Hierarchie-Architekt vs. Mr. Perfect!

Von Andreas Lehner/David Kreisl
Jupp Heynckes
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FCB braucht keinen lässigen Onkel, sondern... Feuer!

Dass der FC Bayern Thomas Tuchel nicht als neuen Trainer verpflichten wird, ist vollkommen unverständlich. Die Reaktivierung von Jupp Heynckes ist eine erzkonservative Wohlfühllösung, die ratlos macht. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur David Kreisl.

Seitdem der FC Bayern vom besten Trainer der Welt, von Pep Guardiola, im Sommer 2016 verlassen wurde, hat der Klub nichts mehr mit der absoluten europäischen Spitze zu tun. Die Chance, daran etwas zu ändern, war nach dem unausweichlichen Aus von Carlo Ancelotti mit der Verpflichtung von Thomas Tuchel da. Die Münchner hätten einen schwierigen Charakter bekommen (ein Argument, das niemals zählen darf) und gleichzeitig einen Trainer, der taktisch gesehen über jeden Zweifel erhaben ist. Dem es zuzutrauen gewesen wäre, dem FC Bayern wieder eine Spur der Genialität der vergangenen Jahre einzuhauchen.

Tuchel wäre die perfekte Lösung gewesen. Jemand, der komplett neue Impulse gesetzt und die Mannschaft aufgeweckt hätte. Eine Mannschaft, die behäbig daherkommt und sich seit Monaten über Ancelottis Laissez-faire und die fehlende Intensität im Training beschwert hat.

Und gerade jetzt, wo es sich eindrucksvoll gezeigt hat, dass diese taktisch so perfekt erzogene Mannschaft eben keinen Verwaltertypen braucht, keinen lässigen Onkel, sondern mental und fußballerisch gefordert werden will - da reaktiviert der FC Bayern den 72-jährigen Jupp Heynckes aus seinem Haus in Nettental.

Heynckes ist eine Respektsperson und als Übergangslösung eine der besseren, ja. Will man aber so die immer größer werdende Lücke zur europäischen Spitze aufholen? Oder auch nur verwalten? Mit dem Kaltstart eines Trainers, den man aus dem Ruhestand holt, der seit über vier Jahren raus aus dem Fußball ist? Dass schon 21 Monate Abstinenz genug sind, um mit der neuen Fußballwelt zu fremdeln, das beweist Uli Hoeneß seit seiner Rückkehr recht eindrucksvoll.

Und allen, die über die Rückkehr des Triple-Trainers jubeln, denen sei gesagt, dass Heynckes selbst in der Saison 2012/13 lange nicht unumstritten war. Dass er mit Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger im besten Fußballalter sowie Toni Kroos die drei besten deutschen Spieler der jüngeren Geschichte in seiner Mannschaft hatte, dazu Franck Ribery und Arjen Robben in ihren besten Karrierephasen, im Mittelfeld Javi Martinez, der eine Saison von einem anderen Stern spielte. Eine brutale Mannschaft, gierig, angetrieben.

Am Ende werden die Bayern mit Heynckes wieder ihre Spiele gewinnen, ja. Doch ist die Trainerentscheidung ein fatales Signal an die Konkurrenz sowie an die eigenen ambitionierten Spieler und passt nicht zu dem Weltklub, der der FC Bayern immer behauptet zu sein. Man hat sich bewusst für ein weiteres, verschenktes Übergangsjahr entscheiden - bis zur kommenden Saison der dann 31-jährige Julian Nagelsmann den radikalsten Umbruch der jüngeren Klubgeschichte stemmen soll.

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