Mehr denn je ein Gesicht des Vereins

Franck Ribery gibt beim FC Bayern seit zehn Jahren die Richtung mit vor
© getty

Franck Ribery ist seit zehn Jahren beim FC Bayern München und damit deutlich der dienstälteste Spieler im aktuellen Kader des Rekordmeisters. Nach dem Abgang von Bastian Schweinsteiger und dem Karriereende von Philipp Lahm ist der Franzose mehr denn je als Identifikationsfigur gefragt. Doch auch sportlich führt am mittlerweile 34-Jährigen kein Weg vorbei - noch.

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Meisterfeiern des FC Bayern auf dem Münchner Marienplatz sind nicht als die emotionalsten in Europa bekannt.

Wenn Real Madrid auf der Plaza de Cibeles einen Titel feiert, geht die ganze Stadt in Flammen auf. Borussia Dortmunds Tour über den Borsigplatz nach dem Pokalsieg in diesem Sommer versetzte eine ganze Region in Ekstase. Die Leidenschaft nach jahrelangem, sehnsüchtigem Warten auf einen Titelgewinn lag förmlich in der Luft.

Bei den Münchnern sind solche Feierlichkeiten Routine. So zumindest ist der Ruf.

Für einen Gänsehaut-Moment sorgte Ende Mai 2010 jedoch Franck Ribery. Es war "nur" die Doublefeier, kurz nach dem verlorenen Champions-League-Finale in Madrid gegen Inter Mailand. Und entsprechend eine gute, aber sicher nicht restlos ausgelassene Stimmung.

Doch dann nahm der Franzose das Mikro und rief 30.000 Zuschauern zu: "Isch 'abe gemacht fünf Jahre mehr!" Und plötzlich stand die Menge Kopf. "Ribery! Ribery!", hallte es lautstark über den Marienplatz.

Ribery-Verlängerung 2010 als Statement

Es war eine Erleichterung. Alle großen europäischen Klubs hatten Schlange gestanden, mit Real Madrid gab es sogar bereits eine grundsätzliche Einigung über einen Transfer. In einer Zeit, in der es bei den Bayern noch nicht so selbstverständlich war wie heute, dass die Topstars nicht abgegeben werden, war die Verlängerung mit dem Superstar und Publikumsliebling ein echtes Statement.

Mittlerweile hat Ribery nicht nur die angekündigten "fünf Jahre mehr" gemacht.

Als der Deutsche Meister am Samstagnachmittag gegen 16 Uhr an der Säbener Straße die erste öffentliche Trainingseinheit der Saison begann, war Europas Fußballer des Jahres 2013 immer noch an Bord.

Ribery seit zehn Jahren beim FC Bayern

Seit zehn Jahren trägt er das Trikot des FC Bayern. In seiner ersten Saison trainierte er ebenfalls mit seinem Landsmann, dem neuen Co-Trainer Willy Sagnol, zusammen. Dieser war damals aber noch Spieler.

"Ich hätte nicht gedacht, dass er so lange bleiben würde", sagte Präsident und Ribery-Intimus Uli Hoeneß in der Montagsausgabe des kicker: "Franck hatte das nie vor, seine Berater hatten gesagt, du gehst zwei, drei Jahre nach München."

Diese Prognose trat nicht ein. Mit zehn Jahren im Verein ist Ribery der deutlich dienstälteste Spieler im Kader.

Für seinen einst ersten Trainer in München, Ottmar Hitzfeld, ist Ribery ohnehin eine "Bayern-Legende" - vor allem aufgrund seiner Konstanz: "Ein Jahrzehnt bei einem Verein, und das bei Bayern, wo das höchste Niveau in absoluter Konstanz gefordert ist, bedeutet eine außergewöhnliche Leistung, zumal Franck immer Stammspieler war", sagte Hitzfeld im kicker.

Wenn Ribery fit war, hat er gespielt. Eigentlich immer. Bald wird er deswegen aller Voraussicht nach ein weiteres Mal Geschichte schreiben. Sieben Spiele braucht der 34-Jährige noch, um Hasan Salihamidzic zu überholen und damit der Rekord-Legionär der Münchner in der Bundesliga zu sein.

Dass Ribery diese sieben Spiele machen und damit Brazzo ablösen wird, ist sicher. Denn auch mit mittlerweile 34 Jahren ist er in den Planungen für die kommende Saison kein Nebendarsteller. In zehn Jahren FC Bayern war Ribery immer Hauptdarsteller und das ist er nach wie vor.

