Serge Gnabry vom FC Bayern im Interview: "Krass war, als wir in den Slums gelandet sind"

Von David Binder
Mit Julian Nagelsmann arbeitete Serge Gnabry bei der TSG Hoffenheim zusammen.
© imago images

Am Freitagabend startet für Serge Gnabry und den FC Bayern mit dem Auftaktspiel gegen Hertha BSC die neue Bundesliga-Saison (20.30 Uhr LIVE auf DAZN). DAZN und SPOX trafen den Nationalspieler zuvor in der Elfenbeinküste, dem Heimatland seines Vaters, zum exklusiven Interview.

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Dabei sprach der 24-Jährige über sein Engagement für Jugendprojekte in der Elfenbeinküste, Common Goal, seine Zeit beim FC Arsenal und die Ziele mit den Bayern.

Herr Gnabry, Sie engagieren sich unter anderem in Grand-Bassam in der Elfenbeinküste für Jugendprojekte. Wie ist Ihr Eindruck vor Ort?

Serge Gnabry: Wir waren im Community Center von Grand-Bassam. Dort gibt es ein vielfältiges Angebot mit Projekten, Übungen zur Elektrizität oder Nähkurse. Es gibt eine Bücherei, Computer, viele verschiedene Angebote, was gut für die Kids ist. Krass war, als wir in den Slums gelandet sind, wo die Kinder aus diesen Programmen leben. Zwei Kinder haben mir ihren Haushalt gezeigt. Es war eine enorme Erfahrung zu sehen, in welcher Armut die Kids leben.

Haben Sie dadurch eine neue Perspektive bekommen?

Gnabry: Ich war ja schon einmal hier, sodass ich schon einiges wusste. Aber ich war noch nicht in den Slums, das war nochmal ein ganz anderes Level. Wenn man das einmal erlebt hat und mit den Menschen redet, motiviert einen das, noch viel mehr zu tun. Jeder andere, der das vor Ort sehen würde, würde danach noch mehr tun wollen.

Wie kann der Fußball helfen?

Gnabry: Mir ist eine Trainingsform in Erinnerung geblieben: Bei einer Torschussübung wurde der Ball als Virus verstanden, den die Torhüterin abwehren muss, damit er den Körper nicht befällt. Solche Methoden bleiben bei den Kids sicherlich hängen - so transportiert man reale Themen spielerisch und kombiniert Bildung und Sport. Die Kinder öffnen sich und sitzen nicht nur stupide im Klassensaal und hören zu.

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Wie Sind Sie Teil von Common Goal geworden - ein Projekt, bei dem ein Prozent des Jahresgehalts an soziale Projekte mit Fußballbezug gespendet werden?

Gnabry: Ich wollte schon immer Charity Work machen, vor allem, weil ich schon einmal hier war und ein Teil meiner Familie von hier kommt. Meine Eltern haben mir beigebracht, immer zu teilen und anderen zu helfen. Dann gab es die Möglichkeit, Common Goal beizutreten. Da musste ich nicht lange überlegen. Ich finde das Projekt spannend. Ich will definitiv langfristig helfen und finde es gut, als einer der Ersten beigetreten zu sein. Ich will dabei auch als Vorbild fungieren.

Sie haben bereits mehrfach betont, dass es für uns Privilegierte keine Ausreden für die Spende von einem Prozent des Gehalts gibt.

Gnabry: Das war keine schwere Entscheidung für mich. Jeder kann aktiv werden, egal ob Fußballer oder Geschäftsmann, reich oder nicht so reich, in Deutschland oder anderen Ländern. In westlichen Nationen können viele ohne Probleme auf ein Prozent ihres Gehalts verzichten.

Wie oft haben Sie Kontakt zum Teil Ihrer Familie, der hier lebt?

Gnabry: Es ist natürlich nicht so leicht, sich regelmäßig zu sehen. Aber ich versuche, alle paar Jahre hier zu sein.

Inwiefern beeinflussen Sie beide Welten?

Gnabry: Am meisten wurde ich durch die Erziehung meines Vaters geprägt. Er wurde hier geboren, hat die Kultur mit nach Deutschland gebracht und trägt sie bis heute in sich. Dadurch, dass ich in Deutschland aufgewachsen bin, habe ich das natürlich alles aufgesaugt. Wenn ich hierher komme, erstaunen mich einige Dinge immer wieder. Diese Kultur will ich anderen zeigen und auch leben.

Wurden Sie schon einmal mit Rassismus konfrontiert?

Gnabry: Man hat immer wieder solche Situationen, wenn man andersfarbig oder anderer Herkunft ist, eine andere Religion hat. Damit wird man ab und an konfrontiert. Ich bin in Deutschland geboren und fühle mich als Deutscher, aber genauso fühle ich mich durch die Kultur meines Vaters als Afrikaner. Für mich gab es nie große Probleme mit Rassismus. Im Fußball gibt es ab und zu einen Spruch. Leider hört das noch nicht auf, wie man auch vor ein paar Monaten am Beispiel Leroy Sane in Wolfsburg sehen konnte. Schade, dass so etwas 2019 immer noch präsent ist.

Sprechen wir über Ihre Karriere und springen ein wenig zurück: Wie sehen Sie Ihre Zeit bei Arsenal rückblickend?

Gnabry: Es war für manche vielleicht ein außergewöhnlicher Schritt, für mich nicht. Wenn ein Verein wie Arsenal dir ein Angebot macht und sagt, dass er dich im Verein haben will - mit einem Trainer wie Arsene Wenger, von dem man wusste, dass er jungen Spielern eine Chance gibt - ist das eine große Chance. Ich wollte diese Chance unbedingt ergreifen. Meine Zeit in England hat mich geprägt, mit all ihren Höhen und Tiefen. Ich würde den Schritt genauso wieder machen.

Welche Rolle hat Ihre Familie damals gespielt?

Gnabry: Ohne meinen Vater wäre ich heute nicht an dem Punkt meines Lebens, an dem ich bin. Es gibt viele Talente, denen leider die Unterstützung fehlt. Die hatte ich zu 100 Prozent von meinen Eltern, von meinem Vater natürlich ein bisschen mehr, weil er sich mit dem Fußball beschäftigt hat. Es war enorm wichtig, ihn in England dabei zu haben. Du bist noch jung, 16 Jahre alt, weißt nicht, was auf dich zukommt, bist in einem anderen Land, verlässt deine Freunde und Familie. Da hilft es, wenn du eine führende Hand bei dir hast.

Per Mertesacker war in dieser Zeit auch bei Arsenal. War er ein Ansprechpartner für Sie?

Gnabry (lacht): Er hat mir brutal viel geholfen, genau wie Poldi und Mesut. Als junger Spieler, der die Sprache nicht fließend spricht, war es schön, dort Deutsche zu haben. In der Jugend waren auch Thomas Eisfeld und Martin Angha dabei. Das macht einem das Leben ein bisschen leichter.

 

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