Riesen Wirbel um Philipp Lahm und Luca Toni

Von Thomas Gaber
Enttäuschte Bayern: Thomas Müller, Philipp Lahm und Mark van Bommel (von links)
© Imago

Der FC Bayern München taumelt schwer angeschlagen in die Länderspielpause. Die sportliche Leistung beim 1:1 gegen Schalke 04 spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle, weil zwei Spieler durch fragwürdige Aktionen sich selbst und dem Verein schweren Schaden zufügten.

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Philipp Lahm genießt hohes Ansehen beim FC Bayern. Durch seine konstant guten Leistungen in den letzten Jahren ist er über jeden sportlichen Zweifel erhaben. Als er zum FC Barcelona wechseln wollte, warfen die Vereinsbosse all ihr Verhandlungsgeschick in die Waagschale, um Lahm zum Bleiben zu überreden. Der Nationalspieler sollte eine zentrale Rolle spielen beim Aufbau einer neuen Mannschaft, die auch international auf Jahre hinaus mit den besten Teams mithalten kann.

Lahm verkörpert den Muster-Profi. Durch seine freundliche und höfliche Art dient er als perfektes Testimonial für die Werbeindustrie. Auch davon machte der FC Bayern Gebrauch. Wann immer ein Bier-Sponsor zum Foto-Shooting bat oder ein neues Champions-League-Trikot auf einer pompös inszenierten Pressekonferenz vorgestellt wurde, tauchte Lahm in der ersten Reihe auf.

Vertrauen zerstört

Mit seinen erst 25 Jahren hat Lahm dem FC Bayern schon viel gegeben und wurde dafür auch stets respektiert und mitunter bevorzugt behandelt. Durch die Veröffentlichung eines Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" hat Lahm ein Stück des gegenseitigen Vertrauens zerstört.

In der Sache mag Lahm nicht Unrecht haben, wenn er sagt, dass der Mannschaft an Qualität fehle, um in Europa mitzuhalten. Die Schuld an der aktuellen Misere den Mittelfeldspielern in die Schuhe zu schieben und seinen Arbeitgeber für eine Jahre lange verfehlte Transferpolitik zu kritisieren, ist aber schlechter Stil. Zumal Lahm in dieser Saison weit den eigenen Ansprüchen hinterherhinkt. Auch beim 1:1 gegen Schalke war er eher Mitläufer als Führungsspieler.

Und es dürfte teamintern ziemlich ungemütlich werden für ihn. "Er hat ganz klar gegen die Regeln verstoßen. Ich kann ihnen versichern, dass er dieses Interview noch bedauern wird", sagte Manager Uli Hoeneß, der sich besonders über den Zeitpunkt des Interviews ärgerte. "Es ist sehr unglücklich, das vor einem so wichtigen Spiel zu tun."

Hoeneß verglich Lahms Interview mit dem von Bruno Labbadia. Als der heutige HSV-Trainer noch bei Bayer Leverkusen in Amt und Würden war, holte er am Tag des DFB-Pokalfinals gegen Werder Bremen zum verbalen Rundumschlag gegen die Strukturen bei Bayer aus. Das gestörte Vertrauenverhältnis war nicht mehr zu kitten, Leverkusen trennte sich unmittelbar nach dem Endspiel von Labbadia.

Hoeneß leidet

Soweit wird es bei Lahm nicht kommen. Ein Rauswurf steht nicht zur Debatte. Die von Hoeneß angekündigten "Konsequenzen" dürften sich eher auf eine empfindlich hohe Geldstrafe beziehen. Auch eine Abberufung als Vize-Kapitän ist nicht auszuschließen, auch wenn der Verantwortliche in dieser Sache, Trainer Louis van Gaal, anmerkte, "dass das eher ein Fall für den Vorstand ist".

Auch Lahms Stellung innerhalb der Mannschaft könnte nachhaltig gefährdet sein. Mario Gomez sagte, dass jedes Wort über diesen Vorfall zu viel sei. Daniel van Buyten findet es "nicht gut, wenn jeder sein eigenes Ding durchzieht".

