BVB: Mantra ins Leere

Erstmals seit der Saison 1985/86 ist Dortmund zu einem solch späten Zeitpunkt Tabellenletzter
© Getty

Der freie Fall von Borussia Dortmund geht weiter, nach dem 13. Spieltag steht der BVB nun sogar an letzter Stelle der Bundesligatabelle. Die Auftritte seit der Länderspielpause lassen den Glauben an eine deutliche Besserung der Lage noch während der Hinrunde auf ein Minimum schrumpfen.

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Jürgen Klopp gehen die Worte nicht aus. Der Trainer von Borussia Dortmund hat öffentlich schon viel zum freien Fall seines Teams gesagt. Er hat analysiert, kritisiert, gehadert oder Verbesserungspotentiale benannt. Man müsse einfach "dranbleiben, weitermachen", das war häufig seine Schlussfolgerung.

So gleichen Klopps Sätze, die er quasi im Dreitages-Rhythmus von sich geben muss, einem Mantra. Ein Mantra, das derzeit allerdings immer mehr ins Leere zu laufen scheint.

Die Auftritte des BVB nach der letzten Länderspielpause geben nur wenig Anlass zur Hoffnung, dass die Borussia nach dem Sturz auf den letzten Platz der Bundesligatabelle noch innerhalb der Hinrunde den Turnaround schafft und das Ausmaß der Misere erträglicher darstellt.

Ungünstige Länderspielpause

Es war für den BVB ungünstig, dass nach dem verdienten, aber kurios zustande gekommenen Sieg gegen Borussia Mönchengladbach die Liga zwei Wochen lang aussetzte.

Dortmund ging gegen die Fohlen wie auch jetzt gegen die Eintracht als zwischenzeitlicher Tabellenletzter in die Partie, der Auftritt der Klopp-Elf war aber nach dem Hinspielsieg gegen den FC Arsenal in der Champions League der zweitbeste der aktuellen Saison.

Dieser 1:0-Heimerfolg gab Spielern wie Verein Zuversicht für die kommenden Aufgaben. Dann war aber erst einmal Pause. Es hatte den Anschein, die Mannschaft würde in diesem Moment allerdings mehr davon profitieren, wenn sie drei Tage später bereits die nächste Begegnung zu spielen gehabt hätte.

Klopp hofft, Situation "zu durchbrechen"

Seit diesem letzten Dreier sind nun drei weitere Spiele (Paderborn, Arsenal, Frankfurt) vergangen. Die Leistung, die Dortmund in diesen Partien auf den Platz brachte sowie das Zustandekommen der jeweiligen Spielverläufe, legen die Vermutung nahe, dass nur die baldige Winterpause das schafft, was Klopp von seiner Mannschaft fordert - "die Situation zu durchbrechen".

Dortmunds Belegschaft agiert momentan derart psychisch angeschlagen, nervös und verunsichert, dass es scheint, Druck und Last des dichten Terminkalenders müssten temporär ausgeschalten werden, um eine Besserung der Lage herbeiführen zu können.

Der psychische Stress, der sich chronisch gewachsen in den Köpfen der Spieler festgesetzt hat, scheint wohl nur dann aufzulösen zu sein, wenn bald mal drei Wochen lang überhaupt keine Fußballspiele stattfinden.

Anrennen gegen das Negative

Wille, Einstellung, Moral, Einsatz - all das kann man der Truppe nämlich gar nicht vorwerfen. Selbst beim enorm blassen 0:2 am Mittwoch in London war der BVB nie komplett raus aus dem Spiel. Er versuchte im Prinzip Angriff für Angriff, die Situation zu verändern.

Doch diese Art von Anrennen gegen das Negative verpufft derzeit bereits viel zu frühzeitig. Durch die Bank treffen die Spieler regelmäßig falsche Entscheidungen, passen zu ungenau, spielen zu wenig aufeinander abgestimmt, zu uninspiriert, selten kompakt - und sind so weit davon entfernt, das dringend benötigte Spielglück auch erzwingen zu können.

Die Mannschaft geht trotz dieser für sie weiterhin rätselhaften Entwicklung nicht unbedingt bereits zu Beginn ohne Selbstvertrauen in die Partien. Doch sobald sie merkt, nicht direkt Zugriff auf Spiel und Gegner zu finden, pendelt die Spielentwicklung immer häufiger in Richtung des Kontrahenten, der dann konsequent-effizient seine Chancen nutzt - und beim BVB das zarte Pflänzchen Selbstvertrauen sehr schnell wieder verdorren lässt.

