Ein Anfang mit Schrecken

Von Thomas Gaber
Felix Magath: züruck in Wolfsburg und gleich wieder in seinem Element
© Getty

Felix Magath holte bei seinem Comeback als Wolfsburg-Trainer einen Punkt in Stuttgart. Die Mannschaft war deutlich stabiler als zuletzt. Vom Coach gab es dennoch heftige Kritik.

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Auf Schalke hatte Felix Magath zuletzt einige Widersacher. Clemens Tönnies, Seppo Eichkorn und vor allem einen nicht unerheblichen Teil der Fans. Die königsblaue Anhängerschaft revolutionierte gegen Magaths Umtriebigkeit. In ihren Augen setzte der Trainer Tradition und Seele des Klubs aufs Spiel.

Auf Schalke sind sie Magath los, in Wolfsburg haben sie ihn wieder. Ihren geliebten Meistercoach. Es waren gewiss keine Wölfe-Fans, die eine halbe Stunde nach Abpfiff der Partie zwischen dem VfB Stuttgart und Wolfsburg lautstark "Magath raus" schrien.

Vereinzelte VfB-Symphatisanten, noch freudetrunken vom Last-Minute-Ausgleich durch Georg Niedermeier und offensichtlich ohne Verpflichtungen zuhause, machten sie einen Spaß daraus, Magath während einer Live-Schalte mit "Sky" anzupöbeln.

Anti-Magath-Aktionen scheinen in Mode gekommen sein, seitdem der 57-Jährige quasi über Nacht die königsblaue Bettwäsche gegen das große grüne W eintauschte. Ob Jupp Heynckes, Louis van Gaal oder Dieter Hecking - die Bundesliga-Trainer kritisierten den "Handel" mit ihrer Zunft.

Magath schert sich nicht um die Meinung anderer. Wolfsburg ist für ihn eine Herzensangelegenheit, deshalb hat er nach dem seltsamen Ende auf Schalke gleich wieder losgelegt. Magath braucht die tägliche Arbeit auf dem Trainingsplatz wie die Luft zum Atmen.

"Ich mache mir Sorgen"

Seine neue Mannschaft muss schon an die Reserven gehen, damit im Abstiegskampf nicht die Puste ausgeht. Sieben Spieltage vor Schluss belegt Wolfsburg einen Abstiegsplatz. Wer positiv denkt, bewertet das 1:1 in Stuttgart als Erfolg; schließlich ist der VfB nicht enteilt und der Rückstand zum Tabellen-16. St. Pauli konnte gar um einen Punkt verringert werden.

Wer pessimistisch denkt, sieht den Klassenerhalt mehr denn je in Gefahr. Magath tut letzteres und das vehement. "Der Zustand der Mannschaft ist schlecht", wetterte Magath bei "Sky". "Körperlich ist da nichts drin. Ich mache mir ernsthafte Sorgen."

Magath, der Pessimist. Oder Magath, der Realist? Wolfsburg war nah dran am ersten Sieg in Stuttgart seit April 2000. Wolfsburg war auch nah dran, zum ersten Mal seit elf Spielen wieder ein Bundesligaspiel ohne Gegentor zu absolvieren. Und Wolfsburg hatte eine deutlich verbesserte Defensivordnung als in den letzten Spielen.

Kritik an den Spielern

Magath hat erst ein Training geleitet, Taktik- und Einzelgespräche inklusive. Das genügte aber, um einer verunsicherten Mannschaft, die oft in ihr Verderben lief, eine gewisse Stabilität zu verleihen.

Immerhin attestierte Magath der Mannschaft, die er auf vier Positionen veränderte, eine gewisse technische Begabung. Allerdings hätten die Spieler den Ernst der Lage noch nicht begriffen.

"Sie glauben, dass sie besser sind als der Tabellenplatz. Aber sie haben noch nicht registriert, dass sie auf dem Abstiegsplatz stehen. Von daher muss es erst mal in das Bewusstsein der Spieler, dass sie diejenigen sind, die etwas dafür tun können und müssen, dass sie da unten rauskommen", sagte Magath.

Vor dem Spiel hatte Magath noch herzlich Kollege Bruno Labbadia gegrüßt und den zahlreichen Fotografen ein Lächeln gezeigt, hinterher blickte er versteinert ins Leere. Er hat sich sein Comeback in Wolfsburg offensichtlich einfacher vorgestellt.

Neuzugänge nicht im Kader

Seine Arbeitsweise wird er nicht ändern, allenfalls der "prekären Lage des Vereins" (Magath) anpassen.

"Ich habe 20 Monate beim FC Schalke erfolgreiche Arbeit geleistet. Wir sind Vizemeister geworden, die Mannschaft steht im Champions-League-Viertelfinale und wird voraussichtlich Pokalsieger. Zuvor bin ich mit Wolfsburg Meister geworden. Das ist alles nicht so schlecht", sagte Magath.

Fast zwei Jahre war er weg aus Wolfsburg. Das hinderte Magath nicht daran, gleich wieder mit eisernem Besen zu kehren.

Keiner der sechs Wintereinkäufe, die Ex-Manager Dieter Hoeneß holte, stand in Stuttgart in der Startelf. Für Dieumerci Mbokani und Tuncay war nicht mal Platz im Kader. Magath brachte sechs deutsche Meister von 2009, ohne den verletzten Stammtorhüter Diego Benaglio.

Grafites gewagte Prognose

Vorne durfte sich wieder Grafite austoben, der Torschützenkönig (28 Treffer) aus der Meistersaison. Acht Tore hat Grafite nach Magaths Rückkehr bis Saisonende versprochen, fehlen noch sieben.

Die Mannschaft hat sehnsüchtig auf einen Heilsbringer gewartet. Sie vertrauen Magath, dass er den ersten Abstieg der Vereinsgeschichte verhindern wird. Die Mannschaft verlässt sich auf den Trainer, der Trainer gibt den Druck an die Spieler zurück. Eine Pattsituation, die zu Irritationen führen könnte.

Es ist noch ein langer Weg bis zum Klassenerhalt. Magath würde notfalls mit in die zweite Liga gehen. In diesem Fall würde es wieder "Magath raus"-Rufe geben - wahrscheinlich auch von VfL-Anhängern.

Stuttgart - Wolfsburg: Daten zum Spiel