Selbst Ronaldo würde nicht helfen...

Dem HSV droht der erste Abstieg aus der Bundesliga
© Getty

Der neue Trainer haut die eigenen Spieler in die Pfanne, der Kapitän geht nach dem Abpfiff verbal auf die Mannschaft los und für Ivica Olic würde selbst Cristiano Ronaldo nicht mehr helfen. Der Hamburger SV zeigt gegen den VfL Wolfsburg eine derart desaströse Leistung, dass der erste Abstieg in der Vereinsgeschichte ziemlich starke Konturen annimmt.

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"Neue Besen kehren besser!" Das ist ein alter Satz aus dem Volksmund, der oftmals auch im Bundesligageschäft benutzt wird. Gerade dann, wenn ein alter, erfolgloser Trainer entlassen und ein neuer, möglichst bald erfolgreicher Coach installiert wurde. Wenn man jetzt bei der Besen-Metapher bleiben möchte, so erscheint es durchaus seltsam, wenn der neue Besen von Beginn an zu verstehen gibt, dass er den eingeschlagenen (Kehr-)Weg des Vorgängers weiter gehen möchte.

Peter Knäbel sagte dies bei seinem Amtsantritt vor knapp drei Wochen, nachdem er den Posten von Joe Zinnbauer übernommen hatte. Der Hamburger SV stand vor der Länderspielpause nicht gut da. Platz 16 nach der Niederlage gegen den direkten Abstiegskonkurrenten Hertha BSC. Die Verantwortlichen des HSV wollten ein Zeichen setzten und der Mannschaft die Alibis nehmen.

Medien: Schlägerei in der HSV-Kabine

So wurde Zinnbauer entlassen und Sportdirektor Knäbel übernahm das Traineramt. Ein Mann, der zuvor noch nie eine Mannschaft in der 1. oder 2. Bundesliga trainiert hatte, sollte den taumelnden Bundesliga-Dino aus Hamburg nun also retten. Selbst Ottmar Hitzfeld, der Knäbel aus seiner Zeit als Schweizer Nationaltrainer kennt, zeigte sich überrascht.

Pest oder Cholera?

Er wolle den Weg von Zinnbauer weiter gehen, sagte Knäbel bei seiner Vorstellung. Zynisch könnte man jetzt behaupten, dass er das sehr gewissenhaft macht. 0,5 Schüsse aufs Tor in zwei Spielen. Viel besser war es unter Zinnbauer auch nicht. Löblich ist alleine, dass sich Knäbel in der Zeit der ganzen Verantwortung stellt.

Dass er nur eine Art Platzhalter ist, sollte klar sein. Hartnäckig halten sich die Gerüchte um Thomas Tuchel. Der Ex-Mainzer soll die Hanseaten in der neuen Saison übernehmen. Bevorzugt natürlich in Liga eins. Doch danach sieht es derzeit nicht aus.

Mit der Niederlage gegen den VfL Wolfsburg rutscht der Hamburger Sportverein sechs Spieltage vor Schluss auf einen direkten Abstiegsplatz. Nicht die Tatsache an sich, sondern die Art und Weise, wie sich das Team in den letzten beiden Spielen präsentierte, lässt doch große Zweifel aufkommen, dass das Team in der Lage ist, die Klasse zu halten.

In der Defensive dilettantisch, im Angriff harmlos - der ganzen Truppe fehlt es gravierend an Selbstvertrauen. Fraglich, wie, wo und wann das getankt werden soll.

Eine Niederlage als Offenbarungseid

Natürlich ging man im Hamburg nicht davon aus, dass man unter dem neuen Coach in den ersten beiden Spielen gegen Leverkusen und Wolfsburg sechs Punkte holen würde. Wahrscheinlich waren die Punkte nicht zwingend eingeplant gewesen. Dennoch war der Auftritt vom Samstagabend ein Offenbarungseid.

Am kommenden Wochenende findet das Derby gegen Werder Bremen statt. Das hat zwar immer seine eigenen Gesetze. Doch es ist schwerlich vorstellbar, dass sich das Team ausgerechnet in diesem Spiel am Schopfe packt und aus dem Dreck zieht, in dem sie seit fast zwei Jahren steckt.

