BVB: Wir sind Fußball

Von Stefan Rommel
Dortmunds Spieler feiern Lewandowskis 1:0 - Lahm (u.) und Kroos (o.) sind entsetzt
© Getty

Dortmunds Sieg über die Bayern ist nicht nur historisch und vorentscheidend im Kampf um die Meisterschaft. Er ist für die Münchener umso ernüchternder, weil er quasi mit Ansage erzielt wurde. Der BVB ist dem Rekordmeister auf nationalem Parkett derzeit einfach ein paar Schritte voraus.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Als alles vorbei war, nahm sich Jürgen Klopp ein paar Sekunden Zeit. Hinter ihm tobte die Schlacht um Stimmen und Stimmungen der Protagonisten, Dortmunds Trainer aber schaute hoch auf den Monitor und studierte die Tabelle.

Seine Mannschaft ist mit 69 Punkten schon wieder nah dran an der magischen 70-Punkte-Grenze und wird diese ziemlich sicher auch noch überschreiten. Die Bayern sind bereits sechs Zähler zurück, bei nur noch vier ausstehenden Spielen eine fast uneinholbare Lücke.

Großes Lob von Klopp

Klopp gefiel der Blick aufs Tableau sehr gut, ebenso wie ihm das gefallen hatte, was seine Mannschaft in 92 am Ende dramatischen Minuten zuvor gegen den Rekordmeister abgeliefert hatte.

"Man kann es nicht viel besser machen, als wir es gespielt haben. Hut ab vor meiner Mannschaft", resümierte Klopp. "Ich fand, das war von unserer Seite das beste der vier Spiele. Das war am Anschlag. Wie wir reagiert haben in so einer Drucksituation, das war schon außergewöhnlich."

Die vier Spiele, das sind die letzten Aufeinandertreffen zwischen Herausforderer und Establishment, jeweils mit dem besseren Ende für Borussia Dortmund. Lediglich Otto Rehhagel war es bisher gelungen, die Bayern viermal in Folge zu besiegen. Klopp hat diese Stufe jetzt auch erreicht und schon bald eine fünfte Chance: im Pokalfinale von Berlin.

Kollektiv gegen Individualität

Wieder einmal stellte seine Mannschaft das bessere Kollektiv. Wie der BVB den Bayern eine Stunde lang jegliches Tempo nahm, die Außenspieler Robben und Ribery einbremste, Müller im Zentrum kontrollierte und Gomez total aus dem Spiel nahm, war in der Tat bemerkenswert. Nur: Es war nicht neu.

Bis auf die unglückliche Niederlage der Vorsaison im Signal Iduna Park waren die Bayern dem BVB letztlich stets unterlegen. Die Münchener finden gegen Dortmunds Strategie einfach kein Gegenmittel, auch ihre individuelle Qualität kann sie dann nicht mehr retten. Wenn der BVB seine Erfolge über das Kollektiv einfährt und die Individualität dabei eine eher untergeordnete Rolle im Gesamtkonstrukt spielt, ist das bei den Bayern genau umgekehrt.

Niederlagen sind kein Zufall

Von den sieben Niederlagen in dieser Saison haben die Bayern sechs gegen Mannschaften kassiert, deren Trainer ihre Mannschaft auf die Münchener perfekt einzustellen vermochten.

Zweimal gegen den BVB, zweimal gegen Borussia Mönchengladbach, dazu die Niederlagen in Hannover und Mainz - alles Teams, deren Trainer das Münchener "Mia san mia" auseinandergenommen und ihren Mannschaften die richtige Strategie dagegen mit auf den Weg gegeben hatten. Lediglich die Pleite von Leverkusen tanzt da etwas aus der Reihe.

Begegnet den Münchenern aber eine Mannschaft, die ihre Stärken rigoros bekämpft und erwischen dann einige Ausnahmespieler einen durchschnittlichen Tag, fehlt es der Mannschaft an alternativen Plänen. Und das nicht erst seit ein paar Wochen.

"Der FC Bayern hat zahlreiche Spieler, die gefährliche Situationen erzeugen können", sagte Dortmunds Sebastian Kehl nach dem Spiel, "aber die Tatsache, dass wir bis auf die Schlussphase kaum etwas zugelassen haben, ist doch ein Beweis für unsere Sicherheit." Und dafür, dass den Bayern mit den richtigen Mitteln beizukommen ist.

Bayern nicht gut vorbereitet

Gegen den BVB gab es in den letzten zwei Jahren lediglich einen eigenen Treffer zu bejubeln, dabei ist die grundsätzliche Ausrichtung der Dortmunder in jedem Spiel dieselbe. Der Mittwochabend jedenfalls hielt keine großartig neuen Erkenntnisse parat: Die Bayern hatten wieder einmal deutlich mehr Ballbesitz (58 Prozent), aber kaum Torchancen.

Die Bayern würden "sich dieses Mal auch ein Stück nach dem Gegner richten. Das ist schön, das wir es soweit schon geschafft haben", sagte Klopp noch vor dem Spiel. Von einer gelungenen Münchener Vorbereitung auf den Gegner war aber mit Anpfiff nichts mehr zu sehen.

Die Gäste waren ziemlich durcheinander und mit dem sicherlich wenig überraschenden Sturmlauf des BVB in den ersten Minuten heillos überfordert. Bis zur Pause änderte sich dieses Bild auch nicht mehr.

Nach dem Wechsel baute Dortmund wie schon in den letzten Spielen ab, die Bayern wurden ein paar Nuancen besser, ohne aber wirklich gefährlich vor das Tor des Gegners zu kommen. Erst in der turbulenten Schlussphase hatten die Gäste ihre Chancen, da fehlte dann auch die nötige Kälte und sicherlich ein bisschen Glück.

Kleinigkeiten haben gefehlt

Dafür, dass die Bayern aber unbedingt gewinnen mussten, um die Geschicke in der Endphase der Saison selbst in der Hand zu halten, war die Leistung im bis dato wichtigsten Spiel des Jahres aber nicht ausreichend.

"Wir waren in der zweiten Halbzeit gut im Spiel. In der Offensive hat aber immer wieder der letzte entscheidende Pass gefehlt. Das sind dann so Kleinigkeiten, aber die entscheiden die Spiele", sagte Philipp Lahm.

Dazu befiel wichtige Spieler wie Jerome Boateng, Müller oder Gomez eine eigenartige Lethargie, die sie während ihrer gesamten Spielzeit nie richtig abschütteln konnten. Der BVB dagegen hatte in Lewandowski und dem einmal mehr überragenden Mats Hummels zwei Spieler in seinen Reihen, die an diesem Tag eine absolute Topleistung abrufen konnten.

Jürgen Klopp hat mit dem Slogan "Wir sind Fußball" aufgewartet. Gemeint ist damit das Dortmunder Gesamtpaket aus Spielkultur, Leidenschaft und Leistungsbereitschaft. Ein Paket, an das Bayern München auf nationaler Ebene derzeit nicht ganz heranreicht.

Dortmund - Bayern: Daten zum Spiel