Köln: Turbulent wie immer

SID
Zwischen Köln und Hertha ging es hoch her. Hier legt sich Levan Kobiashwili (l.) mit Geromel an
© Getty

Guido Winkmann überließ nichts dem Zufall. Erst gab es zwei Teller Currywurst mit Kartoffelsalat zur Stärkung, dann folgte ein ausgedehntes DVD-Studium der strittigen Szenen und schließlich diktierte die "Reizfigur des Tages" den TV-Leuten die ausgewählten Antworten ins Notizbuch. Es dauerte mehr als 90 Minuten, ehe Winkmann aus der Schiedsrichterkabine hervorkam und sich der Öffentlichkeit stellte.

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Der Polizeibeamte aus Kerken hatte die ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als er beim 1:0 (1:0) des 1. FC Köln im hitzigen Abstiegsduell gegen Hertha BSC den Volkshelden Lukas Podolski als einen von drei Spielern des Feldes verwiesen hatte.

Staatstragende Worte hatte Winkmann trotz reiflicher Überlegung aber nicht mitzuteilen. "Das ist ein schwebendes Sportgerichtsverfahren, dem will ich nichts vorwegnehmen", sagte der 38-Jährige, der mit seinen Entscheidungen die Kölner Volksseele zum Kochen und den Lärmpegel in der Arena in den gesundheitsgefährdenden Bereich hatte steigen lassen. Winkmann war sich offenbar bewusst, dass seine "Kartenspiele" große Diskussionen nach sich führen würden.

Rudelbildung pa excelance

Schließlich drohte ein emotional geführtes Spiel eine Viertelstunde vor Schluss zu eskalieren. Nach einer aggressiv geführten Rudelbildung nahezu aller Spieler mit Schubsereien und diversen Handgreiflichkeiten sahen Podolski die Rote und der Berliner Lewan Kobiaschwili die Gelb-Rote Karte (75. Minute).

Gesehen habe er die Szene nicht, gab Winkmann zu, wohl aber sein Assistent. Der habe eine Hand- und eine Kopfbewegung Podolskis in Richtung Gegenspieler erkannt, erläuterte der Schiedsrichter, der pikanterweise aus der Umgebung des Kölner Erzrivalen Borussia Mönchengladbach kommt. Eine Ansetzung, die sechs Tage nach dem Angriff Kölner Hooligans auf einen Gladbacher Fanbus jedes Fingerspitzengefühl der Deutschen Fußball-Liga vermissen ließ.

TV-Bilder entlasten Podolski

Die TV-Bilder konnten die Wahrnehmung des Schiedsrichtergespanns freilich nicht stützen. "Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Da war nix. Ich soll Kobiaschwili am Hals gewürgt haben. Die Meinung hat er exklusiv", äußerte sich Podolski zur strittigen Szene.

Kurz zuvor war das "Kartenfestival", das Winkmann an diesem Samstagnachmittag veranstaltete, richtig hektisch geworden. Als erstes hatte der Unparteiische den Kölner Mato Jajalo wegen groben Foulspiels an Kobiaschwili des Feldes verwiesen (66.). Eine harte, aber vertretbare Entscheidung gegen den erst acht Minuten vorher eingewechselten Kroaten.

Die zu erwartenden Sperren brachten Trainer Stale Solbakken im Fall Podolski zur Verzweiflung. "Das war eine große Fehlentscheidung. Das war Wahnsinn", sagte der Norweger. Ein Ausfall von Podolski, der lange der beste Spieler auf dem Platz war, könne die Mannschaft kaum verkraften.

Podolski wurde von den Fans bei seinem Abgang vom Rasen frenetisch gefeiert. Den bevorstehenden Wechsel zum FC Arsenal haben die Kölner Fans ihrem "Prinz Poldi" offenbar nicht krumm genommen. Beschlossene Sache sei der Deal noch nicht, sagte der Nationalspieler: "Wenn es etwas zu verkünden gibt, bin ich der erste, der das tun wird."

Finke nach dem Spiel entlassen

Auch Volker Finke hatte vor dem Spiel klargestellt, dass die Würfel noch nicht gefallen seien. Wenige Stunden nach dem Erfolg gegen die Hertha vollzog der FC die überraschende Trennung von seinem Sportdirektor wegen "unterschiedlicher Auffassungen über die Weichenstellungen im Fußball-Bereich des Klubs".

Seit Wochen hatten ständige Differenzen zwischen Finke und Solbakken für Misstöne gesorgt.

Nach dem Abpfiff reagierte Solbakken emotional wie Jürgen Klopp. Mit einem langen Sprint rannte er zur Fankurve, ballte jubelnd die Fäuste.

Eine Stunde hatte seine Elf recht ansehnlich gespielt und durch Christian Clemens vor 48.000 Zuschauern das 1:0 erzielt (36.). Am Ende verteidigte das auf neun Mann geschrumpfte Team den im Abstiegskampf eminent wichtigen Sieg mit großer Leidenschaft gegen die Berliner, deren Sorgen sich eine Woche nach dem 1:0 gegen Bremen wieder vergrößerten.

Köln - Hertha: Daten zum Spiel

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