Verschärfte Tonalität

Mit dieser Mannschaft jagt der FC Bayern den vierten Liga-Titel in Folge
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Vor dem Start der 53. Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Zum Abschluss folgt der amtierende Meister: Der FC Bayern München.

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Es war wieder eine Saison voller Rekorde: Die Herbstmeisterschaft wurde mit dem größten Vorsprung der Geschichte - es waren elf Punkte auf den VfL Wolfsburg - verzeichnet. Zwar schwächelte der FC Bayern München in der Rückrunde, verlor fünf von 17 Spielen, marschierte dennoch fortwährend auf Platz eins, stellte einen neuen Gegentor-Rekord auf und sicherte sich letztlich die drittschnellste Meisterschaft in der Liga-Historie.

Das waren die reinen Fakten. Doch blickte man in das Seelenleben der Bayern und lauschte in das Umfeld, klang es nicht unbedingt so, als hätten die Münchener abermals Bestmarken aufgestellt. Das erneute Halbfinal-Aus in der Champions League - und zu allem Überfluss auch noch im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund - ließ das Gesamtbild verblassen. Auch wenn die Bayern öffentlich von einer "guten Saison" sprachen, sagte die Körpersprache oftmals etwas anderes aus.

Die leicht angespannte Stimmung hat der FC Bayern in die Vorbereitung der Saison 2015/2016 transportiert. Allen voran Trainer Pep Guardiola hat zuletzt hier und da Konfrontationssituationen geschaffen, den Ton im Umgang mit der Außenwelt deutlich verschärft. Dass sein Vertrag zum Saisonende ausläuft und bis dato ein klares Bekenntnis ausbleibt, hält das Thema warm. Ein Thema, das den FC Bayern in dieser Saison begleiten wird und zum Störfaktor werden kann. Vor allem dann, wenn die Ergebnisse nicht stimmen sollten.

Das ist neu:

Neu für Viele ist ein FC Bayern München ohne Bastian Schweinsteiger. Erstmals seit der Saison 2002/2003 ist die Rückennummer 31 verwaist. Sportlich ist Schweinsteiger mittelfristig wohl zu ersetzen, der FC Bayern hat mit Arturo Vidal mindestens adäquaten Ersatz geholt. Als Führungsspieler und Vertrauter vieler Spieler wird der Ur-Bayer aber fehlen. Es wird sich eine neue Hierarchie bilden, Spieler wie Thomas Müller werden in der neuen Hackordnung eine bedeutendere Rolle einnehmen.

Veränderte Rollen nehmen auch andere arrivierte Spieler ein: Franck Ribery, der seit Mitte der vergangenen Rückrunde verletzt ausfällt und bis auf Weiteres auch nicht mitwirken kann, geht erstmals in eine Bayern-Saison, in der er nicht als unangefochtener Stammspieler gilt. Neuzugang Douglas Costa gilt als Gewinner der Vorbereitung, empfahl sich direkt als feste Größe auf der Außenbahn: überragende Technik, enormes Tempo, viel Zug zum Tor. Costa wird dem Spiel des FC Bayern neue Elemente verleihen.

Interessant zu beobachten sein wird auch die Situation um Xabi Alonso, der im Trainerteam hohes Ansehen genießt, sich aber nach einer durchwachsenen Rückrunde wieder steigern muss. Mit Joshua Kimmich hat Pep Guardiola einen neuen Lieblingsspieler, der forsch um einen Platz in der Startelf kämpft. Dass er sich durchsetzt, wäre nach ersten Eindrücken keine Sensation.

Die Taktik:

Taktische Flexibilität ist beim FC Bayern auch im dritten Jahr unter Pep Guardiola das oberste Gebot. Mit Arturo Vidal wurde ein Spieler geholt, der genau diese Vielseitigkeit verkörpert und Guardiola einige Variationsmöglichkeiten - auch während der Spiele - liefert. Einen Vorgeschmack gab Pep in den Vorbereitungsspielen, aber auch in den ersten Pflichtspielen konnte man es sehen: Der Bayern-Trainer variierte zwischen Dreier- und Viererkette. Dass er gegen vermeintlich komplexere Gegner wie den VfL Wolfsburg im Supercup und Real Madrid beim Audi Cup auf die Viererkette setzte, während er gegen Milan und Nöttingen jeweils im 3-4-3 (mit Hang zum 3-5-2) spielen ließ, mag kein Zufall sein.

