FC Bayern: Balance gesucht

Von Fatih Demireli
Josep Guardiolas zweites Pflichtspiel steigt am Montag im DFB-Pokal
© getty

Doch von dieser Welt: Das 2:4 im Supercup bei Borussia Dortmund offenbart die eine oder andere Baustelle beim FC Bayern München. Josep Guardiolas Truppe fehlt die Stabilität der Vorsaison. Ein Zustand, der Gründe hat. Das Dortmund-Spiel zeigte aber auch: Peps Ideen kommen an.

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Nein. Josep Guardiola ist lange noch nicht so weit, dass er nach schlechten Leistungen Ohrfeigen verteilen muss. Und so weit wird es - wenn der Trainer des FC Bayern München demnächst keine gravierende Persönlichkeitsmutation durchlebt - auch nie kommen.

Peps g'sunde Watsch'n, wie es in Guardiolas neuer Wahlheimat so schön heißt, auf die Wange von Thiago Alcantara am Samstagabend sah zugegeben etwas heftig aus, aber sie ging vielmehr als motivierende Maßnahme für einen seiner Zöglinge durch und nicht als drastische Bestrafung.

Guardiola ist ohnehin weit weg davon, über Bestrafungen und andere Sanktionen nachdenken zu müssen, auch wenn das 2:4 bei Borussia Dortmund anlässlich des Supercups die eine oder andere neue Sorgenfalte in München zum Vorschein gebracht hat.

"Jetzt wird geredet und geschrieben"

Die Bayern bleiben trotzdem sachlich. "Wir haben nicht zum richtigen Zeitpunkt die Tore gemacht und zum schlechtesten Zeitpunkt die Tore bekommen", sagte Philipp Lahm nach der Niederlage im ersten Pflichtspiel des Jahres mit versteinerter Miene.

Gleichgültig war ihnen vorab weder das Spiel, noch hinterher die Niederlage. Dafür war es eine viel zu wichtige Standortbestimmung gegen den Champions-League-Finalisten und dafür erfuhr der Supercup heuer zu große internationale Aufmerksamkeit, dass man sie nicht so einfach abschenken könnte. "Jetzt wird geredet und geschrieben", weiß Arjen Robben.

Intern wird aber vor allem erst einmal analysiert. "Wir wissen, dass wir noch an einigen Stellen arbeiten müssen" sagt Guardiola und gelobt: "Wir werden uns bis zum Start der Bundesliga verbessern." Ansätze der Besserung gibt es genug, auch wenn der Bayern-Trainer die Situation mitnichten dramatisieren will: "Wir haben 2:4 verloren, aber ich habe nicht das Gefühl, dass Dortmund viel besser war als wir. Insgesamt bin ich zufrieden mit unserer Leistung."

Offensivrochade funktioniert

Dies bezog sich insbesondere auf die Offensivleistung seiner Mannschaft, die in der vierten Woche der Konzeptumstellung schon erstaunlich weit ist, Guardiolas Ideen umzusetzen. Zwei Jahre lang spielte der FC Bayern Jupp-Heynckes-Fußball par excellence - die Mannschaft wusste gerade im zweiten Jahr, was gefordert war und viel wichtiger: Wer welche Aufgaben übernehmen muss.

Guardiola fordert eine neue Gangart, eine schnellere, direktere und variationsreichere Spielkultur. Die Positionen auf dem Papier sind spätestens fünf Minuten nach Anpfiff hinfällig, da die Mannschaft ständig rochieren muss. Mario Mandzukic war in Dortmund Linksaußen, Rechtsaußen und dann auch mal Mittelstürmer. Robben und Xherdan Shaqiris Erlebnisberichte sahen hinterher genauso aus.

Dortmund, das selbst im Offensivspiel eine astreine Leistung hinlegte und der völlig verdiente Sieger des ersten Titels des Jahres war, hatte mitunter Probleme, die Bayern zu greifen und konnte nur durch extrem viel Laufarbeit ausgiebige Gefahrensituationen der Gäste verhindern.

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Kein defensiver Mittelfeldspieler

Dass die neuen Mechanismen - auch schon gegen Barcelona (2:0) und im Telekom-Cup gegen Hamburg (4:0) und Mönchengladbach (5:1) - über längere Phasen funktionieren, lässt Guardiola hoffen und genau darauf basiert auch seine Zufriedenheit, die er in Dortmund wiederholt äußerte.

Die Stellschreiben sind an anderer Stelle zu ziehen: So gut es in der Offensive klappt, so eklatant ist noch der Unterschied der Defensivqualität des Bayern-Spiels zur Vorsaison. Auffällig war, dass in Dortmund keiner der Mittelfeld-Nominierten gelernter Defensivexperte ist: Thiago Alcantara, Toni Kroos, Thomas Müller, Arjen Robben und Xherdan Shaqiri firmieren als anerkannte Offensivspieler.

Dortmund hatte mit einem stark ausgeführten Pressing, gepaart mit der angesprochenen Laufarbeit, die Bayern mehrmals vor harten Proben gestellt. Dass Daniel van Buyten und Jerome Boateng immer wieder Eins-zu-Eins-Situationen ausgesetzt waren, war dieser fehlenden Balance geschuldet.

Lahm-Experiment zu Ende

Eine Aufgabe, die Guardiola lösen muss, die aber nicht personenunabhängig ist.

Thiago ist, wenn das Dortmund-Spiel als Anhaltspunkt dienen darf, wohl keine 1a-Option für die Planstelle vor der Abwehr. Auch Philipp Lahm wird es nach kurzem Exkurs Richtung ungeliebtes Mittelfeld fortan seine angestammte Position in der Viererkette wieder bekleiden. "Ich denke auch, dass Philipp der beste Außenverteidiger der Welt ist", sagt Guardiola und probte den Mittelfeldspieler Lahm in Dortmund schon gar nicht mehr.

Daher muss Guardiola wohl noch warten, bis Bastian Schweinsteiger und Javi Martinez fit werden, um die Stabilität zu bewerkstelligen, die dem Bayern-Spiel noch fehlt.

Und selbst dann, wird es für den Triple-Sieger ein Prozess, der Zeit abverlangt. "In der Öffentlichkeit wird es so dargestellt, als seien wir komplett fertig und unschlagbar. Aber so ist es nicht, das wissen wir. Wir haben immer gesagt, dass noch viel Arbeit vor uns liegt", sagt Lahm.

Offensivmann Shaqiri teilte nach dem Dortmund-Spiel mit: "Wir sind noch nicht perfekt." Das Noch zeigt: Die Bayern haben noch etwas vor - auch wenn zwischendurch mal eine g'sunde Watsch'n in Dortmund wohl nicht auszuschließen ist.

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