Zwischen Himmel und Hölle

Von Daniel Reimann
Der Hamburger SV muss nach dem 2:0 gegen Schalke in die Relegation
© Getty

Mit einem bemerkenswerten Saisonendspurt rettet sich der Hamburger SV in die Relegation - auch dank desaströs agierender Schalker. Bruno Labbadia beschwört neuen Optimismus. Dabei gibt es gar nicht allzu viel Grund zur Hoffnung.

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Es muss eine Qual für Pierre-Michel Lasogga gewesen sein. Für den Mann, der vergangene Saison den Hamburger SV mit seinem Tor beim 1:1 in Fürth noch vor dem Abstieg bewahrt hatte. In der 27. Minute wurde er ausgewechselt, nachdem er in einem Zweikampf auf die zuletzt ohnehin lädierte Schulter fiel.

Fortan beobachtete er das Spielgeschehen von der Tribüne aus, an der Seite seiner Mutter. Doch in der Schlussphase hielt ihn nichts mehr auf den Rängen. Er machte sich auf Richtung Spielfeldrand, fieberte mit seinen Mitspielern an der Seitenlinie mit - bis der Schlusspfiff sie alle erlöste.

Der HSV rettet sich wie schon letztes Jahr auf den Relegationsplatz. Die Erleichterung ist gewaltig, galt eine Rettung doch noch vor einem Monat als quasi aussichtslos. "Wir waren doch vor sechs Wochen so gut wie abgestiegen, niemand hat mehr einen Cent auf uns gesetzt", sagte ein sichtlich erlöster Bruno Labbadia nach dem Spiel.

Ergebnisfußball unter chaotischen Umständen

Er war es, der den HSV unter widrigsten Umständen doch noch vom Klassenerhalt träumen ließ. Mit zehn Punkten aus den letzten fünf Saisonspielen brachte er die Wende und gesteht im Nachhinein: "Das Arbeiten unter größtem Druck in den vergangenen Wochen war nicht einfach." Man kann es sich lebhaft vorstellen.

Unter dem vierten Coach der Saison gelang es dem HSV endlich, die dringend benötigten Ergebnisse einzufahren. "Diese Chance haben wir uns erarbeitet, indem wir die Punkte gegen Augsburg, Mainz, Freiburg und Schalke geholt haben", so Labbadia.

Aus dem späten Aufbäumen will er nun für die anstehenden Relegationsspiele zusätzlichen Mut schöpfen: "Der HSV ist in entscheidenden Momenten in der Lage, eine unheimliche Kraft zu entwickeln. Jetzt stehen wir wieder vor entscheidenden Momenten."

Spielerische Armut

Allerdings bleiben darüber hinaus nicht viele Faktoren, die dem HSV Hoffnung machen. Spielerisch waren die letzten Wochen das gleiche Armutszeugnis wie schon im vorherigen Saisonverlauf. Die Partie gegen Schalke diente als hässliche Pointe für diese Feststellung.

Beide Tore fielen wie schon die drei Bundesliga-Treffer zuvor nach Standardsituationen. Aus dem Spiel heraus erarbeitete sich der HSV exakt eine echte Torchance - welche Artjoms Rudnevs in der 29. Minute kläglich vergab.

Darüber hinaus war der Sieg auch nur dank eines indiskutablen Auftritts von Königsblau möglich. Die Schalker trieben den Di-Matteo-Fußball der letzten Wochen auf die Spitze: Der Fokus auf die Defensive, die trotzdem eklatante Lücken aufwies, paarte sich mit offensiver Plan- und Harmlosigkeit. Einzig Jefferson Farfan streute ein paar kreative Elemente ein, Max Meyer hatte einen genialen Moment, als er Klaas-Jan Huntelaar per Rückzieher bediente (41.). Darüber hinaus gab es bei Königsblau kaum Lichtblicke.

S04: "Mist, Katastrophe, Tiefpunkt"

Dementsprechend verheerend fielen die Reaktionen aus. Torwart Ralf Fährmann wollte sich "nur entschuldigen. Das war riesengroßer Mist." Er forderte, sein Team müsse "einfach mal wieder wie Männer auf dem Platz auftreten."

Sein Teamkollege Huntelaar bezeichnete das Resultat als "Katastrophe" und Trainer Di Matteo resümierte gnadenlos: "Wir beenden die Saison auf dem Tiefpunkt." Gemeint ist das Abfallen auf Tabellenplatz sechs, wodurch Schalke auch noch die Qualifikation zur Europa League auf sich nehmen muss.

Vor allem für Manager Horst Heldt, der in letzten Wochen zunehmend in die Kritik geriet, wird die Luft nun immer dünner. Er selbst sagte nach dem Spiel, es stünde "alles zur Diskussion. Wir können uns nicht aus der Verantwortung nehmen. Wir werden das analysieren, wir werden jede einzelne Position besprechen und dann wird es Entscheidungen geben." Ob damit auch seine eigene Position gemeint ist, ließ er nicht durchblicken.

Ein verdammt schmaler Grat

Immerhin haben seine Schalker dem HSV einen vorerst versöhnlichen Saisonabschluss beschert. Hamburg darf trotz einer spektakulär chaotischen Spielzeit noch vom Klassenerhalt träumen. Nach dem umjubelten Sieg gegen S04 schwebt der Bundesliga-Dino auf einem verdammt schmalen Grat zwischen Himmel und Hölle.

In zwei Spielen könnte entweder der Grundstein für eine echte Trendwende ab der kommenden Saison gelegt oder auch der endgültige Abstieg besiegelt werden. Mit dem Rückenwind der letzten Spiele versprüht Labbadia nun Optimismus: "Jetzt gehen wir dem festen Glauben an den Klassenverbleib in die Relegation."

Doch ausgerechnet der Einsatz des Retters Lasogga ist zumindest im Hinspiel gefährdet. "Es ist wieder die Schulter", so Labbadias Eil-Diagnose nach dem Spiel. Schon im letzten Jahr sei es "vorm Fernseher ziemlich nervenaufreibend" gewesen, die Relegationsspiele des HSV zu verfolgen. Wenn man auf die bisherige Saison zurückblickt, dürfte es dieses Mal nicht weniger nervenaufreibend werden.

Hamburg - Schalke: Daten zum Spiel

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