"Das hätte ich lieber nicht gesagt"

Von Florian Bogner
Torsten Frings war nach der siebten Saisonpleite der Bremen auf Schalke fassungslos
© Getty

Schlecht, schlechter, Werder: Bremen taumelt der Liga-Spitze hinterher, die Verantwortlichen wirken zunehmend ohnmächtig. Besserung ist nicht in Sicht, dennoch bleibt der Trainer unantastbar. Oder doch nicht?

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"Ein Zustand ausgesprochener emotionaler Erschöpfung (...), der als Endzustand einer Entwicklungslinie bezeichnet werden kann, die mit idealistischer Begeisterung beginnt und über frustrierende Erlebnisse zu Desillusionierung und Apathie (...) führt", steht bei Wikipedia über die neumoderne Krankheit "Burnout-Syndrom".

Es gehört sich freilich nicht, ohne genaue Fachkenntnis den psychologischen Zustand der Herren Klaus Allofs und Thomas Schaaf aus der Ferne zu diagnostizieren - und dennoch tragen die Aussagen und Handlungen der beiden sportlich Verantwortlichen bei Werder Bremen in letzter Zeit verdächtige Züge dieser Zivilisationskrankheit.

Die Fassade von Thomas Schaaf bröckelte beim Gastspiel auf Schalke nur ein kurzes Mal. Man schrieb die 54. Spielminute und Schaafs Stürmer Markus Rosenberg hatte den Ball gerade aus aussichtsreicher Position auf die Fäuste von Schalke-Keeper Manuel Neuer gezimmert, was den Werder-Coach an der Seitenlinie zum guten alten Götz von Berlichingen-Zitat hinriss.

Nach der 0:1-Niederlage, der vierten in den letzten sechs Spielen, war Schaaf dann wieder Herr seiner Emotionen. "Es fehlt was Entscheidendes, und das ist Erfolg", nuschelte der bärtige Trainer brav ins Premiere-Mikrofon.

Der verneinte Treueschwur...

An sein Zitat aus der Pressekonferenz vor der Partie ("der Verlierer wird es schwer haben, die internationalen Plätze noch zu erreichen") wollte er sich indes nicht mehr so genau erinnern. Schaaf schrieb vielmehr nur die "vorderen Plätze" ab.

Sein Vorgesetzter Allofs hatte unter der Woche im "kicker"-Interview einen Treueschwur aufgesetzt, den er unmittelbar nach dem Spiel bei Premiere wiederholte.

Er sei nach wie vor "total überzeugt", dass Schaaf der richtige Mann sei - und wollte lieber darüber diskutieren "wie wir die Spieler dazu kriegen, das umzusetzen, was er ihnen vorgibt".

Als er später jedoch durch die Mixed-Zone schlenderte, hörten sich Allofs Worte dramatischer an. Es sei von ihm unter der Woche kein "prinzipieller Treueschwur" gewesen, sagte der Geschäftsführer. Die Ehe Allofs/Schaaf also in der Krise?

"Es könnte einen solchen Moment geben, aber nicht in absehbarer Zeit", sagte Allofs den Journalisten.

...und seine Folgen

Es rumort in Allofs also mehr, als er zugeben will. Auf dem Weg nach draußen fing sich der 52-Jährige allerdings wieder. "Das hätte ich lieber nicht gesagt", revidierte er seine Worte plötzlich. "Meine schon zuvor geäußerte Aussage gilt." Entscheidend sei nach wie vor, wie Schaaf arbeite, "und daran gibt es keinen Zweifel".

Die wären nach dem Offenbarungseid von Schalke aber angemessener denn je. Die mangelhafte Selbsteinschätzung der Bremer nimmt nämlich mittlerweile dramatische Züge an, die die Verantwortlichen ohnmächtig hinzunehmen scheinen.

Die harten Fakten: Bremen ist nach 19 gespielten Runden Zehnter und mit 26 Punkten schon sieben Punkte vom internationalen Geschäft entfernt.

In der Winterpause hielt man sich mit Durchhalteparolen über Wasser, auf dem Transfermarkt nachgelegt wurde nicht. Nun ernten die Bremer Hasardeure die bitteren Früchte.

Ist die Raute noch tragbar?

Was Schaaf gerne betont, ist der Aufwand, den seine Spieler treiben. Leistungsverweigerung wird in Bremen nicht betrieben, alleine der Einsatz reicht aber nicht für Ergebnisse. Auf Schalke war Werder ohne die gesperrten Diego und Claudio Pizarro wieder mal nur die Hälfte wert, spielerisch auf ganz armem Niveau unterwegs und ohne Linie den Launen des Gegners ausgeliefert. Werder diktiert nicht mehr, Werder reagiert.

Vor allem muss sich Schaaf fragen lassen, ob er trotz diverser Ausfälle (Diego, Hunt, Jensen) mit einer Mittelfeldraute weiter gut beraten ist. Tziolis, Baumann, Frings und Özil sind allesamt eher zentrale Spieler, den Außenverteidigern Boenisch und Fritz mangelt es an Selbstvertrauen.

28 Flanken schlugen Bremer Spieler am Samstag, gerade mal sechs erreichten auch Adressaten in der Mitte. Vier davon waren von Özil getretene Eckbälle. Noch schlimmer wird das Dilemma, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass die Außen auch schon in der Hinrunde Werders größte Achillesferse waren. Und noch mal: Transfers blieben aus.

"Wir können jetzt nur weiter arbeiten"

Man kommt nur zu dem Schluss, dass das Gespann Allofs/Schaaf dem vorhandenen Personal eben voll vertraut - und damit de facto aufgeschmissen ist. Ein Treppenwitz, dass Torsten Frings nach dem Schalke-Spiel behauptete, man würde jetzt auf einmal Sachen schlecht machen, "die vorher fünf Jahre lang erfolgreich waren".

Frings hatte übrigens nach dem 0:1 auch ein "Spiel auf ein Tor" gesehen.

Doch genau diese fünf Jahre erfolgreicher Arbeit stehen nun auf dem Spiel. Verpasst Werder das internationale Geschäft, werden Franchise-Player Diego, sowie Claudio Pizarro oder Per Mertesacker, der um seinen Stammplatz bei der WM 2010 kämpft, kaum länger zu halten sein. Allofs und Schaaf - wenn sie bis dahin überhaupt noch zusammenarbeiten - müssten nahezu von Null anfangen.

Noch sind das Horrorszenarien an der Weser. Noch. "Man sieht, dass diese kleinen Fehler die ganze Arbeit in Gefahr bringen. Wir können jetzt nur weiter arbeiten", sagt Allofs beinahe hilflos.

"Klar, wir sind hinter den Erwartungen zurück und auch bei uns wird es langsam unruhig. Aber wer die Mannschaft heute gesehen hat, muss den Trainer nicht infrage stellen." Noch nicht.

Schalke vs. Bremen in der SPOX-Analyse