Trainer neu, Probleme alt

Von Jochen Tittmar
Der Kader der Frankfurter Eintracht für die Bundesligasaison 2009/2010
© Getty

Wenige Tage vor dem Start der Bundesliga stellt SPOX alle 18 Klubs in der großen Vorschau-Serie vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Eintracht Frankfurt.

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Am Ende der vergangenen Saison ging gar nichts mehr. Fans und Ex-Coach Friedhelm Funkel haben sich derart voneinander entfernt, dass selbst dem hartgesottenen Funkel-Intimus und Vorstandschef Heribert Bruchhagen nichts anderes übrig blieb, als den Coach mit der längsten Amtszeit der Vereinsgeschichte vor die Tür zu setzen.

Ihn ersetzte Michael Skibbe, der mit der Bundesliga bislang noch nicht so richtig warm geworden ist und in Dortmund und Leverkusen frühzeitig gehen musste.

Er soll mit schnellem und attraktivem Offensivfußball dafür sorgen, dass der Eintracht wieder Leben in das mitunter schläfrige Gekicke der Vorsaison eingeimpft wird.

Doch die Vorbereitung lief alles andere als rund und zeigte auf, dass bei Skibbes Idee von der "neuen" Eintracht, die mutig und aggressiv die Gegner empfangen soll, noch einiges im Argen liegt.

Eine zusätzliche Baustelle wurde mit der Kapitänsentscheidung eröffnet: Vorgänger Ioannis Amanatidis wurde abgesetzt und durch Christoph Spycher ersetzt. Der Grieche ("Das ist eine Riesenenttäuschung") kündigte Konsequenzen an und reagierte postwendend mit dem Rücktritt von allen Ämtern und einem Ausraster im Training.

Das ist neu

Nicht viel. Der Kader wurde nur punktuell verstärkt, die Transfers von Maik Franz und Ralf Fährmann fädelte noch Funkel ein. Mit Pirmin Schwegler ist der von Skibbe geforderte Sechser verpflichtet worden, der durch den Abgang von Michael Fink und Junichi Inamoto dringend notwendig geworden war.

Selim Teber und auch Franz haben das Format, zu Führungspersönlichkeiten zu reifen. Fährmann, der mit einem Mittelhandbruch Pech hatte, wird sich langfristig als Nummer 1 etablieren. (Der Kader von Eintracht Frankfurt)

Alles in allem gab man nicht mehr als zwei Millionen Euro aus, auch weil der Lizenzspieleretat um 2,5 Millionen reduziert werden musste. Funkel erhält zudem weiterhin Gehalt.

Die Taktik

Die abwartende und vorsichtige Spielweise, die die Fans unter Funkel gequält hat, soll ansehnlichem, offensivem Powerfußball à la Skibbe weichen.

Dass die Umstellung auf aggressives Pressing und laufintensives Verschieben der Mannschaftsteile schwer fällt, hat die teilweise ernüchternde Vorbereitung deutlich gemacht.

Weil zudem die Verletzungsmisere aus der Vorsaison anhält, hatte Skibbe wenig Möglichkeit, ein festes System einzuüben.

Das 4-4-2 mit Raute wird zwar favorisiert, aber auch die flache Mittelfeldvariante ist eine Option. Aufgrund der Sturmmisere (Martin Fenin und Amanatidis mit Rückstand) ist zu Beginn eher das 4-1-4-1 mit Nikos Liberopoulos als einziger Spitze realistisch.

Neben Schwegler können Teber und Chris auf der Sechs spielen. Skibbe würde dann drei offensiv orientierte Mittelfeldspieler aufbieten: Sorgenkind Caio erhält auf der Zehn die nächste und wohl letzte Chance. Flankiert wird er von Alex Meier/Ümit Korkmaz und Teber/Markus Steinhöfer.

Die eingespielte Viererkette wird durch Franz ergänzt. Der verteidigt neben Marco Russ, zumindest bis sich Chris (Bandscheibe) wieder zurückmeldet.

Erste Alternative ist der Langzeitverletzte Aleksandar Vasoski, der sich wieder herangekämpft hat. Im Tor erhält Urgestein Oka Nikolov den Vorzug gegenüber Markus Pröll.

Der Spieler im Fokus

Caio. Obwohl der Brasilianer erneut durch den Laktattest fiel, weiterhin kein Deutsch spricht und häufig die nötige Professionalität vermissen lässt, hat er in Skibbe plötzlich einen Fürsprecher.

"Caio ist fußballerisch stark und sehr bemüht, auch in der Defensive mannschaftsdienlich zu sein. Mit seiner Entwicklung bin ich verdammt zufrieden", lobt Skibbe.

Der 22-Jährige soll mit seiner Technik und Übersicht den klassischen Spielgestalter mimen und dem Offensivspiel die Lethargie aus der Vorsaison nehmen.

Der Publikumsliebling scheint endlich zu begreifen, dass die kommende Spielzeit über seine Zukunft in der Main-Metropole und eventuell auch in Europa entscheiden wird.

So nahm er sich einen Fitnesscoach, stellte seine Ernährung auf "gesund" um und fiel in der Vorbereitung nicht ab. "Torschützenkönig und die deutsche Meisterschaft", nennt er als Ziele.

Ein erstes Anzeichen, dass er den Spaß wieder gefunden hat.

Das Interview

SPOX: Herr Skibbe, unter ihnen soll die abwartende Spielweise, wie sie unter Funkel praktiziert wurde, aggressivem Pressing weichen. Wie bringen Sie das den Spielern bei?

Skibbe: Um den Gegner möglichst früh im Mittelfeld zu attackieren, müssen wir läuferisch, konditionell und taktisch absolut auf der Höhe sein. Wir müssen den Gegner schon bei dessen Spielaufbau stören. Dies erfordert sehr viel Laufarbeit und geschicktes Verschieben. Da muss jeder genau wissen, was er zu tun hat und sich hundertprozentig an die taktischen Vorgaben halten. Das alles kann man innerhalb von viereinhalb Wochen Vorbereitung nicht einstudieren, aber wir sind auf einem guten Weg dahin.

SPOX: Der dann darin mündet, sich auch gegen favorisierte Teams nicht zu verstecken?

Skibbe: Natürlich können wir gegen Kaliber wie Bayern oder Bremen keinen Hurrafußball spielen und permanent Druck ausüben. Aber verstecken wollen wir uns auch in solchen Spielen nicht, sondern mutig unsere Chancen suchen.

Hier geht's zum ausführlichen Interview mit Michael Skibbe

Die Prognose

Die Umsetzung von Skibbes Vorstellungen wird ein problematischer Prozess, der das Team über einen langen Zeitraum begleiten wird.

Die Testspielpleiten gegen Osijek und Timisoara (jeweils 0:3) ließen bereits Schlimmes erahnen (Skibbe: "Die Mannschaft ist in ihre Einzelteile zerlegt worden") und verwandelten die Aufbruchstimmung nach der Trainerverpflichtung in Ernüchterung um.

Bei einem Pokal-Aus im Derby in Offenbach könnte die Stimmung bereits kippen, bevor die Bundesliga begonnen hat. "Die Erwartungshaltung bei Eintracht Frankfurt ist immer ein Stück weit unrealistisch", weiß Bruchhagen.

Und solange sich dies im Umfeld der Hessen nicht ändert, werden auch in der kommenden Saison tabellarisch keine großen Sprünge zu erwarten sein.