Sebastian Polter im Interview: "Der VfL Bochum und ich: Das sind Topf und Deckel"

Von Stefan Rommel
Sebastian Polter steht in dieser Saison schon bei elf Scorerpunkten für den VfL Bochum
© getty
Cookie-Einstellungen

Wobei der Start in die Saison eher schwierig war, mit dem Tiefpunkt beim 0:7 in München. Was ist danach passiert?

Polter: Eigentlich ist davor schon etwas passiert. Es gibt jedenfalls nicht dieses eine Erweckungserlebnis oder die große Kehrtwende in unserer Saison. Ich habe das vielmehr als Prozess erlebt, der schon vor dem München-Spiel im Gange war. Wir haben viele Spieler im Kader, die schon in der Zweitliga-Saison dabei waren. Viele davon hatten zwar genug Erfahrung, aber eben noch nicht in der Bundesliga. Den Aufstiegs-Flow mit diesen Anpassungen an neue Herausforderungen zu verknüpfen: Das war die Schwierigkeit in den ersten Wochen. Damals gab es auch noch eine Länderspielpause, die wir hervorragend nutzen konnten. Dann wussten wir als Mannschaft, was genau wir auf den Platz bringen müssen, um in der Bundesliga zu bestehen. In der Phase haben wir herausgefunden, wie wir in der Liga punkten können, das war im Rückblick enorm wichtig.

Polter glaubt an erneuten Klassenerhalt

Steht der VfL Bochum aktuell besser da, als er eigentlich ist?

Polter: Das würde ich so nicht sagen, jeder Punkt war hart erarbeitet. Aber: Ich denke schon, dass das zweite Bundesligajahr schwieriger wird als das erste. Die Euphorie, die uns zuletzt getragen hat, könnte weniger werden. Die anderen Mannschaften haben sich besser auf die eigene Spielweise eingestellt. Die Widerstände werden kommen und sie werden womöglich noch größer werden. Aber wir haben eine sehr lernwillige Mannschaft mit sehr starken Charakteren, die eine gewisse Haltung jeden Tag vorleben. Und wir kommunizieren offen und ehrlich miteinander. Deshalb glaube ich schon, dass wir eine gute Rolle spielen könnten im Kampf um den Klassenerhalt. Denn um etwas anderes würde es auch dann nicht gehen.

Sie spielen in Deutschland, haben in England und Holland gespielt mit einem ziemlich unverwechselbaren Spielstil: Sehr robust, körperbetont, kantig, auch unbequem für den Gegner. Hätten Sie sich in einer sehr technisch anspruchsvollen Liga wie in Spanien oder in einer von der Taktik geprägten wie in Italien auch vorstellen können?

Polter: Definitiv. Jede Mannschaft, egal in welcher Liga, benötigt unterschiedliche Spielertypen. Ich bin vielleicht nicht der beste Techniker, so definiere ich mich auch gar nicht. Aber ich habe einen technisch sehr feinen Abschluss habe und ein sehr gutes Kopfballspiel. Auch das sind Techniken, die zum Fußball gehören. Selbst in Barcelona, bei Real, bei Milan oder Juventus gab und gibt es Spielertypen wie mich.

Sie sind mit 15 Jahren von zu Hause ausgezogen und nach Braunschweig ins Internat gegangen. Wie schwer fiel die Umstellung als Teenager in einer völlig fremden Umgebung?

Polter: Das war schon hart. Meine Mutter wollte nicht, dass ich gehe. Mein Vater wollte, dass ich meinen Traum versuche zu verwirklichen. Beiden war wichtig, dass ich in eine vernünftige Umgebung komme, wenn ich schon nicht mehr bei ihnen sein kann. Ich war mit zwei 19-Jährigen in einer WG, jeden Tag kam ein Betreuer vorbei, der uns Essen gebracht hat. Wir mussten aber selbst Wäsche waschen, putzen, einkaufen, auch mal kochen, wenn man dann noch Hunger hatte. Ich musste mich an ein "normales" Leben in einem eigenen Haushalt gewöhnen und das war im Nachhinein sehr gut für meinen Reifeprozess - für meine Eltern blieb das alles aber immer sehr schwierig. Deshalb bin ich sehr stolz auf sie, dass sie es mir trotzdem ermöglicht haben.

Sebastian Polter steht in dieser Saison schon bei elf Scorerpunkten für den VfL Bochum
© getty
Sebastian Polter steht in dieser Saison schon bei elf Scorerpunkten für den VfL Bochum

Polter: "Möchte noch drei, vier, fünf Jahre spielen"

Sie sind jetzt 31 Jahre alt. Wie soll es nach der aktiven Karriere weitergehen?

Polter: Ich möchte auf jeden Fall noch drei, vier, fünf Jahre spielen. Aber ich bin jetzt auch schon in einer Phase, in der ich alles auf die Zeit danach vorbereite. Ich möchte im Fußball bleiben, meine Trainerlizenzen machen. Vielleicht kann ich Spielern im Jugendbereich mein Wissen und meine Erfahrung weitergeben, vielleicht Co-Trainer oder Chef-Trainer werden. Aber auch das wird ein langer Weg, den man sauber vorbereiten und auf dem man jede Menge lernen muss. Es kann sein, dass man zunächst im Amateurfußball damit anfangen muss und sich dann nach oben arbeitet.

Davor gilt es die nähere Zukunft zu regeln. Sie haben in Bochum noch einen Vertrag bis Sommer 2023.

Polter: Ich bin aber nicht mehr in einem Alter, in dem der Klub jede Woche mit mir sprechen muss. Wir konzentrieren uns jetzt erstmal auf den Klassenerhalt. Und wenn es dann in Richtung Ende der Vertragslaufzeit geht, wird der Klub schon auf mich zukommen. Ich möchte Bundesliga spielen, am liebsten mit dem VfL Bochum. Deshalb kann ich mir sehr gut vorstellen, hier zu bleiben.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema