Krise als letzte Chance

Von Stefan Rommel
Kurz vor dem Abgrund? Der 1. FC Köln und Interimstrainer Frank Schaefer
© Getty

Nach dem 0:3 in Gladbach ist der 1. FC Köln für viele bereits abgestiegen. Die Mannschaft gibt derzeit auch keinen Grund für überbordenden Optimismus. Vielleicht liegt in der darbenden Erwartungshaltung jetzt aber die allerletzte Chance.

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Es gab schon wieder so viele erschütternde Szenen im Borussia Park: Wie Martin Lanig Gegenspieler Marco Reus hölzern umsäbelt und den Niedergang einleitet. Wie der zweikampferprobte Sascha Riether keinen Körperkontakt zu Tony Jantschke herstellt. Wie Reus beiden Innenverteidigern mit zwei Ballkontakten einen Beinschuss verpasst und das Solo mit einem Treffer abschließt.

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Gegen die Demütigungen des Gladbacher Anhangs waren viele FC-Fans längst immun. Andere von ihnen waren erst gar nicht die paar Kilometer mit nach Mönchengladbach gereist. 1200 Plätze blieben im Gästeblock leer. Aus böser Vorahnung oder einfach, weil sie in den letzten Wochen schon genug ertragen mussten.

Kein Schaefer-Effekt

Faktisch ging der FC als Außenseiter in die Partie, mit Platz 16 im Kreuz, der schlechtesten Abwehr und dem Wissen, dass die beiden direkten Konkurrenten Augsburg und Hamburg tags zuvor wichtige Siege gelandet hatten.

Aber die emotionale Schiene bot doch ein paar kleine Hoffnungsschimmer. Der Gegner war nach dem traumatischen Pokal-Aus gegen die Bayern aus der Spur geraten und seit einigen Wochen wenig leichtfüßig, zudem fehlten die nötigen Ergebnisse.

Und in Köln gab es mal wieder einen neuen Trainer und damit einen neuen Neuanfang. Ganz am Ende der Saison zwar, aber immerhin. Bei Teilen der Fans ist der Ur-Kölner Frank Schaefer immer noch wohl gelitten, auch wenn die Gründe seines Abgangs vor gut einem Jahr bis heute noch nicht restlos geklärt sind und der 49-Jährige eigentlich gar keine Lust mehr auf das Profigeschäft hatte. Nun saß er aber wieder auf der Bank.

Steriler Fußball

Nach dem Spiel und einem 0:3, das gut und gerne auch ein 1:6 hätte sein können, wollte Schaefer einige positive Ansätze erkannt haben, auch Christian Eichner und der gewöhnlich sehr kritische Michael Rensing schöpften Mut. Was zunächst einigermaßen erstaunt.

Denn das wirklich große Pfand, das jede Mannschaft der Welt selbst in aussichtlosen Phasen abrufen kann und das den FC und seine Fans ausmacht wie kaum einen anderen Klub in der Bundesliga, war wie vom Erdboden verschluckt.

Da waren keine Begeisterung, kein Temperament, keine Emotionalität, keine Kommunikation. Bis auf Riether und Rensing spielte im Borussia Park jeder für sich. Für Kapitän Pedro Geromel schien das Spiel nach dem 0:1 gelaufen, Lukas Podolski bewegte sich noch weniger als in den Wochen davor schon.

Dafür gab es sterilen Fußball aus der Konserve, bei dem einige Bruchstücke der erfolgreichen Solbakken-Hinrunde sogar noch funktionierten. Vielleicht waren das die positiven Ansätze, die Schaefer erkannt hat. Letztlich wird er nämlich darauf angewiesen sein, weil einer verunsicherten Mannschaft in nur vier Spielen eine neue Strategie kaum einzuimpfen ist. Umso wichtiger wären deshalb Leidenschaft und Aggressivität als Dreingabe.

Appell an die Fans

"Jetzt ist entscheidend, dass die Mannschaft weiter zusammenhält. Es wäre völlig fatal, jetzt alles negativ zu bewerten. Wir sind nach wie vor auch für die nächsten drei Spiele zuversichtlich. In so einer Situation ist es wirklich so, dass nur Geschlossenheit hilft", sagte Schaefer nach dem Spiel.

Und dann richtete er noch einen Appell an diejenigen, die sich in der Rückrunde eine Nichtleistung nach der anderen antun mussten. "Wir haben ganz tolle Fans, ich liebe diese Fans, aber klar ist auch: Sie müssen uns jetzt helfen. Wir können nur geschlossen hier im Verein, mit den Fans zusammen, aus dieser Situation noch kurzfristig herauskommen."

Das Restprogramm wird in der Endphase einer Saison gerne hergenommen, um ein bisschen zu kokettieren, andere schöpfen daraus Mut. Köln hat noch zwei Heimspiele, die Gegner Stuttgart und Bayern München sind dabei aber nicht irgendwer, dazwischen liegt der Trip zum SC Freiburg.

Platz 15 fast schon weg

Realistisch gesehen muss sich der FC darauf konzentrieren, den momentanen Relegationsplatz 16 zu verteidigen. Vier Punkte beträgt der Rückstand zu Platz 15 mit dem FC Augsburg, das miserable Torverhältnis packt de facto noch einen Zähler obendrauf.

"Wir haben mehr Rückstand nach vorne als Vorsprung nach unten. Von daher ist es so, dass der Relegationsplatz klar zu benennendes Ziel ist", sagte Schaefer und ließ ein kurzen Anflug von übersteigertem Optimismus folgen. "Es sind noch neun Punkte zu vergeben. Es ist auch möglich, nach vorne noch Mannschaften abzufangen - aber wir müssen uns mit dem Relegationsplatz beschäftigen."

Das Restprogramm des neuen direkten Konkurrenten Hertha BSC erscheint etwas einfacher, den Berlinern wird gemeinhin eher noch mindestens ein Sieg zugetraut als dem FC - was nach Lage der Dinge reicht, um Köln auf den direkten Abstiegsplatz zu schicken.

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Den Fans etwas zurückgeben

Die Ausgangsposition ist sehr schlecht. Aber vielleicht liegt genau darin die letzte Chance. Alle Maßnahmen der letzten Wochen haben nichts gebracht, mittlerweile rechnen selbst größte Optimisten unter den Fans nicht mehr mit dem Klassenerhalt.

Dafür lebt die Zuversicht beim Spieler Eichner. "Wenn man das natürlich rein von den letzten Wochen her beurteilt, dann wird man sich auch schwer tun, dass man mir glaubt, dass sich in 48 Stunden schon einiges bewegt hat. Sicherlich war die Zeit zu kurz und es ist auch keine Zeit, etwas schönzureden, aber ich habe diese zwei Tage erlebt."

Die Tage bis zum Stuttgart-Spiel und natürlich die Partie selbst dürften die wichtigsten der jüngeren Vereinsgeschichte werden. Es ist die letzte Chance - auch, um die enttäuschten Fanseelen wieder auf Kurs zu bringen.

Christian Eichner findet dafür die gelungenste Formulierung des Tages: "Die Fans gehen immer in Vorleistung. Es ist Zeit, dass wir etwas zurückzahlen!"

Gladbach - Köln: Daten zum Spiel

 

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