Wie im falschen Film

Von Florian Bogner
Bayern-Star Franck Ribery (am Boden) verletzte sich gegen den VfL Wolfsburg am linken Bein
© Imago

Das Spiel zwischen dem VfL Wolfsburg und dem FC Bayern München lieferte 90 Minuten Action mit schnödem Ausgang. Louis van Gaal machte die Remis-Könige vom VfL Wolfsburg für die Verletzung von Franck Ribery verantwortlich, konnte dem 1:1 im Gegensatz zu seinen Spielern aber auch Gutes abgewinnen - auch wenn der Traum von der Titelverteidigung damit endgültig zerplatzt sein dürfte.

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Update Nach einem Spiel voller Aufs und Abs blieb Louis van Gaal vor allem eine Szene aus der 17. Spielminute nachhaltig im Gedächtnis. Franck Ribery wurde da beim Klärungsversuch am eigenen Strafraum vom ungestümen Wolfsburger Josue von hinten am linken Bein getroffen, knickte weg und musste letztlich von zwei Helfern gestützt in die Kabine humpeln.

Eine Untersuchung am Sonntagvormittag brachte zwar leichte Entwarnung: Ribery zog sich eine Zerrung im Kapselbandapparat des linken Knies zu und wird zwei Wochen ausfallen. Dennoch war van Gaal nach dem Spiel nicht zu beruhigen gewesen und holte zum Rundumschlag aus.

Van Gaals Streit mit Hoeneß

"Wolfsburg hat an der Grenze gespielt", polterte der 59-Jährige und beschwerte sich darüber, dass viele seiner Spieler Blessuren davon getragen hätten: "Das war nicht wegen dem Rasen, auch wenn dieser Rasen ein Skandal war." Und im Übrigen habe Schiedsrichter Manuel Gräfe "viel zu viel erlaubt".

In punkto Rasen gab ihm VfL-Geschäftsführer Dieter Hoeneß sogar Recht, wies den Vorwurf einer zu harten Gangart seiner Spieler aber vehement zurück. "Da hat er wahrscheinlich ein anderes Spiel gesehen, das ist Unsinn", sagte Hoeneß.

Die Szene aus seiner Sicht: "Franck ist in der Situation zuerst ausgerutscht. Klar, Josue hat ihn unglücklich getroffen, aber ich habe auch ein paar rüde Fouls der Bayern gesehen, die eben auf so einem Geläuf einfach zustande kommen."

Super Spiel, doofes Ergebnis

Unterm Strich hatte das Duell der letzten beiden Meister neben Riberys Verletzung und dem Disput zwischen van Gaal und Hoeneß nicht weniger als das Saisondebüt zweier Hoffnungsträger, den ersten Bundesliga-Auftritt eines jungen Torwarts, zwei verschossene Elfmeter, fünf Aluminiumtreffer, zwei aberkannte Tore und ein Blackout eines 84-maligen Nationalspielers zu bieten.

Vor allem die erste Halbzeit darf man ruhig noch mal mit Popcorn genießen. Dass Statistik jedoch manchmal grausam ist, sagt das nackte Ergebnis aus: ein 1:1, das weder Wolfsburg noch Bayern weiterhilft, auch wenn sich der VfL nach Sascha Riethers spätem Ausgleich (86.) eher mit dem Punktgewinn anfreunden kann.

Der FC Bayern jedoch hatte nach einem gelungenen Wintertrainingslager insgeheim mit einer Aufholjagd in der Rückrunde geliebäugelt, wähnt sich aber auch 2011 weiter im falschen Film. "Es ist eigentlich unglaublich, denn ich denke, dass es schon das fünfte Spiel dieser Art war", rang van Gaal um Fassung und wollte damit sagen, dass sein Team wiederholt unnötig Punkte liegen gelassen hatte.

Auf dem Papier hat Bayern aus neun Auswärtsspielen nur zehn Punkte geholt und der abstiegsbedrohte VfB Stuttgart nun weniger Rückstand auf die Bayern, als der FCB auf Spitzenreiter Dortmund.

Van Gaal kritisiert Schweinsteiger

Auch wenn van Gaal vorrechnete, dass man immer noch 48 Punkte holen könne, brachte Thomas Müller die Münchner Gefühlslage perfekt auf den Punkt: "Wir reden immer von der Meisterschaft, sind aber 16 Punkte weg. Wir wollen Spiele gewinnen, aber so geht's natürlich nicht."

