Leon Goretzka beim FC Bayern München: Höchste Zeit für eine Würdigung

Leon Goretzka beim Training des FC Bayern München während der Coronapause.
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Stefan Böger lobt seinen ehemaliger Spieler Goretzka

Geboren in Bochum wechselte Goretzka einst mit sechs Jahren zum lokalen VfL und erregte mit seinen herausragenden fußballerischen Leistungen früh regionales Aufsehen und bald auch nationales. 2010 berief ihn Stefan Böger in die deutsche U16-Nationalmannschaft. Knapp zehn Jahre später kann sich sein damaliger Trainer noch genau an den 15-jährigen Leon erinnern.

"Er führte die Gruppe an - was insofern bemerkenswert war, als dass er nicht von Bayern, Dortmund oder Schalke, sondern vom vergleichsweise kleinen VfL Bochum kam. Trotzdem war er vom ersten Tage an derjenige, dem alle anderen zuschauten und zuhörten", sagte Böger neulich im Interview mit SPOX und Goal. "Leon hatte einen korrekten Umgang, was sicher auch an der guten Erziehung seiner Eltern lag. Eine perfekte Mischung aus Leistung und Persönlichkeit. Aus dieser Rolle heraus ist er gegenüber dem Trainerteam aufgetreten und hat die Belange der Mannschaft vorgetragen. Das hat mir imponiert!"

Goretzka und der korrekte Umgang

Der korrekte Umgang des 15-jährigen Leons aus Bochum ging durch die Wechsel zum FC Schalke 04 und dann zum FC Bayern nicht verloren und ebenfalls nicht durch Nominierungen für die deutsche Nationalmannschaft. Auch der 25-jährige Goretzka lebt den korrekten Umgang und ist damit durchaus eine Ausnahme.

Sofern gerade keine Corona-Zwangspause herrscht, ist das allwöchentlich in den vom FC Bayern oder der Nationalmannschaft besuchten Mixed Zones der deutschen und europäischen Fußballstadien zu beobachten. Den Orten also, an denen nach Abpfiff Spieler auf Journalisten treffen. Kein Spieler hat dort die Pflicht zu sprechen, aber jeder darf zumindest angesprochen werden.

Manche Spieler reagieren darauf gar nicht, tun so, als hätten sie nichts gehört, starren geradeaus und schreiten einfach fort. Andere nutzen den sogenannten Handy-Trick und täuschen just im Moment des Fragens einen eingehenden Anruf vor. Und dann gibt es noch Spieler wie Goretzka. Spieler, die meist stehen bleiben und Auskunft geben, und wenn sie mal keine Lust oder Zeit haben, das immerhin freundlich mitteilen. Kurz: Die einen korrekten Umgang leben.

Wenn man dann in der Mixed Zone mit Goretzka spricht, dann geht es um Tore und Taktiken, um Ein- und Auswechslungen und vielleicht auch mal einen Bankplatz und die daraus resultierende Unzufriedenheit. Darüber kann man mit Goretzka wie mit jedem Fußballer reden, aber eben auch über anderes. Egal um was es geht: Er sagt, was er denkt und was ihm wichtig zu sein scheint.

Goretzka nutzt soziale Netzwerke für ihm wichtige Botschaften

Goretzka hat in diversen Interviews seine Bedenken über den zunehmenden Rassismus in Deutschland geäußert - und für zwei besonders schöne Sätze sogar Platz zwei bei der Wahl zum Fußballspruch des Jahres 2019 belegt: "Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Da antwortet man auf die Frage nach der Nationalität mit Schalke, Dortmund oder Bochum." Den Wählerzuwachs der AfD hat er deutlich wie kaum ein anderer Profifußballer kritisiert und die Bewegung "Fridays for Future" gelobt.

Seine sozialen Netzwerke nutzt Goretzka unterdessen weniger für Hochglanz-Imagefotos als für ihm wichtige Botschaften. So hat er auf diesem Weg in den vergangenen Monaten beispielsweise nicht nur zum Thema Nationalsozialismus sensibilisiert, sondern auch die Robert-Enke-Stiftung für ihren Einsatz beim Kampf gegen Depressionen gelobt und zum Blutspenden aufgerufen. Goretzka ist sogar das Gesicht einer Kampagne des Blutspendediensts des Bayerischen Roten Kreuzes.

"Ich kann meine Reichweite dazu nutzen, um eine gewisse Haltung zu vermitteln, sie im Optimalfall an junge Fußballfans weitergeben und so als Vorbild agieren", sagte Goretzka im Februar zu SPOX und DAZN. Damals, kurz bevor die Coronakrise den Fußballbetrieb weltweit lahmlegte.

Anschließend fungierte er mit #WeKickCorona vor allem als gesellschaftliches Vorbild. Dank der Wiederaufnahme der Bundesliga kann er künftig wieder Fußball spielen und auch seiner ursächlichen Bestimmung als sportliches Vorbild nachgehen. Dass sich dadurch etwas an seinem Verhalten abseits des Platzes ändern wird, erscheint jedoch ausgeschlossen.

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