Der Verlust der Leichtigkeit

Von Torsten Adams
Bitterer Anblick für die Hoffenheimer. Gegen Leverkusen setzte es die erste Heimniederlage.
© Getty

Wie schon im Hinspiel entzauberte Bayer Leverkusen 1899 Hoffenheim und brachte der Rangnick-Elf die erste Heimniederlage in ihrer Bundesliga-Geschichte bei. Dabei wollte Hoffenheim eigentlich aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Doch die Leichtigkeit aus der Hinserie scheint den Kraichgauern abhanden gekommen zu sein.

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167 Tage ist es her. In der Hinrunde der Bundesliga war der dritte Spieltag absolviert und Aufsteiger Hoffenheim bekam mit der 2:5-Klatsche in Leverkusen den ersten herben Schuss vor den Bug.

Knapp einen Monat später folgte mit der 4:5-Niederlage in Bremen die zweite Lehrstunde für die Defensive der Rangnick-Elf. Dennoch hatte man als Beobachter in beiden Partien das Gefühl, Hoffenheim hätte dank seiner überragenden Offensive noch einmal herankommen und die Spiele drehen können.

Ungewohnt Defizite

Diesmal hatte man mitnichten den Eindruck, die Kreativzentrale mit Luiz Gustavo und Carlos Eduardo könnte den Spieß im zweiten Durchgang umdrehen. Ungewöhnlich: Die Offensive des Aufsteigers kreierte nach der Pause kaum mehr Torchancen. Ein Defizit, das im Spiel der Kraichgauer bis dato nicht sichtbar war.

Seit Beginn der Rückrunde ist sie abhanden gekommen. Die Leichtigkeit. Die Unbekümmertheit, mit der Hoffenheim seine Gegner in der Hinserie teilweise vorgeführt hatte. Da halfen auch Rudi Völlers schmeichelnde Worte in der Halbzeit nichts. Er habe selten so ein schnelles Fußballspiel gesehen: "Sensationell, welches Tempo Hoffenheim geht."

Gegentore zum ungünstigsten Zeitpunkt

In der Tat: Zwischen der 12. und der 45. Minute war 1899 den Gästen zumindest ebenbürtig, allein die Kaltschnäuzigkeit im Abschluss ging Sanogo, Ba und Co. ab. Dazu kommt, dass die Gegentore für die TSG an diesem schwarzen Freitag, den 13. zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt fielen.

Die Treffer von Helmes kurz vor der Halbzeit und Castro drei Minuten nach dem Pausentee waren die Genickschläge, von denen es kein Erholen mehr gab.

Zudem war das 0:2 durch Rolfes, der Hildebrand den Ball aus den Handschuhen spitzelte, umstritten. Denn wenn der Torwart mit den Händen am Ball ist, darf der Spieler nicht mehr rangehen.

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Hoffenheim hat nicht gelernt

Dennoch hätten die Treffer nie fallen dürfen, wenn man Trainer Rangnick Glauben schenken darf: "Wir haben aus den Spielen der Hinrunde gegen Bremen und Leverkusen gelernt", sagte der 50-Jährige vor der Partie mit Blick auf die individuellen Patzer in der Defensive. Seine Mannschaft werde die Fehler nicht noch einmal machen und nicht mehr so naiv sein, wie noch bei den Gegentreffern in der Vorrunde.

Die Vorstellung in Sinsheim offenbarte das exakte Gegenteil: Hoffenheim hat nicht aus den Fehlern der Hinrunde gelernt. Jedem Treffer der Werkself ging ein individueller Lapsus eines Rangnick-Schützlings voran.

Fehlende Breite im 1899-Kader

Überrascht musste der Coach nach dem Schlusspfiff eingestehen, dass die Naivität, die zu individuellen Schnitzern führt, bei seinen Spielern doch noch nicht gänzlich abgestellt ist: "Wir haben einfach zu viele Fehler gemacht. Das ist eigentlich ungewöhnlich für uns." Exemplarisch hierfür sei Per Nilssons verunglückte Abwehraktion vor dem 0:2 erwähnt.

Der Schwede war kurzfristig für Marvin Compper in die Innenverteidigung gerutscht und erwies sich als steter Unsicherheitsfaktor in der Abwehrzentrale der Gastgeber. Genau wie Andreas Ibertsberger auf der linken Außenbahn. Dem Österreicher unterliefen haarsträubende Fehler am laufenden Band.

Das Fehlen von Compper ließ die Hoffenheimer Defensive stellenweise wie einen Hühnerhaufen aussehen. Der 23-Jährige meldete sich am Donnerstagabend bei Rangnick per SMS ab. Ein Muskelfaserriss in der Wade stoppte den Ex-Gladbacher.

Nilssons und Ibertsbergers unglückliches Auftreten gegen zugegebenermaßen spielstarke Leverkusener sind ein Indiz für die fehlende Breite im Kader des Aufsteigers. Fallen Leistungsträger wie Obasi, Hildebrand, Carlos Eduardo oder Compper aus, kann 1899 ihr Fehlen nicht adäquat kompensieren.

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Labbadia: Aus 0:5 mach 4:2

Die Bayer-Elf hingegen hat sich nach der Mini-Krise eindrucksvoll zurückgemeldet und eine starke Reaktion auf die 2:4-Schlappe gegen den VfB Stuttgart gezeigt. Dabei hat Bruno Labbadia offensichtlich aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Vor neun Monaten hatte der 43-Jährige noch als Trainer der SpVgg Greuther Fürth mit 0:5 in Hoffenheim verloren.

"Die Mannschaft wollte Hoffenheim unbedingt die erste Heimniederlage beibringen und sie haben sich voll reingehängt", sagte Labbadia nach der Partie und verglich die Aufgabe beim Tabellenführer mit einer Kampfsportart: "Ich habe den Jungs gesagt, dass das hier wie ein Boxkampf wird, wo man schieben, wo man drücken muss."

Rangnick: "Reaktion der Mannschaft in Stuttgart"

Kämpferqualitäten legten die Hoffenheimer hingegen keineswegs an den Tag. Vielmehr wähnten sie sich gegenüber den Gästen in einem physischen Vorteil. Vor der der Partie sprach Neu-Nationalspieler Andreas Beck einen möglichen Pluspunkt für 1899 an: "Wir sind vielleicht etwas frischer, weil Leverkusen mehr Spieler zu den Länderspielen abgestellt hat", erklärte der 21-Jährige.

Genau das Gegenteil war der Fall. Helmes, Kießling und Rolfes waren trotz des Kräfte raubenden Desasters gegen Norwegen dynamischer als ihre Gegenspieler.

Michal Kadlec beispielsweise war erst 48 Stunden zuvor mit der Auswahl Tschechiens im marokkanischen Casablanca im Einsatz und entschied die Duelle gegen Ba und Weis auf seiner linken Seite eindeutig für sich.

Trotz der bitteren Pleite gegen die überlegenen Leverkusener sieht Rangnick der Zukunft positiv entgegen: "Wir haben in der Hinrunde auch mit drei Toren gegen Leverkusen verloren. Entscheidend ist jetzt die Reaktion der Mannschaft in Stuttgart", fordert der Coach von seinen Mannen.

Sein Schluss-Statement garniert der Trainer mit einer ordentlichen Portion Süffisanz: "Wir haben jetzt das gleiche Programm wie in der Hinrunde, das hat eine Rückrunde so an sich. Also habe ich keine Bedenken."

Hoffenheim - Leverkusen: Die SPOX-Analyse