Mit "so" meinte Müller vor allem das fahrlässige Auslassen von Torchancen - unter anderem beim dritten verschossenen Elfmeter dieser Saison (diesmal Philipp Lahm) - und den Blackout von Bastian Schweinsteiger, der vor dem Ausgleich im eigenen Strafraum amateurhaft gegen Marcel Schäfer den Ball verlor.

"Wir müssen zur Halbzeit mit 3:0 führen. Auch in der zweiten Hälfte haben wir viele Chancen bekommen, standen oft alleine vor dem Tor. Am Ende haben wir durch einen unnötigen Fehler wieder den Sieg weggegeben", resümierte ein sparsam dreinblickender van Gaal.

Arjen Robben, der nach Riberys Verletzung nach 237 Tagen zu seinem Saison-Debüt kam, sprach nach dem Spiel zwar von einer Rest-Hoffnung auf den Titel, musste aber auch anerkennen, dass der BVB mittlerweile "einfach zu weit weg" ist. Robben: "Das muss man akzeptieren und respektieren."

Kraft: Scorer-Punkt, Elfer gehalten

Angesichts der Turbulenzen der Partie geriet die ordentliche Bayern-Premiere für Luiz Gustavo (spielte 21 Minuten) und vor allem das starke Bundesliga-Debüt von Thomas Kraft beinahe in den Hintergrund.

Der griff in den 90 Minuten zweimal entscheidend ein: Vor dem 1:0 schlug er den Ball einfach mal lang in die Wolfsburger Hälfte und heimste sich dank der Tollpatschigkeit der Wolfsburger Marcel Schäfer und Diego Benaglio bei Müllers Tor gleich einen Scorer-Punkt ein.

Kurz vor dem Pausenpfiff stand er dann richtig im Mittelpunkt, als er einen scharf, aber nicht perfekt platzierten Elfmeter von Grafite parierte.

Spektakulär machte die Szene, das Kraft den Ball dabei nach rechts springend mit der linken Faust noch ans Gebälk lenkte - eine Parade, die an einen der gehaltenen Elfer von Oli Kahn im Champions-League-Finale 2001 erinnerte. "Ich wusste, dass Grafite dort hin schießt, hatte aber auch Glück", sagte der Keeper.

Von einer tragenden Rolle in einem Finale der Königsklasse ist Kraft freilich noch weit entfernt. Van Gaal packt in einem solchen Fall gerne eine alte Schallplatte aus. "Es war sein erstes Spiel, das war okay. Wir müssen aber abwarten, wie er im zweiten, dritten und vierten spielt", sagte van Gaal wie schon bei den gelungenen Erstlingswerken von Müller, Diego Contento und David Alaba.

Wolfsburgs irre Remis-Serie

Sein erstes Bundesliga-Spiel im Wölfe-Trikot lieferte hingegen Arne Friedrich ab und war prompt bester Zweikämpfer auf dem Platz. Mario Gomez sah auf Bayern-Seite nach eben erst kuriertem Muskelfaseriss jedenfalls wenig Land gegen den Nationalverteidiger.

Das änderte jedoch auch nichts daran, dass man auf Wolfsburger Seite nicht so recht wusste, wie man mit dem erneuten Remis umgehen sollte. Sieben Mal in Folge hat man nun unentschieden gespielt, acht würden die Einstellung des Bundesliga-Rekords von Waldhof Mannheim (1984/85) bedeuten.

Dass man zum vierten Mal in dieser Saison nach einem Rückstand noch punktete konnte ein Abrutschen auf Platz 14 nicht verhindern. Trainer Steve McClaren erkannte im Spiel eins nach Edin Dzeko dennoch einen "kleinen Schritt nach vorne". Und Hoeneß ergänzte: "Man hat gesehen, dass die Spieler wollen und dass einer dem anderen hilft. Genau so muss es jetzt weitergehen."

Den Bayern würden weitere Spiele nach dieser Art sicherlich nicht schmecken, auch wenn man den Rückstand auf das "neue" Saisonziel Platz zwei ironischerweise sogar verkürzen konnte. Van Gaal dazu: "Wir sind einen Punkt herangekommen und ich denke, dass das nicht schlecht ist."

Analyse: 90 Minuten voller Dramatik

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