Favres beste Mannschaft

Ein breiter Kader für die Dreifachbelastung: Lucien Favre hat einen starken Kader zur Verfügung
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Vor dem Start der 52. Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Borussia Mönchengladbach

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Das Muster der Bundesliga ist recht bekannt. Es gibt den FC Bayern München, der fast schon selbstverständlich Top-Favorit auf den Titel ist, es gibt Borussia Dortmund, das die Verbindung zwischen Bayern und dem Rest der Liga herstellt und es gibt den Rest.

Aber auch der Rest kann noch einmal in Kategorien aufgeteilt werden: Es gibt die Vereine, die bei einer WM den Titel "Geheimfavorit" bekommen würden, weil sie zum einen demütig-ambitioniert auftreten, aber auch interessant und ansprechend aufgestellt sind.

Borussia Mönchengladbach gehört seit der Ankunft von Lucien Favre im Borussia-Park fast dauerhaft zu diesen Kandidaten.

Die Hinrunde 2013/2014 beendete die Borussia auf dem 3. Platz - noch vor Borussia Dortmund und "nur" elf Punkte hinter dem FC Bayern. Am Ende sprang Platz sechs heraus. Dass die Macher in Mönchengladbach den Sommer dazu nutzten, sich noch besser aufzustellen, erhöht extern die Erwartungshaltung an die Fohlen.

Intern dagegen bleibt man auf dem Teppich: "Wir haben jetzt auch keine andere Zielsetzung als in den letzten Jahren. Wir wollen uns stabil einstellig halten", sagt Vizepräsident Rainer Bonhof bei der "Rheinischen Post". Ob das genügt?

Das ist neu:

Einen guten Kader hatte Lucien Favre schon in den letzten Jahren zur Verfügung, doch Max Eberl, der sich zuletzt immer mehr zum heimlichen Transfer-König der Bundesliga entwickelt hat, nutzte die vergangenen Monate, die Qualität des Spielermaterials noch einmal deutlich zu steigern.

Yann Sommer, Andre Hahn, Thorgan Hazard, Fabian Johnson und Ibrahima Traore haben den Gladbacher Kader nicht nur in der Breite, sondern auch in der Spitze deutlich verstärkt. Von den Abgängen ist nur Marc-Andre ter Stegen ein eklatanter Verlust. Juan Arango war beliebt, längst aber nicht mehr zeitgemäß für den Favre-Fußball. Luuk de Jong, Peniel Mlapa, Lukas Rupp und Elias Kachunga spielten kaum eine bis keine Rolle.

Mit den Neuen hat Favre ausnahmslos auf jeder Position mindestens zwei gute Alternativen, der Konkurrenzkampf ist so groß wie nie. "Wir hatten lange Jahre Leute auf der Bank, die jung und hungrig waren, die aber noch nicht 50 bis 100 Bundesligaspiele auf dem Rücken hatten", stellt Leistungsträger Tony Jantschke fest.

Bleiben die meisten Spieler gesund, muss Lucien Favre künftig arrivierten Spielern nicht nur erklären, weshalb sie nicht in der Startelf stehen. Inzwischen muss er dem einen oder anderen sogar zu verstehen geben, weshalb er nicht im Kader steht. Es wäre nicht übertrieben zu behaupten, dass Favre über den besten Kader seiner Ära verfügt.

Allerdings will man in Gladbach dadurch nicht automatisch die Ziele korrigieren, den Abstand zu den Top-Teams der Liga sieht man im Borussia-Park noch zu groß. "Die Realität muss stets im Vordergrund stehen. Die Vereine haben Möglichkeiten, die wir nicht haben", sagt Max Eberl. Man ist aber näher dran - so nah wie nie zuvor.

Die Taktik:

An der Grundausrichtung soll sich nichts ändern. Lucien Favre will weiter im flexiblen 4-4-2 agieren - das System, das sich unter dem Schweizer bewährt hat. Allerdings hat die Borussia mit Ibrahima Traore, Fabian Johnson und auch Thorgan Hazard mehrere Spieler verpflichtet, die - ganz nach Favres Gusto - polyvalent einsetzbar sind und das Mönchengladbacher Spiel noch unberechenbarer machen.

Insbesondere Traore wird wesentlich mehr Tempo und Aggressivität einbringen als Vorgänger Juan Arango und hat zudem auch in der Rückwärtsbewegung deutlich mehr Stärken als der ehemalige Publikumsliebling. Das gilt auf der anderen Seite auch für Hahn, der sich aber erst einmal gegen Patrick Herrmann durchsetzen müsste.

Geschraubt hat Favre in der Vorbereitung auch am Einfluss seiner Doppelsechs, die offensiv noch mehr in Erscheinung treten soll, noch mehr den Abschluss suchen soll. Das war in der Vorsaison noch ein großes Manko.

Der Spieler im Fokus:

Dass Marc-Andre ter Stegen die Borussia Richtung FC Barcelona verlässt, war lange abzusehen und den Machern des VfL ohnehin schon länger bekannt. Die Suche nach dem Nachfolger für den Torhüter war daher keine Panikaktion, sondern ein Ergebnis langer Scouting-Arbeit. Die Verpflichtung Yann Sommers war ein gut durchdachter Vorgang der sportlichen Leitung.

Mit dem Schweizer Nationalspieler hat Favre weiter einen fußballerisch starken Schlussmann, der als letzter Mann das Spiel forcieren kann und vor allem - soll. Sommer ist beidfüßig, hat eine gute Übersicht und hat in der Vorbereitung schnell einen Einklang mit seinen Vorderleuten gefunden. Aber: Er patzte auch hier und da und steht daher noch etwas unter Beobachtung.

Sportlich sollte Sommer, der mit der Gladbacher Torwart-Legende Jörg Stiel einen wichtigen Fürsprecher hat, auf absehbarer Zeit ter Stegen ersetzen können. Ob er als Integrationsfigur und in der hierarchischen Aufstellung innerhalb der Mannschaft ebenso schnell die Rolle seines Vorgängers einnimmt, bleibt abzuwarten. In Mönchengladbach ist man jedenfalls guten Mutes.

Die Prognose:

Der Kader ist der stärkste seit Jahren, das Grundgerüst der Mannschaft ist eingespielt und die Euphorie ist zu spüren. Im Vergleich zu den letzten Versuchen ist die Mannschaft auch in der Quantität für die Dreifachbelastung gewappnet. Eigentlich spricht nichts gegen eine erfolgreiche Saison des VfL. Und dennoch müssen Gladbachs Neue erst einmal den Beweis liefern, dass sie wirklich auf Anhieb die Verstärkung darstellen, für die man sie hält. Kann Andre Hahn die Top-Saison 2013/2014 wiederholen? Kann Ibrahima Traore Juan Arango vergessen lassen? Können Branimir Hrgota und Thorgan Hazard Raffael und Max Kruse ernsthaft gefährden? Gelingt Favre eine schnelle Integration, ist die Europa League mehr als realistisch.

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