Vorsicht vor dem Selbstbetrug

Von Für SPOX in Stuttgart: Stefan Rommel
Das Highlight aus Bayern-Sicht: Daniel van Buyten zeigt eine neue Facette seiner Kopfballstärke
© Imago

Die Bayern und der VfB gefallen sich nach dem faden Remis in der Rolle des heimlichen Siegers. Dabei haben beide noch etliche offene Baustellen.

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Dass eine Saison ihr anfängliches Geplänkel hinter sich gelassen hat, merkt man sehr deutlich an dem, was Uli Hoeneß alles zu erzählen hat.

Der Bayern-Manager wies nach dem Spiel beim VfB Stuttgart zunächst noch eben einen Journalisten recht schroff zurecht, bevor er sich den wichtigen Dingen des Alltags widmen konnte. Dem faden 0:0 seiner Bayern beim VfB nämlich.

Und dann ging es - wen wundert's, wenn die Bayern ohne Torerfolg bleiben - um seine beiden Superstars im Krankenstand. "Der FC Bayern ohne Ribery und ohne Robben ist nicht hundertprozentig derselbe Verein. Deshalb finde ich, wir halten uns ohne die zwei ganz gut. Wenn sie dann mal wieder richtig dabei sind, werden wir in der Bundesliga relativ schnell weit oben stehen."

Mit ein wenig Fantasie klang das schon wieder ein wenig nach Kampfansage an die Konkurrenz. Ein intakter Hörsinn reichte, um diese dann Sekunden später klar formuliert wahrzunehmen. "Ich denke, dass wir vor Weihnachten auf Platz eins sind", bestimmte Hoeneß.

So diskutierten die mySPOX-User den Spieltag

Fast wie ein Absteigerduell

Offenbar gereicht Hoeneß die Aussicht auf Riberys und Robbens Rückkehr sowie die derzeit eher zweifelhaften Punktausbeuten der Mitstreiter um die Spitze zu dieser durchaus mutigen Aussage. Denn wer davor die 90 Minuten in der Mercedes-Benz Arena zu Stuttgart verfolgt hatte, wäre so schnell nicht auf die fixe Idee gekommen, dass dort ein kommender Herbstmeister gespielt hatte.

Stuttgart gegen München, das mutete bisweilen eher an wie ein Duell zweier potenzieller Abstiegskandidaten, die mehr Probleme mit sich selbst haben als mit ihrem Gegner. Bei den Gastgebern trifft dies tabellarisch sogar zu und trotzdem war der VfB den Bayern an Torchancen überlegen.

Genau genommen hatten die Münchener nämlich nur zwei. Eine köpfte Luca Toni übers Tor, die andere feuerte er ins Tor. Leider aus Abseitsstellung.

Der ungeliebte Konjunktiv

Also musste Hoeneß das bemühen, was er nur ungern bemüht: Den Konjunktiv. "Es wäre der Hammer gewesen, wenn wir in der 88. Minute das Tor gemacht hätten", schwelgte er. "Dann wäre der Kampf um die Tabellenspitze sehr viel früher interessant geworden, als ich es gedacht habe."

Im zweiten Satz liegt etwas versteckt die Wahrheit über die derzeitigen Bayern. Im Prinzip sagt Hoeneß damit nichts anderes, als dass er es seiner Mannschaft so schnell gar nicht so recht zutraut, ganz nach oben zu klettern. Trotz aller schöner Nachrichten von den restlichen Plätzen der Republik.

Der FC Bayern ist immer noch auf der Suche nach sich selbst. "Stuttgart hatte überhaupt kein Selbstvertrauen", hatte Hoeneß richtig ausgemacht. Aber seine Mannschaft erweckte nicht den Eindruck, genau in diese offene Wunde des Gegners aggressiv den Finger zu legen.

Schweinsteiger fehlbesetzt

Vielmehr begnügten sich die Bayern mit sehr viel Ball- und Spielkontrolle, anstatt dem sehr leicht zu verunsichernden VfB ordentlich zuzusetzen. Und waren damit hinterher zufrieden. "Angesichts der Qualität des VfB können wir mit dem einen Punkt gut leben", sagte Thomas Müller und Kollege Holger Badstuber sah es ähnlich.