Anschließend folgen mit den Spielen gegen den FCA, in Mainz und zu Hause gegen den SC Freiburg drei entscheidende Spiele gegen direkte Konkurrenten oder Teams, für die es noch um Europa geht. Also alles andere als einfache Aufgaben.

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Die Reaktionen nach dem desaströsen Auftritt gegen die Wölfe zeigen, wie schlecht es vor allem um das Innenleben beim HSV bestellt ist. Ein Trainer sollte in solch einer Situation Spieler nicht verbal angehen, sondern sich zumindest gegenüber den Medien vor sie stellen. Knäbel aber haute Cleber nach dessen Aussetzer in der zehnten Minute in die Pfanne.

Knäbel: "Das Schlimmste, was es gibt"

Auf den Platzverweis von Djourou angesprochen, sprach Knäbel von einem Bärendienst, den der Schweizer dem Team erwiesen habe. "Allerdings ist der Bärendienst von Cleber in dem Moment, wo er das Tor ermöglicht, noch viel, viel schlimmer. Wir sind nicht in der Lage, dass wir uns anmaßen können, dass wir mit Wolfsburg von hinten Fußball spielen. Wenn man den Ball so dämlich und so überflüssig verliert, dann ist das das Schlimmste, was es gibt", so der Coach.

Krisendiplomatie sieht definitiv anders aus. Djourou fehlt in der kommenden Woche, Cleber fühlt sich nach der öffentlichen Demontage garantiert nicht wie der beste Spieler der Welt. Und allzu viele taugliche Innenverteidiger hat Knäbel auch nicht mehr zur Hand.

Kapitän Heiko Westermann ging mit der Mannschaft ähnlich hart ins Gericht: "Für mich unverständlich ist die zweite Hälfte gewesen. Völlig leblos, keiner hilft den anderen, keiner will den Ball haben. Das ist nicht erstligareif. So können wir kein Spiel gewinnen, so können wir gar kein Tor schießen. Wir haben darum gebettelt, dass irgendwann das zweite und das dritte Tor fällt."

Auch er rüffelte Cleber vor den TV-Kameras. Angesprochen auf die Szene vor dem 0:1 sagte er: "Es ist Wahnsinn. Es ist schlimm, so ein Tor zu kassieren, besonders in unserer Phase. Aber schlimmer finde ich die zweite Hälfte, so zu reagieren und sich so hängen zu lassen."

"Es tut mir sehr leid für die Fans"

Der HSV zerfällt nach dieser Niederlage öffentlich in alle Einzelteile. Da wirkte Lewis Holtbys Reaktion nach dem Schlusspfiff fast schon hilflos: "Die letzten Spiele, die wir haben, müssen wir alles rausholen. Das geht nur zusammen. Wir sind ja selbst enttäuscht, was wir spielen. Es tut mir sehr leid für die Fans, für alle Leute, die wir im Stich gelassen haben. Es geht weiter. Es geht weiter um Punkte, es geht weiter darum, dass wir rausklettern. Wir werden alles dafür geben, dass dieser geile Verein in der Liga bleibt."

Die Frage ist nur wie. Wie soll der Verein diese Krise bewältigen, wenn das Team am Boden ist und sich dabei öffentlich auseinander nimmt? Ohne Mut, Selbstvertrauen und einem klaren Plan taumelt der HSV in Richtung Liga zwei.

Bereits nach zwei Spielen ist der neue Besen Peter Knäbel verbraucht, im ZDF Sportstudio musste er sich die Fragen bereits gefallen lassen, ob am Montag nun schon Tuchel oder ein anderer Trainer übernehmen werde.

Spott von Olic-Bruder

Der HSV wollte versuchen, mit Knäbel und der gleichzeitigen Verpflichtung von Peter Hermann als Co-Trainer in den letzten acht Spielen die Klasse irgendwie zu halten. Das Projekt scheint nach sehr kurzer Zeit bereits gescheitert.

Selbst Gäste-Trainer Dieter Hecking sieht für den HSV schwarz: "In diesem Jahr habe ich ernste Bedenken, ob es der HSV schafft", sagte er nach dem Spiel.

Und apropos bester Spieler der Welt. Ivica Olic verriet nach dem Spiel: "Mein Bruder hat gesagt, es könnte Cristiano Ronaldo kommen und es würde nichts bringen." Treffender hätte man die Lage in Hamburg nicht beschrieben können.

Hamburg - Wolfsburg: Daten zum Spiel

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