FC Bayern: Zahnlos, träge, dreckig - und trotzdem Sieger des Spieltags

Von Dennis Melzer
Der FC Bayern setzte sich am Ende souverän gegen den FC Augsburg durch.
© getty

Bayern-Trainer Hansi Flick beweist mit seinem Team, dass es auch ohne großes Spektakel geht. Eine wichtige Erkenntnis auf dem Weg zur Meisterschaft.

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Man musste wahrlich kein Meisterdetektiv sein, um zu erahnen, dass im Vorfeld des Duells zwischen dem FC Bayern und dem FC Augsburg etwas im Busch war. "Achtung: Choreo" war allerorten, selbst auf der Pressetribüne, auf kleinen Handzetteln zu lesen, an einigen Pfeilern der Allianz Arena wurde mithilfe etwas größerer Blätter an die Zuschauer appelliert, man möge sich doch bitte eine Viertelstunde vor Anpfiff auf den jeweiligen Plätzen einfinden, um den bestmöglichen Ablauf der geplanten Show zu gewährleisten.

Der 120. Geburtstag des Rekordmeisters, der am Sonntagnachmittag nachträglich gefeiert wurde, sollte zu einem Spektakel werden. Auf den Rängen und auf dem Platz. Stadionsprecher Stephan Lehmann gab mittels Countdown das Signal für die Fans, die auf Kommando silberfarbenes, überdimensionales Lametta von den Rängen regnen ließen und das Rund wenige Augenblicke später in ein imposantes, rot-weißes Farbenmeer verwandelten.

Es sollte vorerst das einzig Nennenswerte bleiben, das sich in Fröttmaning abspielte. Nachdem die Anhänger ihre Folien beiseitegelegt hatten, war nämlich Tristesse auf dem Rasen angesagt. Die Hausherren wirkten müde, erspielten sich bis zur Nachspielzeit der ersten Hälfte keine echte Torchance, ehe Thomas Müller das Publikum via Aufsetzer aus seiner 45-minütigen Lethargie weckte.

FCA-Keeper Andreas Luthe: "Ich bin fast eingeschlafen"

Im Anschluss an die Partie zeigte sich FCA-Torhüter Andreas Luthe einigermaßen überrascht über den zunächst zahnlosen Auftritt des deutschen Rekordmeisters. "In der ersten Halbzeit bin ich fast eingeschlafen", witzelte Luthe im Gespräch mit Sky und spielte damit auf die mickrige Anzahl von nur zwei Torschüssen an, die die Münchner in seine Richtung abgaben.

Eine Bilanz, die der FCB zuletzt 2014 gegen Bayer Leverkusen in einem Bundesliga-Heimspiel zustande brachte. "Wenn du als Torhüter keine Bälle bekommst, wirst du fast ein bisschen kalt. Also hatte ich kein gutes Gefühl. In der zweiten Hälfte wussten wir, dass da ein bisschen mehr kommt", erklärte Luthe weiter. Die Augsburger behielten Recht. Nach dem Seitenwechsel präsentierten sich die Gastgeber wacher und deutlich aktiver.

Weltmeister von 2014 avancieren zu den Matchwinnern

Vor allem die Riege um die Weltmeister von Rio zeichnete verantwortlich, dass der Favorit seiner Rolle schließlich doch noch gerecht wurde. Der seit Wochen in bestechender Form aufspielende Jerome Boateng bediente Thomas Müller mit einem sehenswerten Pass, den der Ur-Bayer mit dem linken Fuß veredelte. Manuel Neuer vereitelte kurz vor Schluss den Ausgleichstreffer durch Florian Niederlechner mit einer Glanzparade. In der Nachspielzeit machte Leon Goretzka nach feiner Kombination mit Serge Gnabry den viel zitierten Deckel drauf.

"Am Anfang hat uns die körperliche und mentale Frische gefehlt, da waren wir schon extrem träge", resümierte Joshua Kimmich in der Mixed Zone. "Wir sind etwas besser aus der Kabine gekommen und verdient in Führung gegangen. Hinten raus mussten wir unnötigerweise zittern. Wir haben kein gutes Spiel gemacht." Dementsprechend deklarierte der Nationalspieler das Ganze auch als "Arbeitssieg." Eine treffende Analyse. Dennoch sind es bekanntermaßen ebenjene Spiele, die "dreckigen" Siege, die auf dem Weg zu einer möglichen Meisterschaft am Ende häufig den Unterschied ausmachen.

