Bremen gewinnt das Spiel des Jahres

Von Stefan Rommel / Torsten Adams
Diego, Werder Bremen
© Getty

Werder Bremen hat den Siegeszug von 1899 Hoffenheim am 6. Spieltag der Bundesliga gestoppt und sich in der Spitzengruppe der Tabelle etabliert. Bremen besiegte den ebenbürtigen Aufsteiger vor 40.000 Zuschauern im ausverkauften Bremer Weserstadion in einem sagenhaften Spiel mit 5:4 und fügte Hoffenheim damit die zweite Auswärtsniederlage der Saison zu.

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Beide Mannschaften bestätigten ihre tollen Leistungen der Vorwoche und boten den 40.000 Zuschauern im Bremer Weserstadion ein unglaubliches Spiel.

Die Tore für den in der ersten Halbzeit teilweise wie entfesselt spielenden Gastgeber erzielten Mesut Özil (8. und 82.), Claudio Pizarro (16.), Diego (21.) und Hunt (30.). Für die lauf-, spiel- und kampffreudigen Gäste trafen Ba (15.), Salihovic (36.), Ibisevic (62./Foulelfmeter) und Compper (71.).

"Die Zuschauer haben heute ein absolut verrücktes Spiel gesehen. Großes Kompliment an Hoffenheim, sie haben grandios mitgehalten" sagte Werder-Coach Thomas Schaaf nach der Partie. Gleichzeitig fand er aber auch mahnende Worte an sein Team: "Nach einem 4:1 darf das Spiel hier eigentlich nicht mehr auf der Kippe stehen."

"Mein größter Respekt an die Mannschaft"

Bremens Mertesacker hatte in der 35. Minute noch Glück, als ihm Schiedsrichter Perl nach einer eindeutigen Notbremse gegen Ba nicht die fällige Rote Karte zeigte. In der 62. Minute musste der Nationalspieler nach einer erneuten Notbremse gegen Ibisevic dann doch vom Platz.

In der Pause bekamen beide Mannschaften offenbar ein paar Takte zum bis dahin kaum vorhandenen Defensivspiel zu hören. Beide agierten konzentrierter und weniger blauäugig. Trotzdem ergaben sich weiterhin teilweise hochkarätige Chancen auf beiden Seiten.

Hoffenheim-Keeper Ramazan Özcan sah trotz der Niederlage das Positive: "Meinen größten Respekt an die Mannschaft. Wer nach einem 4:1 so zurückkommt wie wir, der hat eigentlich mehr verdient."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Bei Werder fehlt Kapitän Frank Baumann aufgrund einer Virus-Infektion. Aaron Hunt ersetzt ihn. Torsten Frings rückt für Jurica Vranjes auf die Sechserposition. Dagegen kann Mertesacker nach seiner Grippe auflaufen. Rangnick muss kurzfristig auf Carlos Eduardo verzichten. Für ihn steht Chinedu Obasi in der Startelf.

8., 1:0, Özil: Eine Kopie seines Treffers gegen die Bayern. Diego macht das Spiel im Mittelfeld schnell. Özil spielt an der Strafraumgrenze einen doppelten Doppelpass mit Aaron Hunt und fackelt die Pille trocken ins kurze Eck.

15., 1:1, Ba: Klasse Steilpass von Obasi auf Ba, der das Laufduell mit Fritz gewinnt und den Ball mit seinem linken Fuss an Wiese vorbeilegt.

16., 2:1, Pizarro: Auf Rechts setzt sich Fritz durch und passt kurz auf Rosenberg. Der Schwede steckt den Ball direkt durch zu Pizarro, der die Kugel aus rund fünf Metern einfach so mit der Hacke an Özcan vorbeilegt.

21., 3:1, Diego: Ibertsberger kann eine Flanke nicht klären und bringt das Leder nicht aus dem Strafraum. Diego steht richtig und vollstreckt aus rund 16 Metern technisch perfekt.

30., 4:1, Hunt: Einen Distanzschuss kann 1899-Keeper Özcan nur wegfausten. Der Ball kommt zu Hunt, der aus 22 Metern mal einfach so abzieht. Der Bremer trifft den Ball mit rechts grandios und die Kugel schlägt im rechten Giebel ein. Übrigens: Hunt ist eigentlich Linksfuß.

36., 4:2, Salihovic: Erneut ein direkter Freistoß von Salihovic aus mittlerer Position. Und wieder hat Wiese nicht den Hauch einer Chance, reagiert erst gar nicht.

