Stuttgart unaufhaltsam Richtung Europa

SID
Ein Bild, dass mit in letzter Zeit öffter sieht: Die Stuttgarter Spieler feiern einen Treffer
© Getty

Oft war Gotoku Sakai noch nicht in Nürnberg zu Besuch bei seiner Oma. Um genau zu sein: erst einmal. Sagt Sakai. Als Fußballprofi beim VfB Stuttgart bleibt dem 21-Jährigen auch nicht viel Zeit, um die Mama seiner Mutter zu treffen. Seit der Winterpause zieht sich der Deutsch-Japaner das Trikot mit dem roten Brustring über und der Außenverteidiger Sakai steht für den Stuttgarter Aufschwung in der Rückrunde, die den VfB bis auf einen Europapokalplatz katapultiert hat.

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Ein weiterer Beweis war das 4:1 (1:1) am Samstagnachmittag gegen den FSV Mainz. Sakai war neben dem zweifachen Torschützen Vedad Ibisevic auffälligster VfB-Spieler. "Go hat enorme Fortschritte gemacht", sagt der Trainer Bruno Labbadia. Der Stuttgarter Fußballlehrer bezeichnet die Entwicklung Sakais als "außergewöhnlich".

Sakai straft Labbadia Lügen

Als der schmächtige Mann vom japanischen Erstligaklub Albirex Niigata im Winter nach Stuttgart gekommen war, hatte Labbadia gesagt, dass er noch einige Zeit der Eingewöhnung benötigen würde. Heute muss Labbadia über seine Einschätzung lächeln.

Sakai ist nicht mehr aus der Erfolgsmannschaft zu denken, die dem VfB zuletzt sieben Spiele ohne Niederlage beschert hat. Nur seine Position ist nicht ganz klar: Sakai ist Außenverteidiger und kann links wie rechts gleich gut verteidigen und flanken. Verblüffend ist dabei die Tatsache, die Labbadia am Samstag erzählt und selbst nicht glauben kann. "Ich muss da noch mal beim Dolmetscher nachfragen", sagt Labbadia kopfschüttelnd.

Denn inzwischen verteidigt Sakai auf der rechten Seite für den am Zeh verletzten Khalid Boulahrouz, doch zuvor hatte er das auf der linken Seite so selbstverständlich getan, als würde er morgens die Brötchen beim Bäcker holen.

"Dabei hat er", so erzählt Labbadia über den feinen Techniker, "bis zu seinem 17. Lebensjahr überhaupt nicht mit links geschossen." Ob das stimmt? Gotoku Sakai steht im Bauch der Mercedes-Benz-Arena und berichtet ein bisschen über sich selbst. Philipp Lahm sei sein Vorbild. Oder: Er könne Deutsch schon sehr gut verstehen. Und: Als Kind war er mal mit der seiner Mannschaft in Düsseldorf.

Viel wollen die Journalisten über den Mann wissen, von dem ihnen wenig bekannt ist. "Ja, ich habe früher nur mit rechts geschossen. Aber mittlerweile ist mein linker Fuß besser als meiner rechter."

"Leistung aus Dortmund nochmal getoppt

Dass er dennoch nichts verlernt hat mit rechts, machte er am Samstag deutlich, als er das 2:1 von Ibisevic mit einer präzisen Flanke wunderbar vorbereitete. Dass der VfB am Ende mit 4:1 (die weiteren Treffer erzielten Tamas Hajnal und Zdravko Kuzmanovic, für Mainz traf Andreas Ivanschitz) gewann, ließ sogar den sonst so nüchternen Labbadia schwärmen. "Das hat fußballerisch die Leistung in Dortmund noch mal getoppt."

4:4 endete dieses Spiel am vergangenen Spieltag und gilt als die beste und unterhaltsamste Partie dieser Saison. Auch gegen Mainz spielte der VfB direkt und schnell nach vorne. "Wir alle hätten vor ein paar Wochen nicht erwartet, dass wir jetzt in so einer Situation sind", sagt Labbadia selbst etwas erstaunt.

"Wir dürfen nicht anfangen zu spinnen"

Auf Platz fünf hat diese Entwicklung "der kontinuierlichen und intensiven Arbeit" (Labbadia) die Stuttgarter geführt. Rang sieben würde nach 34 Spieltagen reichen, um in der nächsten Saison an der Europa League teilnehmen zu dürfen. Spiele in Europa sind das Ziel der Stuttgarter.

"Wir wollen jetzt die nächsten beiden Spiele unbedingt gewinnen", sagt Ibisevic, der sieben Tore in zehn Spielen für den VfB erzielt hat. Am Dienstag steht zunächst die Partie beim Aufsteiger FC Augsburg auf dem Programm. Einen "unangenehmen Gegner" nennt Labbadia die Bayern, die gute Chancen haben, auch im nächsten Jahr in der Beletage des deutschen Fußballs zu spielen.

"Aber wir dürfen jetzt nicht anfangen zu spinnen", sagt der 46 Jahre alte Fußballlehrer. Er mag keine forschen Sprüche. Auch Gotuku hält sich daran. Irgendwann möchte er mal mit dem VfB gegen Barcelona spielen, sagt er. Doch bevor er es so weit ist, will er öfter seine Oma in Nürnberg besuchen.

Und wie es im Moment läuft für ihn, wird er dafür noch genügend Gelegenheiten bekommen. Bisher ist er nur ausgeliehen. Der VfB wird ihn aber ganz sicher länger unter Vertrag nehmen. "Go", sagt Labbadia, "wird uns noch viel Freude machen."

Stuttgart - Mainz: Daten zum Spiel

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