"Wir reden hier gar nichts schön!"

Von Stefan Rommel
Führungsduo in der Krise: Bremens Trainer Robin Dutt (l.) an der Seite von Thomas Eichin
© Getty

Bremens Sportchef zeigt sich nach der Packung gegen den BVB gereizt, findet in der Mixed Zone gegenüber den Journalisten aber auch klare Worte. Thomas Eichin muss dennoch konstatieren: Werder läuft allmählich die Zeit davon.

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Frage: Herr Eichin, wie erklären Sie sich diese 1:5-Klatsche gegen Borussia Dortmund?

Thomas Eichin: Wir haben versucht mitzuspielen und hatten auch ein paar gute Aktionen. Aber es ist nun einmal so in der Bundesliga und speziell gegen so klasse Gegner wie den BVB: Es entscheiden die kleinen Fehler, die einen dann auf die Verliererstraße bringen. Wir machen unsere Chancen nicht, der BVB trifft sofort. Dann kommt eine Art Kettenreaktion in Gang. Das Selbstbewusstsein geht weg, wir bekommen das nächste Tor, kommen mit einer guten Moral aus der Kabine und kassieren sofort wieder so ein blödes Tor. Das ist das Problem, dass wir zu blöde Gegentore bekommen. Wenn wir das Momentum nicht greifen können, so wie uns das gegen Leverkusen gelungen ist, als wir lange das Zu-Null gehalten haben und dann irgendwann selbst erfolgreich waren, dann kommt gegen solche Mannschaften auch ein Klassenunterschied zur Geltung. Aber es hilft jetzt alles nichts. Wir müssen uns den Mund abwischen, alles ertragen, was auf uns einprasselt und im nächsten Spiel versuchen, wieder Punkte zu machen.

Frage: Unter der Woche stand die Mannschaft ziemlich in der Kritik, der Trainer und auch Sie hatten sich öffentlich entsprechend geäußert. Sprechen Sie Ihre Mannschaft in der kommenden Woche und angesichts des Gegners dieses Mal von der Kritik frei?

Eichin: Wir haben fünf Stück gekriegt - in der Woche geht es jetzt nicht darum, wie wir die Mannschaft kritisieren oder nicht. Wir kommen da nur raus, wenn wir alle zusammenhalten: Die Mannschaft, der Trainer und der Verein. Wir müssen die Situation annehmen und erkennen, dass wir gegen Mannschaften wie Dortmund alles in die Waagschale werfen müssen und keinen Fehler machen dürfen. Und wir werden versuchen, das am kommenden Samstag gegen Borussia Mönchengladbach besser zu machen.

Frage: Wie schwierig ist es, ein 1:5 zu analysieren, bei dem man zumindest einige kleine Verbesserungen im Vergleich zur Vorwoche erkennen konnte?

Eichin: Für mich ist das nicht schwierig. Ich schaue fast jedes Bundesligaspiel über 90 Minuten. Da siehst du, dass die Liga gnadenlos ist. Das sieht man bei Gladbach gegen Leverkusen auch: Ein kleiner Fehler in der Vorwärtsbewegung und das Ding ist drin. Und gegen Dortmund ist es noch schlimmer. Deshalb muss man in der Bundesliga 90 Minuten hellwach sein. Deshalb ist dieses Spiel für mich nicht schwer zu analysieren. Wir haben in gewissen Situationen Fehler gemacht und Dortmund als Spitzenmannschaft, mit der wir uns nicht messen müssen oder sollten, hat das perfekt ausgenutzt. Sie haben uns aufgezeigt, dass da ein Klassenunterschied herrscht.

Frage: Ist die Lage nicht sehr gefährlich, wenn man sich die Teams im Abstiegskampf anschaut? Freiburg und Nürnberg haben sich zum Beispiel gesteigert - bei Werder geht die Leistungskurve stetig bergab.

Eichin: Ich will nichts schönreden, es ist eine nicht ungefährliche Situation. Aber die haben andere Mannschaften momentan auch. Und ob jetzt Nürnberg oder andere Mannschaften einen Aufwärtstrend haben - so etwas kann sich schnell wieder drehen.

Frage: Wie besorgniserregend ist es, dass der BVB gegen Augsburg Punkte lässt, sich in Braunschweig zum 2:1 müht, in Bremen aber teilweise wie im Training spielen kann?

Eichin: Weil sie gegen Augsburg einfach nicht so gut gespielt haben. Hier haben sie schnell ein Tor gemacht und dann sehr gut gespielt.