Ungewohnte Szenen beim BVB

Dann häufen sich Szenen, die man von einer Dortmunder Mannschaft in den letzten Jahren in dieser Form fast nie gesehen hat. Zwei Beispiele aus der Partie in Frankfurt: Nach 17 Minuten schritt Erik Durm zum Einwurf, zwei Mitspieler boten sich auf dem linken Flügel tief in der Eintracht-Hälfte an.

Doch die Angebote, die Durm da gemacht wurden, waren so durchsichtig, dass Durm zögerte, den Ball wieder ins Spiel zu bringen. Er warf ihn letztlich doch zu Kevin Großkreutz, der die Kugel umzingelt von drei Gegenspielern vorhersehbar nach einer guten Sekunde wieder abgeben musste.

Oder, sechs Minuten später: Lukasz Piszczek wurde auf der rechten Flanke zur Grundlinie geschickt, passte dann aber mehr oder weniger auf Verdacht in seinen Rücken. Nur stand dort, wo sozusagen früher immer jemand stand, weil kompakt nachgerückt wurde, niemand. Zumindest nicht in direkter Ballnähe.

Kein Spieler in Nähe der Top-Form

Der BVB schleift die Summe seiner vielfältigen Probleme wie einen immer schwerer werdenden Rucksack durch die Saison, das wird auf dem Feld zunehmend offensichtlich. Kein Spieler im Kader befindet sich aktuell auch nur annähernd in Nähe seiner Top-Form.

Dies führt in Kombination mit dem weiterhin enormen Verletzungspech unter dem Strich dazu, dass sich für den Trainer kaum sinnvolle Personal-Alternativen aufdrängen, um Kickern wie Shinji Kagawa, Henrikh Mkhitaryan, Sven Bender oder Kevin Großkreutz - diese Liste ließe sich beliebig verlängern - eine längst benötigte Pause ermöglichen zu können.

Trotzdem gestalten sich die Partien meist so, dass Dortmunder Aufwand und Ertrag in einem surrealen Missverhältnis stehen. Das Gefühl, es wäre deutlich mehr drin gewesen, begleitet beinahe jedes nicht gewonnene Spiel. Das ist auch der Grund dafür, weshalb Klopp sein Mantra bemüht und an die Mannschaft appelliert, im Glauben an baldige Belohnung einfach weiterzumachen und durchzuziehen.

Klopp: "Das ist nicht zu erklären"

"Der Gegner muss wenig tun, um ein Tor machen zu dürfen. Wir machen viel für nichts. Das ist die Situation", fasst Klopp zusammen. "Wir kommen immer ordentlich rein. Wir vergeben dann aber richtig große Chancen. Die erste Möglichkeit des Gegners ist fast immer ein Tor. Das ist nicht zu erklären. Und schon nimmt das Ding wieder Fahrt auf."

Sich psychisch zu überwinden und der Herausforderung zu stellen, auf dem Platz immer wieder die fehlende Lockerheit erzwingen zu müssen, hemmt die Dortmunder Profis dramatisch und ist der wesentliche Grund für den Fall ins Bodenlose.

In den kommenden Wochen bis zum Ende der Hinrunde wird sich die längst brenzlige Situation kein bisschen entschärfen. "Wir wollten unsere Position mit einem Sieg in Frankfurt dramatisch zum Positiven verändern", hoffte Klopp daher vor der Partie am Sonntag. "Das ist uns nicht gelungen. Im Gegenteil."

Zorc ruft Abstiegskampf aus

Das Ausmaß dieses Gegenteils hat sich nach der schon achten Saisonniederlage weiter verschärft.

Nur eine Woche nachdem Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke auf der Mitgliederversammlung erstmals eindeutige Worte an die Mannschaft richtete und sich davon eine sofortige Besserung versprach, sieht Sportdirektor Michael Zorc seinen Verein im Abstiegskampf angekommen - laut Sven Bender habe die Stimmung mittlerweile den Tiefpunkt erreicht.

"Wir müssen alle daran arbeiten, dass die Mannschaft es schafft, weiter an sich zu glauben", benennt Klopp das Ziel für die Partien bis Weihnachten. Ganz ohne Mantra ging es daher auch in Frankfurt nicht: "Wir werden weitermachen."

Eintracht Frankfurt - Dortmund: Daten zum Spiel

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