Mit dem etwas konservativeren 4-1-4-1 ist das Spiel in Nuancen strukturierter, in der Ausführung etwas mehr auf Balance ausgelegt, während das Spiel mit der Dreierkette einen Hang zur Anarchie in der Offensivbewegung hat. Auch die Rochaden sind deutlich aggressiver. Gerade in den Heimspielen, in denen zu erwarten ist, dass der FC Bayern das Spiel dominiert und wieder bis zu 80 Prozent Ballbesitz hat, wird Pep mit der Dreierkette spielen lassen.

Interessant werden die Spiele sein, in denen Robert Lewandowski eine Verschnaufpause bekommt. Da mit Claudio Pizarro die einzige Alternative mit echter Mittelstürmer-Qualität gegangen ist, werden Mario Götze und Thomas Müller in die Rolle schlüpfen und ihre Aufgabe etwas anders als Lewandowski ausführen. Auch dies konnte in den ersten Tests beobachtet werden. Ebenfalls nicht auszuschließen ist, dass Lewandowski spielt und dennoch nicht an vorderster Front postiert wird.

Der Spieler im Fokus:

Erstmals in seiner dritten Saison beim FC Bayern ging Mario Götze verbal in die Offensive, um sich - wenn auch noch verdeckt - über seine Situation beim Rekordmeister zu beklagen. Man werde sehen, ob der Trainer mit ihm sprechen wird, sagte Götze. Man werde sehen, was die Zukunft bringt. Auch wenn er seine Aussagen hinterher relativierte: getätigt hat er sie.

Es wird das entscheidende Jahr für Götze, der mit seinem WM-Final-Tor 2014 zwar zu Deutschlands Fußball-Helden wurde, beim FC Bayern aber immer noch auf seinen Durchbruch zum absoluten Leistungsträger wartet. Dass der FCB Douglas Costa für fast 40 Millionen Euro geholt hat und parallel Anstrengungen um Angel di Maria tätigte, durfte Götze als Zeichen verstehen. Dass er in der entscheidenden Phase 2014/2015, in der Franck Ribery und Arjen Robben fehlten, vornehmlich von der Bank kam, auch.

Götze - so weit darf man sich inzwischen aus dem Fenster lehnen - wird den FC Bayern verlassen, wenn er auch in dieser Saison sein Glück nicht findet. Vielleicht sogar schon in der Winterpause. Interessenten dürften es aus der zahlungskräftigen Premier League zur Genüge geben. Dass die Konkurrenz in dieser Saison nicht kleiner ist, ist klar. Dass Götze aber erstmals öffentlich sein Leid kundtat, könnte auch ein Schritt in die richtige Richtung sein.

Mario Götzes Saisonstatistiken 2014/2015

Die Prognose:

Die Meisterschaft führt wieder nur über den FC Bayern, wenn auch die Konkurrenz nicht schwächer geworden ist. Der VfL Wolfsburg wird dem Rekordmeister noch weiter auf die Pelle rücken, den Kampf um die vierte Meisterschaft in Folge nicht zum Selbstläufer machen. Auch Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach sieht Pep Guardiola als ernstzunehmende Konkurrenten.

Aber: Der FC Bayern hat mit Arturo Vidal und Douglas Costa neue Impulse gesetzt, Pep Guardiola hat die Tonalität verschärft und sollte es sein letztes Jahr als Bayern-Trainer sein, wird er es mit der bestmöglichen Ausbeute beenden wollen.

Damit die Bayern aber von einer überragenden Saison sprechen können, müsste man wieder mal in das Champions-League-Finale einziehen. Wenn die Münchener erneut kein brutales Verletzungspech haben, ist es ihnen zuzutrauen.

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