FC Bayern der Gewinner des Spieltags

Besonders, wenn man bedenkt, dass der bisherige Mitkonkurrent um den Titel, RB Leipzig, bereits am Samstag erneut nicht über ein Remis hinausgekommen war, dürfen sich die Bayern als Gewinner des Spieltags betrachten. "Man hat gemerkt, dass wir aus zwei englischen Wochen kommen", erklärte Müller. "Nichtsdestotrotz hatten wir nicht den Zug nach vorne, den wir sehen wollen." Die "Quintessenz" sei aber, dass "wir gewonnen haben."

Mit Blick auf die neuerliche Tabellenkonstellation, bei der die Bayern nun mit vier Punkten Vorsprung auf Borussia Dortmund und mittlerweile fünf Zählern Vorsprung auf die Roten Bullen von der Spitze grüßen, erklärte der 30-Jährige: "Es war vor dem Spiel klar, dass wir das unbedingt erreichen wollen. Dass es so schnell gekommen ist, dass wir von vier Punkten Rückstand auf vier Punkte Vorsprung gekommen sind, ist super erfreulich. Wir haben fast alles gewonnen, die Richtung ist positiv."

Es sei "keine Floskel", leitete Sportdirektor Hasan Salihamidzic seinen Ausblick auf die nächsten Wochen ein, um dann doch auf eine solche zurückzugreifen. "Wir müssen jedes Spiel einzeln, immer das nächste nehmen", modifizierte der Bosnier das klassische "Wir denken von Spiel zu Spiel" und ergänzte: "Sie sehen ja, wie eng die Tabelle ist. Die Meisterschaft ist lang."

Hansi Flick mit Super-Bilanz

Keine bahnbrechende Erkenntnis. Anders als die Gewissheit, dass die Bayern, die unter Trainer Hansi Flick zumeist für Spektakel standen, in der vorvergangenen Woche beispielsweise erst den FC Chelsea mit 3:0 an der Stamford Bridge bezwangen, nur um wenige Tage später der TSG 1899 Hoffenheim ein halbes Dutzend einzuschenken, auch zähe Angelegenheiten letztlich für sich entscheiden können.

Flick selbst, der mit dem 2:0 über die Fuggerstädter den zwölften Sieg im 15. Bundesliga-Spiel einfuhr und sich mit einer Ausbeute von 37 Punkten diesbezüglich als zweiterfolgreicher Coach der Bundesliga-Geschichte hinter Pep Guardiola (41) einreihte, gab sich bei Sky passend zur Darbietung pragmatisch: "Man hat gesehen, dass wir etwas müde waren. Trotzdem muss man auch sagen, dass Augsburg es gut gemacht hat. In der zweiten Halbzeit war es mehr als verdient."

Auf der Pressekonferenz verriet der 55-Jährige, dass sein Team in den kommenden zwei Tagen trainingsfrei habe. "Ab Mittwoch werden wir uns konzentriert auf die nächsten drei Spiele vorbereiten, die vor der Länderspielpause anstehen - ich hoffe, dass wir dann an die Leistungen anknüpfen, die wir vor der Partie gezeigt haben." Darauf dürfte nicht nur er, sondern sicherlich auch die Fans hoffen, die am Sonntagnachmittag zunächst rot-weißes Halligalli zu Ehren ihres Vereins machten, dann einem weiß-roten Retrotrikot-Schlafwagen beim Spielen zuschauten und letztlich konstatierten, dass "nur der FCB" deutscher Meister wird. Weil eben auch solche Begegnungen gewonnen werden müssen.

Die nächsten Pflichtspiele des FCB

DatumWettbewerbGegnerHeim/Auswärts
14.03.2020BundesligaUnion BerlinA
18.03.2020Champions LeagueFC ChelseaH
22.03.2020BundesligaEintracht FrankfurtH
04.04.2020BundesligaBorussia DortmundA
11.-13.04.2020BundesligaFortuna DüsseldorfH