Das 4-4-2 mit Mittelfeldraute und Bastian Schweinsteiger als zentraler Figur hinter den Spitzen funktioniert nicht, um den Gegner dahingehend unter Druck zu setzen, dass er Fehler macht und letztlich unter der erdrückenden Last zusammenbricht.

Das brachiale 4:0 im Pokal in Frankfurt war - begünstigt durch eine  ganze Reihe übler Eintracht-Fehler - ein Ausreißer nach oben. Als Standard sollte vielmehr das knappe 2:1 gegen denselben Gegner ein paar Tage zuvor dienen.

Warten auf Rib, Rob und 4-3-3

Die Bayern verzehren sich nach Franck Ribery und Arjen Robben. Zum einen, weil beide diese unglaubliche Individualität mit auf den Platz bringen, die ein Spiel auch ganz alleine entscheiden kann. In Stuttgart wollte sich von solcher Güte partout kein Bayern-Spieler finden lassen.

Vor allem aber, weil dann endlich wieder das 4-3-3 winkt. Jenes System, das Trainer Louis van Gaal als seine erste Option bezeichnet und das dem Gegner so viel Dominanz aufdrücken kann. Nur, wann genau Rib & Rob zurückkehren ist genau so unklar wie die Frage, ob dann auf Anhieb alles gleich wieder wie von selbst funktioniert.

In der Bundesliga bleiben schließlich nur noch sechs Spieltage, um die Dinge geradezurücken und Hoeneß' Prophezeiung zu erfüllen. Nicht viel Zeit, aber immerhin müssen mit Schalke 04 und Bayer Leverkusen zwei der schärfsten Konkurrenten in den nächsten beiden Partien den Gang in die Allianz Arena antreten.

Wie werden die Bayern Herbstmeister? Zum Tabellenrechner...

VfB nur ein Strohfeuer

Fast schon verdächtig, wie sich die Stimmungslage beim VfB Stuttgart der der Bayern ähnelte. Es war sogar ein bisschen Erleichterung zu spüren, dass man es doch noch kann. Phasenweise zumindest. Vor dem Spiel ging die Mannschaft nach dem Aufwärmen geschlossen in die Cannstatter Kurve und vollzog den Schulterschluss mit den sehr leidensfähigen Fans.

Die Anfangsphase versprach einiges, aber als der Überraschungseffekt vorbei war und sich der Rauch verzogen hatte, wurden viele der alten Probleme wieder sichtbar. Der Mannschaft fehlt es an Selbstvertrauen, Entschlossenheit und Präzision im Abschluss.

Zehn Tore hat der VfB erst erzielt. Warum, wurde gegen die Bayern wieder deutlich. Julian Schieber braucht noch zu lange für den schnellen Torabschluss, Pawel Pogrebnjak ist nach sechs Monaten Dauerbelastung platt, Cacau verletzt und Ciprian Marica ein immerwährendes Rätsel.

Immerhin: Babbel hebt den Zeigefinger

Immerhin kommt das Kurzpassspiel und mit ihm auch Alexander Hleb so langsam in Schwung. "Wir brauchen noch mehr Ballzirkulation. Die langen Bälle rauben uns nur zusätzliche Kraft in der Rückeroberung. Aber wir müssen Geduld haben, so etwas geht nicht von heute auf morgen", sagte der Weißrusse im Gespräch mit SPOX.

Auch Markus Babbel sah - bis auf das Ergebnis - viel Gutes bei seiner Mannschaft. Aber der Trainer hat aus den letzten Wochen auch gelernt und auch die nur neun Punkte auf der Habenseite im Hinterkopf. Also beschloss er sein Fazit mit einem erhobenen Zeigefinger. "Wir müssen jetzt höllisch aufpassen, dass wir das nicht alles schönreden."

Stuttgart - Bayern: Daten zum Spiel