Auf die eleganteste Art, die möglich ist, vollendet Florian Niederlechner diesen Angriff.
Am linken Strafraumeck hat Jannik Haberer zu viel Platz. Kein Spieler des FC Schalke 04 weit und breit. Mit so viel Platz und Zeit weiß der Mittelfeldmann etwas anzufangen. Er steckt links in den Sechzehner auf Niederlechner durch.
Und der drischt das Ding aus schwierigem Winkel stilecht mit der Pieke auf den Kasten. Ralf Fährmann kommt noch dran, kann aber nicht verhindern, dass der Ball ins rechte obere Eck einschlägt. Die Nummer 7 bringt den Sportclub Freiburg gegen die Königsblauen in Führung.
Nicht einmal zehn Minuten später steht der 26-Jährige erneut im Mittelpunkt. Zuerst mit seinem Pass auf Maximilian Philipp. Nachdem dieser von Sead Kolasinac elfmeterreif gefoult worden ist, übernimmt Niederlechner Verantwortung, tritt zum Elfer an und setzt den Ball halblinks ins Netz.
Freiburg auf Kurs Europa
Mit seinem Doppelpack zum 2:0 entscheidet der Angreifer das wichtige Heimspiel gegen Schalke. Nach 32 Spieltagen steht der Sportclub plötzlich auf Rang fünf der Tabelle - und damit auf Kurs Europa League.
"Die Mannschaft hat für unsere Möglichkeiten ein besonderes Spiel gemacht", lobte Christian Streich sein Team nach der Partie: "Es war großartig für die Zuschauer und für uns auch."
Eine perfekte Woche
Für Niederlechner persönlich war der Auftritt im Schwarzwald-Stadion der perfekte Abschluss einer perfekten Woche.
Am Mittwoch hatten die Freiburger bekannt gegeben, den gebürtigen Oberbayer fest verpflichtet zu haben. Natürlich wie immer beim Sportclub ohne genauere Angaben über Vertragslaufzeit, Gehalt oder Ablöse. Nichts Genaues weiß man nicht. Gerüchtehalber überwies Freiburg allerdings etwa 2,3 Millionen Euro an den 1. FSV Mainz 05, Niederlechners bisherigen Arbeitgeber.
"Er hat in seiner bisherigen Zeit in Freiburg nicht nur durch Tore überzeugt, sondern sich in seinem ganzen Spiel verbessert. Er ist insgesamt zu einem wichtigen Spieler in unserer Offensive geworden", begründete Sportdirektor Klemens Hartenbach die feste Verpflichtung des Angreifers, um hinzuzufügen: "Wir sind uns sicher, dass Florian bei uns am richtigen Ort ist und er hier noch einen weiteren Schritt machen kann."
Ein wichtiger Baustein für die Freiburger Zukunft
Niederlechner ist ein wichtiger Baustein für die Freiburger Zukunft - und diese könnte nach den jüngsten Ergebnissen sogar in Europa liegen.
"Wir hatten jetzt zwei großartige Jahre - auch wenn sie noch nicht vorbei sind -, aber ich weiß, wie die Zyklen sind, ich bin lange genug dabei, um eine Signifikanz zu erkennen und die müssen wir durchbrechen", erläuterte Trainer Christian Streich die Schwierigkeit, den Kader in dieser erfolgreichen Zeit zusammen zu halten: "Wir stoßen jetzt an Grenzen."
Während wichtige Leistungsträger wie Vincenzo Grifo und Maximilian Philipp wegzubrechen drohen und mit ihnen viel offensive Qualität verloren ginge, war die feste Verpflichtung von Pascal Stenzel und eben Niederlechner deswegen ein umso wichtigeres Zeichen.
Freiburger Toptorjäger
Dass Letzterer tatsächlich ein wichtiger Faktor für Streichs Offensive ist, zeigen seine Einsatzzeiten: Niederlechner machte alle 32 Spiele, stand dabei 27 Mal in der Startelf.
Und die Ausbeute gibt dem Trainer Recht: Am Sonntag schnürte der Stürmer bereits seinen dritten Doppelpack in dieser Saison. In 48 Pflichtspielen für die Breisgauer erzielte Niederlechner nun 20 Tore, mit elf Saisontreffern ist er sogar vor Nils Petersen der vereinsinterne Toptorjäger. Nur Uwe Spieß gelangen im Trikot des SC in der Saison 1994/95 mehr Treffer (13, Max Kruse erzielte 2012/2013 ebenfalls elf).
Streich: "Er muss sich unbedingt weiter stabilisieren"
Neben seiner steigenden Abgeklärtheit erweiterte der 26-Jährige unter Streich auch sein Spiel um einige Facetten. Seine Ballkontrolle hat sich verbessert und er bringt seine technischen Fähigkeiten zusätzlich zu seiner Einstellung und Leidenschaft häufiger auf den Rasen.
Zuletzt brachte ihn Streich beim 2:1 gegen Bayer Leverkusen auch als Neuneinhalb neben Nils Petersen. Ein Job, den Niederlechner stark ausfüllte und so sein erweitertes Repertoire unter Beweis stellte.
Nichtsdestotrotz sieht Streich bei seinem Schützling noch Luft nach oben: "Er hat viele Dinge angenommen, aber er muss sich unbedingt weiter stabilisieren und sehr hart an sich arbeiten."
Zweikampfquote, Passgenauigkeit, Konstanz
Steigerungspotential hat Niederlechner vor allem noch bei der Zweikampfquote (38,5 Prozent) und bei der Passgenauigkeit (67,5 Prozent). Darüber hinaus ist es vor allem die von Streich angesprochene Konstanz, die der Angreifer für den nächsten Schritt braucht.
Mit dieser Eigenschaft ist der 26-Jährige allerdings auch ein Spiegelbild der Freiburger Formkurve. Siegen mit überzeugenden Leistungen standen zuletzt immer wieder Debakel gegenüber. Die letzten Ergebnisse sprechen eine klare Sprache: 2:5, 1:0, 1:0, 0:4, 2:1, 0:3, 2:0.
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Doch die vielen knappen Siege hieven die Freiburger trotz der teilweise heftigen Niederlagen auf Platz fünf - mit einer für diesen Rang bizarren Tordifferenz von Minus 15.
Bei nur noch zwei ausstehenden Spielen ist das Wort Europa für Streich jedenfalls nicht mehr tabu: "Wir sind dank der tollen Leistung nun einen großen Schritt näher. Klar, dass wir das jetzt auch ins Ziel bringen wollen. Wir brauchen noch einen Heimsieg gegen Ingolstadt und dann haben wir das große Finale zur Meisterfeier in München. Wir haben eine gute Ausgangsposition und sind so selbstbewusst, dass wir das schaffen können."
Ein Florian Niederlechner in bester Verfassung wäre ein Argument dafür, warum der Sportclub erstmals seit 2013 wieder in den Europapokal einziehen könnte.