Am meisten aber leidet Uli Hoeneß. Der Manager pflegt seit Jahren ein enges Verhältnis zu Lahm. Aus der Enttäuschung heraus, stellte Hoeneß Lahms Fähigkeiten als Rechtsverteidiger in Frage.

"Er sagt, dass er rechts besser ist als links. Diese Meinung hat er ziemlich exklusiv. Ich habe noch nicht viele gute Spiele von ihm als Rechtsverteidiger gesehen", sagte Hoeneß, der auch Lahms Berater Roman Grill angriff. "Ich habe das Gefühl, dass dieses Interview von Herrn Grill gesteuert wurde. Ich glaube, er würde gerne einen Job beim FC Bayern haben, nachdem es mit dem HSV nicht geklappt hat. Man hätte den Namen Lahm auch durch Grill ersetzen können in dem Interview. Grill, Doppelpunkt, Anführungszeichen oben..."

Toni flüchtet nach Auswechslung

Von Lahm war nach dem Schalke-Spiel kein Statement zu erhaschen. Der Abtrünnige bekam vom Verein einen Maulkorb verpasst und verschwand durch die Hintertür. Weil sich aber auch Lahm irgendwie vom Arena-Gelände entfernen muss, bekamen ihn ganz wenige doch zu Gesicht. Nachdem sich die Journalisten-Traube aufgelöst hatte, huschte er über den Parkplatz in unmittelbarer Nähe der Interview-Zone und sprang auf den Beifahrersitz eines silbernen Autos, Marke Bayern-Sponsor.

Luca Toni gelang die Flucht aus dem Stadion knapp zwei Stunden vorher ein wenig "eleganter". Der Italiener wurde in der Halbzeit ausgewechselt und verließ schnurstracks die Arena, während seine Mannschaftskollegen vergeblich versuchten, drei Punkte gegen Schalke zu ergattern.

"Das ist nicht gut für die Mannschaft und auch nicht gut für Toni", sagte van Gaal in einer ersten Reaktion. In den letzten Wochen kokettierte Toni mehrfach zaghaft mit seiner Rückkehr nach Italien. Dennoch hielt er sich auffallend zurück und verzichtete auf Konfrontation mit van Gaal, obwohl er vom Coach eine Zeit lang nicht nominert wurde.

Toni jetzt zu unterstellen, er würde seinen Abgang provozieren, wäre weit hergeholt. Aber wer die Kollegen im Regen stehen lässt, weil er sich durch eine Auswechslung in seinem Stolz verletzt fühlt, scheint es mit der Identifikation mit dem Verein nicht allzu ernst zu meinen.

Magath spendet Trost

Statt sportliche Fragen zu beantworten, musste Mark van Bommel nach dem Spiel mehrere Baustellen zuschütten, die seine Kollegen aufgerissen hatten. Dementsprechend genervt reagierte der Kapitän: "Es ist nicht gut, was Toni gemacht hat. Wir gewinnen und verlieren zusammen. Aber was soll ich denn ihrer Meinung nach machen? Jemandem in die Fresse hauen?"

Das haben Lahm und Toni im übertragenden Sinne schon erledigt. Sie haben beim sportlich angeschlagenen Rekordmeister fur zusätzlichen hausgemachten Ärger gesorgt.

Der FC Bayern München geht schwer angeschlagen in die Länderspielpause. Hoffnung macht ausgerechnet Felix Magath. Der Schalke-Trainer, den die Bayern einst als Doppel-Double-Gewinner vom Hof jagten, glaubt nach wie vor an seinen Ex-Klub. "Die Bayern haben Probleme und sind trotzdem in der erweiterten Spitzengruppe der Liga. Was meinen Sie, wo die Bayern stehen, wenn sich auch noch guten Fußball spielen?", sagte Magath zu den Journalisten.

Ein schwacher Trost an einem dunklen November-Tag für den FC Bayern.

Bayern - Schalke: Daten zum Spiel