Frage: Aber es fällt ja auf, dass es Werder Top-Mannschaften unglaublich leicht macht. Die Bayern haben nur hier so hoch gewonnen, für den BVB war es der höchste Auswärtssieg. Werder macht selbst im Vergleich zu den Teams, die auf Augenhöhe sein sollten, noch deutlich mehr Fehler. Wie ist das zu erklären?

Eichin: Das ist richtig. Mehr will ich dazu nicht sagen. Das ist ein Problem bei uns und diese Fehler dürfen wir wie gesagt nicht machen. Punkt.

Frage: Der Trainer ist unter anderem mit dem Ziel angetreten, die Defensive zu stabilisieren. Jetzt hat Werder schon wieder die zweitmeisten Gegentore kassiert. Kann der Trainer das nicht abstellen im Laufe der Saison?

Eichin: Er wird weiter dran arbeiten, das abzustellen.

Frage: Sie zweifeln nicht an ihm?

Eichin: Ich sage das jetzt direkt auch für Ihre ganzen Kollegen: Ich beantworte keine Frage zu Robin Dutt. Ich habe das seit Februar gemacht, damals noch zu Thomas Schaaf und werde jetzt nicht anfangen, schon wieder jeden Tag eine Frage zum Trainer zu beantworten. Er steht überhaupt nicht zur Diskussion und das war die letzte Frage, die ich zum Trainer beantworte. Da will ich mir nicht die Arbeit machen, da bin ich zu faul. Das sage ich ganz ehrlich.

Frage: Sind Sie trotzdem enttäuscht über die gesamte Entwicklung?

Eichin: Was heißt enttäuscht? Wir haben ganz gut angefangen, dazwischen aber gedacht, wir wären schon einen Schritt weiter. Wir haben dann die Mischung aus Defensive und Offensive verloren. Wir versuchen das wieder hinzukriegen. Aber das ist uns noch nicht gelungen. Das ist unser größtes Problem. Wenn wir komplett defensiv stehen, machen wir das ganz gut. Wenn wir dann nach vorne spielen, haben wir hinten wieder ein Problem. Wir müssen schleunigst diese Balance finden.

Frage: Genau das war die Problematik, die auch Thomas Schaaf hatte. Der ist mittlerweile nicht mehr da, die Mannschaft hingegen schon noch. Muss man da dann nicht auch die Qualitätsfrage stellen oder sogar feststellen, die Mannschaft sei nicht trainierbar?

Eichin: Die Mannschaft ist nicht untrainierbar. Wir kennen die Probleme und an denen müssen wir arbeiten. Wie lange das dauert, werden wir sehen. Eine Entwicklung ist immer in einem Zeitrahmen zu sehen, das kann dauern. Aber wir haben in der Bundesliga leider keine Zeit.

Frage: Kann diese Niederlage auch ein wenig trügerisch sein, wenn Sie glauben, Werder hätte verloren, weil der BVB so stark war?

Eichin: Wir reden hier gar nichts schön! Es war schlecht, wir haben's nicht gepackt, ein Klassenunterschied war zu sehen.

Frage: Sehen Sie Ihre Mannschaft neben vier, fünf anderen als potenziellen Abstiegskandidaten und glauben Sie, dass sie nach einigen erfolgreich gestalteten Partien in der Lage sein wird, auch wieder anderen Fußball zu spielen?

Eichin: Diese Frage muss man zum heutigen Zeitpunkt wirklich nicht stellen und die muss ich auch nicht beantworten.

Frage: Warum nicht?

Eichin: Weil wir klar unten drin hängen und zusehen müssen, dass wir das nächste Spiel gewinnen. Und nicht, ob wir irgendwie durch eine Fügung oder wenn wir wieder Selbstbewusstsein haben, in andere Bereiche vorstoßen können.

Frage: Wenn Sie sagen würden, die Mannschaft ist ein klarer Abstiegskandidat, dann würde das heißen, sie hat nicht die Qualität.

Eichin: Ich habe die Frage beantwortet, ob wir momentan im Abstiegskampf sind. Dann muss ich nicht beantworten, was irgendwann mal wäre, wenn wir zwei Spiele gewinnen. Wir sind jetzt unten drin und müssen schauen, wie wir das nächste Spiel gewinnen. Nichts anderes.

Frage: Und was trauen Sie Ihrer Mannschaft zu?

Eichin: Dass sie das nächste Spiel gewinnt.

Frage: Und langfristig?

Eichin: Es geht von Spiel zu Spiel.

Frage: Wurde die Qualität der Mannschaft zu Beginn der Saison überschätzt?

Eichin: Wer die überschätzt hat, weiß ich nicht. Wir haben gewusst, dass es eine harte Saison wird. Entsprechend sind wir es auch angegangen. Und so stehen wir momentan auch da.

Bremen - Dortmund: Daten zum Spiel