Geordnetes Chaos 2.0

Von Adrian Franke
Die TSG hofft nach der Gegentorflut der letzten Saison auf eine stabilere Abwehr
© getty

Vor dem Start der 52. Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Die TSG 1899 Hoffenheim.

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Herbstmeisterschaft, Titelträume, Beinahe-Abstieg - Hoffenheim hat in seiner noch jungen Bundesligageschichte schon einiges erlebt. Unter Markus Gisdol hat sich die TSG im letzten Jahr aber endlich bemerkenswert stabilisiert: Der Abstieg war kein Thema, gleichzeitig bot der Klub begeisternden Fußball.

Auch jetzt halten sich die Verantwortlichen mit vollmundigen Ansagen zurück, die Konsolidierung in der Liga bleibt das nach außen hin formulierte Ziel. Gleichzeitig macht Hoffenheim aber alles, um sich im oberen Tabellendrittel festzusetzen - und hat auch dank der gehaltenen Offensiv-Stützen echte Chancen auf die Europa League.

Das ist neu

70 Gegentore hagelte es für die Hoffenheimer in der Vorsaison. Es brauchte daher keinen Raketenwissenschaftler, um die größte Baustelle der Kraichgauer für das Sommertransferfenster zu ermitteln. "Wir wissen, dass wir nicht jede Saison so viele Tore schießen. Jetzt suchen wir Spieler, die uns besser, stabiler machen", lautete das Fazit von Manager Alexander Rosen.

Und Rosen ließ seinen Worten anschließend Taten folgen: Torhüter Oliver Baumann, Innenverteidiger Ermin Bicakcic, Linksverteidiger Jin-Su Kim und der defensive Mittelfeldspieler Pirmin Schwegler wurden geholt, um der Defensive einen neuen Anstrich zu verleihen.

"Egal, ob auf der Sechs oder Acht - Pirmin ist flexibel einsetzbar, er bereichert unser Spiel eindeutig", freut sich Gisdol, der beim Defensivverhalten seiner Mannschaft gerne vom "geordneten Chaos" spricht, auf seinen neuen Stabilisator im Zentrum.

In den Testspielen ließen sich erste Erfolge Richtung Konstanz und defensiver Stabilität bereits feststellen: Die ersten sieben Testspiele gewann die TSG allesamt ohne Gegentor, nur bei der Generalprobe gegen den FC Genau gab es ein 1:1.

"Besonders freut mich, dass der Verein zu seinen Wurzeln zurückgefunden hat, aber trotzdem weiter gewachsen ist", lautete das jüngste Zwischenfazit von Andreas Beck, der erneut in seinem Kapitänsamt bestätigt wurde, in der "Bild": "Wir haben jetzt eine gesunde Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern. Glauben Sie mir: Es fühlt sich sehr gut an."

Die Offensive, mit 72 Treffern das Prunkstück der Hoffenheimer in der Vorsaison, wurde derweil ebenfalls weiter verstärkt. Der bei Schalke unzufriedene Adam Szalai kam für sechs Millionen Euro, außerdem holte die TSG Linksaußen Steven Zuber von ZSKA Moskau.

Der größte Erfolg für die Offensive ist allerdings die Tatsache, dass Hoffenheim die umworbenen Kevin Volland und Roberto Firmino halten konnte. "Ich denke weiter langsam, Schritt für Schritt. Deshalb bleibe ich in Hoffenheim", erklärte Firmino: "Unsere Spielweise passt für mich wie die Faust aufs Auge. Ich liebe diesen Stil, er macht mich noch stärker."

Die Taktik

Konkret dürfte die Hoffenheimer Spielweise wie schon in der vergangenen Saison auf einem 4-2-3-1-System aufbauen. Schwegler, Sebastian Rudy, Tobias Strobl, Sejad Salihovic und Eugen Polanski streiten sich um die beiden Plätze im zentralen Mittelfeld, wobei Rudy und Schwegler, die beide eine starke Vorbereitung absolvierten, die besten Chancen haben.

Offensiv sind Firmino und Volland in der Dreierreihe gesetzt, daneben spielte sich Tarik Elyounoussi in den Testspielen in den Vordergrund.

Das Sturmzentrum sollte Neuzugang Szalai gehören, der Ungar hat allerdings mit Anthony Modeste und dem zurzeit angeschlagenen Sven Schipplock (Oberschenkelprobleme) zwei Konkurrenten.

Zwar hat sich Gisdol verstärkt die Stabilisation der Defensive für die Sommerpause auf die Fahne geschrieben, der TSG-Coach stellte aber auch mehrfach klar, dass das nicht auf Kosten der explosiven Offensive geschehen soll.

Will heißen: Die TSG baut weiter auf schnelles Umschaltspiel und will offensives Spektakel bieten. "Die meisten Tore fallen, wenn der Gegner nicht organisiert ist", bringt es Gisdol auf den Punkt. Damit bleibt eine aggressive Balleroberung, gepaart mit Steilpässen in die Offensive, weiter ein legitimes Mittel im Kraichgau. "Wenn der Pass durchkommt, ergibt sich eine Torchance. Wenn er geklärt wird, ist neuer Raum gewonnen worden", so Gisdol.

Der Spieler im Fokus

Schwegler und Rudy als Stabilisatoren im Mittelfeld werden unter besonderer Beobachtung stehen. Aber der Spieler, über den das Hoffenheimer Spiel läuft, ist Roberto Firmino. Der 22-Jährige war in der Vorsaison in 37 Pflichtspielen an 38 TSG-Treffern direkt beteiligt (22 Tore, 16 Assists) und ist sowohl für das Kreieren von Chancen, als auch für das schnelle Umschaltspiel unabdingbar.

Nachdem sich Firmino klar zu Hoffenheim bekannt hat, wird es interessant sein zu sehen, ob er die starke Vorsaison wiederholen und sich so weiter in die Notizbücher der großen Klubs spielen kann. Auch die Frage, ob Szalai und Volland den nächsten Schritt machen können, dürfte untrennbar mit der Form des Brasilianers verbunden sein.

Roberto Firminos Statistiken der Saison 2013/14

Die Prognose

Hoffenheim ist Kader-Altlasten wie Eren Derdiyok und Edson Braafheid losgeworden und sollte so für mehr Ruhe in der Mannschaft gesorgt haben. Gleichzeitig wurde das Team personell flexibler, vor allem Schwegler und Szalai geben Gisdol neue Optionen.

Darüber hinaus ist die Mannschaft offensichtlich gewillt, die Defensivschwächen aus der Vorsaison gemeinsam abzustellen um so noch mehr Erfolg zu haben.

"Ich will noch viel mehr: mehr laufen, mehr gute Aktionen im Spiel, mehr Tore", bringt es Firmino auf den Punkt. Setzt sich der klar erkennbare positive Defensivtrend aus den Testspielen fort, hat Hoffenheim alle Chancen, im Kampf um die Europa-League-Plätze ernsthaft mitzumischen.

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