Im Wartesaal des Glücks

Von Stefan Rommel
Ratlos in Stuttgart: Cheftrainer Babbel, Co-Trainer Widmayer und Sportvorstand Heldt (v.l.)

Der VfB Stuttgart legt den schlechtesten Saisonstart seit 35 Jahren hin, verliert in Hannover zum vierten Mal in Folge ein Pflichtspiel - und trotzdem bleibt Trainer Markus Babbel im Amt. Sportvorstand Horst Heldt gewährt seinem ersten Angestellten noch eine Bewährungschance. Wolhwissend, dass auch er bei einer Entlassung Babbels schnell in die Schusslinie geraten würde.

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Floskeln sind ein sehr beliebtes Stilmittel unter Fußballern und gerade in schlechten Zeiten ein inflationär verwendetes Gut.

Der VfB Stuttgart und sein Trainer Markus Babbel durchlaufen momentan eine besonders schlechte Zeit, genau genommen die schlechteste des VfB seit 35 Jahren. In solchen Phasen wirken gut gemeinte Erklärungen wie billige Durchhalteparolen. Und Babbel wie ein Märchenonkel.

"Jungs tun mir wahnsinnig leid"

Seine Statements gleichen denen von vor sechs Wochen, als der Klub vor dem Spiel in Frankfurt auch schon in der Klemme steckte. Nach dem klaren Sieg bei der Eintracht schien der VfB schon über den Berg, nach der Niederlage von Hannover hat Stuttgart die Talsohle vorläufig erreicht.

Also muss sich der Trainer schon wieder rechtfertigen. "Es war wieder eine sehr bittere Niederlage. Die Mannschaft hat Willen und Leidenschaft gezeigt, im entscheidenden Moment aber das Tor nicht gemacht. Meine Jungs tun mir wahnsinnig leid, weil sie heute wieder einen sehr großen Aufwand betrieben haben, um das Spiel zumindest unentschieden zu gestalten oder zu gewinnen."

Aber wieder einmal stand Babbels Mannschaft dafür die verhängnisvolle Melange aus Unvermögen und Pech im Weg. Und damit wächst der Druck auf alle Beteiligten weiter an.

Letzte Chance im Pokal

Denn an den nackten Ergebnissen gemessen müsste Babbel eigentlich schon beurlaubt sein. Aber die Art und Weise, wie sich die Mannschaft in den letzten Spielen präsentiert, lässt Vorstand Horst Heldt weiter an seinen Coach glauben. Vorerst zumindest.

Am Dienstag beim Pokalspiel in Fürth wird Babbel definitiv auf der Bank sitzen, diese schöne Gewissheit gab Heldt seinem ersten Angestellten wenigstens noch mit auf die Heimreise nach Stuttgart.

Heldt schiebt damit eine schwer zu treffende Entscheidung noch einmal hinaus. Wohl wissend, dass Babbel bei den Fans immer noch Kredit genießt. Denn bei einem Rauswurf würde Heldt selbst auch in Erklärungsnot geraten.

Stuttgart im Abstiegskampf

Also wartet der VfB noch ab. Eine heikle Sache ist es so oder so. Die Pokal-Partie beim Zweitligisten scheint schon zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison der einzig verbliebene Weg nach Europa zu sein. Zumal in der Liga schon längst nicht mehr die Spitze im Blick ist, sondern ein völlig neues Betätigungsfeld auf dem Programm steht: Der Abstiegskampf.

"Das sieht so aus. Das muss die Mannschaft auch so annehmen. Wir müssen von nichts anderem träumen, denn die Tabelle lügt nicht", gibt Heldt offen zu. Und den Kampf will er mit Babbel gemeinsam angehen.

Ratlosigkeit macht sich breit

Nun bleibt beiden nur noch diese eine Chance und das Warten auf die Rückkehr des Glücks. Denn das hält sich konstant von der Mannschaft fern. Babbel hat schon alles versucht, rotiert, getauscht, Systeme geändert und die Spielanlage. Nichts hat bisher gefruchtet. Seinen ehemals klaren Weg hat er längst verlassen. So langsam gehen ihm trotzdem die Optionen aus, es macht sich Ratlosigkeit breit.

Unterm Strich bleiben grausame Ergebnisse und eine Mannschaft, die ihren Killerinstinkt komplett verloren hat und die klare Hierarchie innerhalb des Kaders.

Babbel gesteht Fehler ein

Das ist auch Babbels Schuld, der mittlerweile schon so weit ist, die ersten gravierenden Fehlgriffe einzugestehen. "Der größte Fehler war, dass ich die Rotation öffentlich gemacht habe. Das würde ich nicht mehr tun, weil das ein großes Thema wurde", sagte er schon vor dem Spiel in Hannover.

Die Abkehr vom 4-4-2 mit Doppel-Sechs bleibt als sichtbare Spur zurück. Und die läppischen acht Punkte nach zehn Spielen. "Zum Schluss musste ich mir selbst eingestehen, dieses System war ein totes System. Die Spieler konnten es nicht mehr mit Leben füllen. Aber wir hatten die letzte Rückrunde damit großen Erfolg, deshalb habe ich lange daran festgehalten", so Babbel.

Ohnmacht eines Trainers

Babbel durchläuft einen schwierigen Lernprozess, er erfährt gerade die Schattenseiten des Geschäfts und die Ohnmacht, die einen Trainer bisweilen heimsucht. Und die ihm solche Sätze quasi am Fließband entlocken: "Auch wenn es sich bescheuert anhört: Wir müssen genau so weitermachen. Die Leistungskurve geht nach oben. Jetzt gilt es, sich mal zu belohnen und den Knoten platzen zu lassen. Ich bin der Letzte, der die Hoffnung aufgibt."

In Stuttgart ist eine wahrlich verrückte Situation entstanden, die sich für die Beteiligten wie ein übler Horrortrip anfühlt. Für Markus Babbel könnte die Reise am Dienstag beendet sein. Dann heißt es ganz lapidar: Siegen oder fliegen. Ein Aus im DFB-Pokal wäre auch Babbels sicheres Aus beim VfB Stuttgart.

Hannover - Stuttgart: Daten zum Spiel