62., 4:3, Ibisevic: Elfmeter für Hoffenheim! Weis geht nach einem vermeintlichen Kontakt mit Diego zu Boden und bekommt den Strafstoß. Ibisevic läuft an... und trifft!

62., Rote Karte für Mertesacker: Ibisevic war durch und der Nationalverteidiger holt den Elferschützen von den Beinen. Völlig berechtigt, denn Mertesacker war letzter Mann.

71., 4:4, Compper: Ecke von Hoffenheim, Wiese irrt im Fünfer umher und Compper köpft den Ball über die Linie!

81., 5:4, Özil: Erneut starker Pass auf den Deutsch-Türken, der die Pille trocken mit links reinballert. Grobe Schnitzer aber vorher von Beck und Nilsson.

So lief das Spiel: Die Partie hielt genau das, was man sich von diesen beiden offensivstarken Teams erwartet hatte. Beide Mannschaften spielten mutig und frech nach vorne, bereits nach 45 Minuten gab es sechs Treffer zu bejubeln.

Werder zog sein gewohnt druckvolles Spiel vor allem durch die Mitte auf, weil die beiden Außenverteidiger Boenisch und Fritz kaum Offensivdrang versprühten.

Die extrem ballsicheren Gäste machten immer wieder über die Außenstürmer Obasi und Ba Druck auf die anfällige Bremer Abwehr. Allerdings offenbarte Hoffenheim in der Defensive große Abstimmungsschwierigkeiten, die Werder vor allem in den Anfangsminuten bitterböse bestrafte.

Nach gut 25 Minuten nahm Werder das Tempo etwas aus dem Spiel, blieb aber bei seinen Angriffen ebenso gefährlich wie Hoffenheim bei seinen Kontern. Die Gäste hatten sogar die Mehrzahl hochkarätiger Chancen, waren vor dem Tor aber nicht so abgezockt wie Werder.

Der Star des Spiels: Das Offensivspiel beider Mannschaften. Unglaublich, wie flink, zielstrebig und entschlossen beide Teams nach vorne kombinierten und bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Abschluss suchten. So komisch es angesichts des Ergebnisses klingen mag, aber Hoffenheim zeigte dabei sogar noch mehr Esprit und Variationen als Bremen. Ein Lob - auch wenn er es angesichts von fünf Gegentoren nicht hören mag - gebührt dabei Ralf Rangnick, der gegen eine der spielstärksten Mannschaften der Bundesliga nicht mauern ließ, sondern selbst drei Stürmer aufs Feld schickte.

Die Gurke des Spiels: Wo ein Weiß, da auch ein Schwarz: Das Defensivverhalten beider Mannschaften war äußerst fragwürdig. Beide Trainer werden da unter der Woche einiges aufzuarbeiten haben.

Die Lehren des Spiels: Wer mit zu den offensivstärksten Mannschaften der Bundesliga gehört, dürfte spätestens jetzt klar sein. Ein derartiges Feuerwerk hat man selten gesehen, schon gar nicht in der Bundesliga. Am Ende setzte sich keineswegs die bessere, sondern die abgezocktere Mannschaft durch.

Werder scheint sich nach dem Super-Spiel von München stabilisiert zu haben und kann den Sturm auf die Spitze nun in Angriff nehmen. Trifft Torjäger Rosenberg mal nicht, stehen gleich mehrere Spieler parat, die in seine Bresche springen können. Werder ist dadurch unheimlich schwer auszurechnen. Selbst Pizarro kommt nach seinem Stotter-Start endlich auf Touren.

Bei aller Freude sollte Werder aber eines zu denken geben: Auf den Außenpositionen in der Abwehr herrscht eine ungeheure Diskrepanz im Vergleich zum Rest der Mannschaft. Fritz und Boenisch fallen deutlich ab. Zudem darf eine Spitzenmannschaft nie und nimmer so viele Chancen des Gegners zulassen.

Hoffenheim lieferte ein begeisterndes Spiel und spielte Werder in der zweiten Halbzeit im eigenen Stadion an die Wand - muss am Ende aber eingestehen, dass es sich teilweise eine Lehrstunde in Sachen Bundesliga-Fußball abholte. Der Aufsteiger im Offensivbereich eine Spitzenkraft der Liga. Richtig komplett wird das Konstrukt aber erst durch vernünftige Defensivarbeit. Dort besteht noch ordentlich Handlungsbedarf.

Alle Daten und Fakten zum Spiel