Mainz 05 rockt: "Reißt die Stadt auseinander!"

SID
Gute Laune im Doppelpack: Lewis Holtby (r.) und Andre Schürrle feiern nach dem Auswärtssieg
© Getty

Ganz Mainz singt und lacht, nur Thomas Tuchel nicht. Ausgerechnet der Erfolgstrainer war zu platt, um den Einzug in die Europa League gebührend zu feiern.

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Lewis Holtby riss sein Trikot über den Kopf, nahm fünfzig Meter Anlauf und rockte mit der Eckfahne als Gitarre ein letztes Mal die Mainzer Kurve. "Geht raus, feiert und reißt die ganze Stadt auseinander!", rief er den Fans nach dem Einzug in die Europa League zu, und alle tanzten vor Glück.

Alle - nur Thomas Tuchel nicht. Der Erfolgstrainer schaute trotz des 3:1 (0:0) bei Schalke 04 aus der Wäsche, als sei er gerade abgestiegen.

Erschlafft saß der Erfolgscoach in seinem Trainingsanzug im Presseraum, nicht der Anflug eines Lächelns quälte sich auf sein Gesicht - obwohl Tuchel Großes vollbracht hatte. "Schade, ich wäre gerne euphorisch", sagte er völlig monoton, "aber ich bin so alle. Ich freue mich wohl erst nach der Saison."

Die Aussagen spulte er erstaunlich emotionslos ab: "Die Konsequenzen habe ich jetzt noch nicht auf dem Schirm. Ich kann mich wahnsinnig freuen, aber nicht heute."

Holtby, der Brummkreisel

Holtby stand nur wenige Meter entfernt, raste wie ein Brummkreisel von Interview zu Interview und sprudelte beinahe über. "Ich könnte lachen, ich könnte weinen, ich könnte sonstwas tun. Die Emotionen kommen krass hoch, ich weiß gar nicht, wohin damit", sagte er. Der Grund war schnell gefunden: Mainz wird Europa rocken - aber ohne Lewis Holtby. Der nämlich muss zurück zu Schalke 04, er ist nur ausgeliehen.

Mit einem Tor und zwei Vorlagen führte der 20-Jährige seine Mannschaft dorthin, wo sein künftiger Verein hin will - ins internationale Geschäft. Er jubelte sehr dezent und verriet, was er beim DFB-Pokal-Finale der Schalker am 21. Mai gegen den MSV Duisburg machen wird: Die Daumen drücken, und zwar nicht zu knapp. "Da werde ich wohl nach Berlin fliegen und im Stadion sein", sagte er spontan.

Erfolgsgarant Tuchel

Zunächst aber zählt nur Mainz, und das singt und lacht. Erstmals in der Vereinsgeschichte gelang die Qualifikation für den Europacup auf sportlichem Wege, 2005 hatten noch Losglück und Fair-Play-Wertung nachhelfen müssen. Der Vater des Erfolgs ist Thomas Tuchel. "Unfassbar! Chapeau! Mehr kann man da gar nicht sagen, ein toller Trainer", sagte Präsident Harald Strutz.

Als Tuchel im August 2009 das Traineramt von Jörn Andersen übernahm, trauerten in Mainz noch alle Jürgen Klopp hinterher. Längst ist klar: Unter Tuchel läuft es noch besser. "Er lebt diesen Verein. Es ist ein unglaubliches Gefühl", sagte Strutz. Überhaupt war unglaublich das Wort des Tages, auch bei André Schürrle gehörte es zum Standardrepertoire.

Arm in Arm mit Holtby schlenderte der Nationalspieler nach dem Abpfiff in die Kabine - es war das Bild der beiden Mainzer, die die Früchte ihrer Arbeit nicht ernten können. Im Fall Schürrle ist das aber nicht so schlimm: Er wird in der kommenden Saison mit Bayer Leverkusen wohl in der Champions League spielen.

Schalke - Mainz: Daten zum Spiel

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