Manchester City doppelt. Die Qualitäten des Goalgetters sind mittlerweile längst nicht mehr nur im Ländle bekannt. Mehrere Bundesligisten meldeten im Sommer Interesse an, sogar auf dem Zettel des Bundestrainers soll Ginczek mittlerweile stehen.

Daniel Ginczeks Statistiken der Saison 2014/15

Das Interview:

SPOX: Mit Joshua Kimmich verließ ein Riesen-Talent den VfB in der SommerpauseRichtung München. Was hat ihm beim VfB gefehlt?

Rainer Adrion: Kimmich hatte eine klare Perspektive bei den Profis. Der Plan war, ihn zurückzuholen und in der ersten Mannschaft zu integrieren. Wir haben auf ihn gebaut, das wurde ihm auch so aufgezeigt. Aber Bayerns Angebot veränderte alles. Es lief zwar absolut fair und korrekt ab, aber es wird ungleich schwerer für den VfB, wenn der FC Bayern so massiv um ein Talent mitbietet.

Stuttgarts Nachwuchsleiter Rainer Adrion im Interview

Die Prognose:

Der Kader klug verbessert, ein bereits gut verinnerlichtes System, Aufbruchsstimmung und Neuerungen an allen Ecken und Enden - die Chancen stehen gut wie lange nicht mehr für eine sorgenfreie VfB-Saison.

Nicht unterschätzt werden darf der psychologische Aspekt. Gelingt ein guter Saisonstart, wird's zwar nicht für Europa reichen, ein Platz in der oberen Tabellenhälfte oder zumindest im gesicherten Mittelfeld ist jedoch drin.

Klar ist aber auch: Gibt's schon zum Auftakt wieder Rückschläge, könnte das Zittern schon früh einsetzen. Und dass der VfB "fähig" ist, auch mit einem guten Kader am Rande des Abgrunds zu wandeln, das hat er bereits bewiesen.

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