Ein anderes Modell ist beim stolzen Franzosen derzeit auch schwerlich vorstellbar. Alter hin oder her, Ribery ist noch heiß, ehrgeizig und er will spielen. So sehr, dass er noch lange nicht bereit ist, ins zweite Glied zu rücken. Als Trainer Carlo Ancelotti ihn im Frühjahr bei beiden Champions-League-Viertelfinals gegen Real Madrid um die 70. Minute auswechselte, schien die Nummer 7 überhaupt nicht einverstanden.

Verbaut Ribery den Nachfolgern die Entwicklungschancen?

Genau da liegt eine anspruchsvolle Aufgabe für den Trainer in der kommenden Saison: Einerseits führt bei vollständiger Fitness kein Weg an Ribery vorbei. Mit 23 Torbeteiligungen in 32 Spielen war er in der letzten Saison nach wie vor die beste Alternative für den linken Flügel, zumal sich Douglas Costa und Kingsley Coman unter Ancelotti nicht weiterentwickelten.

Dieser hohe sportliche Wert macht es andererseits jedoch umso schwieriger, den früher oder später bevorstehenden Umbruch einzuleiten und dem potentiellen Nachfolger genügend Einsatzzeiten in wichtigen Spielen einzuräumen, selbst wenn der wahrscheinliche Costa-Abgang noch über die Bühne geht.

Coman fordert höhere Spielanteile, nachdem er nun für weitere 21 Millionen Euro fix verpflichtet wurde. Auch die Perspektive von Neuzugang Serge Gnabry steht noch in den Sternen. Ancelotti wollte am Samstag ein Leihgeschäft in Gnabrys erstem Vertragsjahr nicht ausschließen.

Verbaut Ribery also seinen Nachfolgern die Möglichkeit, sich zu entwickeln? Wenn Ancelotti es schafft, den richtigen Mix zu finden, dann nicht. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der Altstar, ähnlich wie sein ein Jahre jüngeres Pendant auf der rechten Seite Arjen Robben, immer häufiger kleine Wehwehchen hat oder eine Verschnaufpause braucht. Diese muss er ihm geben - mit dem nötigen Fingerspitzengefühl.

Ribery ist eine wichtige Identifikationsfigur

Denn bei Laune sollte er Ribery halten. Nicht nur wegen seines sportlichen Wertes ist der 34-Jährige wichtig für die Mannschaft und den Verein. Vor der kommenden Saison ist er vielleicht sogar wichtiger denn je. Als erfahrener Haudegen und ein Herzstück der Mannschaft.

Nach dem Abgang von Bastian Schweinsteiger 2015 und dem Karriereende von Philipp Lahm in diesem Sommer ist Riberys Stellenwert als Identifikationsfigur noch einmal gestiegen.

"Er ist ein Weltklassefußballer und verkörpert den FC Bayern. Er gehört zu dieser Bayern-Familie, auch wenn er kein Deutscher ist. Er steht in einer Reihe mit Lahm, Schweinsteiger, Matthäus oder Kahn", sagte Arjen Robben im kicker.

Die Wahrnehmung ist wie die des FC Bayern

Kaum ein Spieler hat sich in den letzten Jahren so sehr zum Gesicht des FC Bayern entwickelt wie Ribery. Er steht für das Mia-san-Mia-Gefühl des Vereins und den Siegeswillen, auf der anderen Seite polarisiert er. Mit seiner Verbissenheit, mit seinem Ehrgeiz, der immer wieder auch in Undiszipliniertheiten mündete, mit seiner nicht immer lupenreinen Vergangenheit.

Selbst die Fans anderer Klubs respektieren Riberys Fähigkeiten im Dribbling, seinen Zug zum Tor, doch sie sehen ihn wegen seiner anderen Seite auch kritisch. Mindestens. Einige verachten ihn auch. Die Wahrnehmung Riberys ist damit ein Spiegelbild zur dichotomen Wahrnehmung des FC Bayern als Verein.

Unter anderem deswegen, weil er so polarisiert, ist der Franzose in München einer der großen Lieblinge.

Toni: Ribery spielt noch viele Jahre

Geht es nach dem einstigen Weggefährten Luca Toni, wird Ribery eben das noch eine Zeitlang sein. In der Bild sagte der Kultstürmer: "Ich spüre immer noch seinen Willen zu spielen, seine Liebe für den Fußball. Ich sehe Franck noch lange, lange auf dem Spielfeld, noch für viele Jahre."

Der Vertrag des Linksaußen läuft bis Sommer 2018. Eine weitere Verlängerung ist nicht ausgeschlossen. Dass er allerdings noch einmal zum Volk sprechen und "fünf Jahre mehr" ankündigen wird, ist dann doch eher unwahrscheinlich. Die Zeit des Umbruchs hat begonnen.

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