Trotz Wirtz und Musiala: Warum dem DFB ein Talente-Problem droht

Von Johannes Ohr
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Deutscher Nachwuchs hinkt im Vergleich hinterher

Doch warum das Ganze? Ist der eigene Nachwuchs nicht gut genug?

"Ohne diese einzelnen, herausragenden Spieler, wie jetzt Jamie, oder früher Jadon Sancho und Giovanni Reyna, die wir über das Toptalente-Scouting holen, haben wir international keine Chance", erklärte BVB-U19-Coach Mike Tullberg zuletzt gegenüber SPOX und GOAL.

"Frankreich, Spanien und England laufen uns im Jugendbereich immer mehr den Rang ab", legt ein Insider im Gespräch mit SPOX und GOAL nun nach. Das zeigt auch ein Blick auf die Statistik.

Seit 2011 wurde Spanien drei Mal U21-Europameister, ein Mal U17-Europameister und gleich vier Mal U19-Europameister. Die Niederlande holten im selben Zeitraum vier EM-Titel mit der U17, Frankreich jeweils einen mit der U17 und der U19, wurde 2018 dazu Weltmeister mit den Profis um Jungstar Kylian Mbappe.

England gewann mit den Junioren zwar nur einen U19-Titel, verfügt dafür aber mittlerweile über ein schier unerschöpfliches Reservoir an Top-Talenten. Täuschen die beiden deutschen EM-Titel mit der U21 also über vieles hinweg? Der letzte EM-Titel mit der U17 ist immerhin schon 13 Jahre her ...

Lothar Matthäus: "Wir machen uns oft schlechter"

Matthäus sieht den deutschen Nachwuchs trotz der Bilanz nicht so schwach aufgestellt: "Wir machen uns oft schlechter, als wir sind. Musiala hat sich ja glücklicherweise für die Nationalmannschaft entschieden, auch Wirtz und Moukoko spielen für Deutschland. Drei Deutsche bei der Wahl unter den ersten Acht - das hört sich nicht so schlecht an."

Bayern München und auch andere Vereine würden im Nachwuchsbereich gut arbeiten, im internationalen Vergleich könne man auch nicht immer top sein. "Dass man mal überholt wird passiert nicht nur uns, sondern allen anderen Ländern auch", macht sich Matthäus keine Sorgen.

Und trotzdem geht der Trend klar zu mehr Top-Talenten aus dem Ausland - mit der Folge, dass Spielanteile für deutsche Nachwuchskräfte angesichts der gestiegenen Konkurrenz schwieriger erreichen zu sein werden.

"Man schaut sich international um. Wenn man überzeugt ist von einem jungen Spieler und man hat eine Möglichkeit ihn zu holen, dann finde ich das nicht falsch", sagt Matthäus über die Entwicklung. "Messi wurde auch mit 11 Jahren von Barcelona geholt, weil man eben sein Talent erkannt hat. Man braucht Weitsicht. Und wenn man dann ein entsprechendes Scouting hat - und das haben heute die großen Vereine - finde ich es nicht verkehrt, in Absprache mit den Eltern einen 14- oder 15-Jährigen von etwas weiter her beispielsweise nach München zu holen. Das machen englische Vereine auch. Ich finde es nicht verwerflich, wenn man die Fühler auch ins Ausland ausstreckt."

Doch es gibt nur nur sportliche Gründe dafür, Talente aus dem Ausland zu holen. Auch wirtschaftliche Überlegungen spielen eine Rolle. Matthäus: "Natürlich kommen viele Nachwuchsspieler nach Deutschland, das Alter für einen Wechsel ist in der Hinsicht gesunken. Denn wenn diese Jungs 18 sind, ist es oft zu spät und so, dass man sie vielleicht gar nicht mehr bezahlen kann. Deswegen ist es richtig, dass man sich im Scouting auch dahingehend gut aufstellt."

Nach Informationen von SPOX und GOAL kann sich ein finanzielles Gesamtpaket für einen 15-Jährigen schon mal auf bis zu 900.000 Euro anhäufen - für die Top-Vereine aber immer noch Peanuts im Vergleich zu den Ablösesummen, die nach einem Profi-Debüt aufgerufen würden.

Matthäus: "Mit dem Campus hat der DFB ein Zeichen gesetzt"

Sportlich und wirtschaftlich spricht viel für die Transfer-Offensive im Junioren-Bereich. Wie also den deutschen Nachwuchs stärken? Matthäus setzt auf zwei Dinge: den sportlichen Wettbewerb und den DFB.

Bei seinem Wechsel 1988 zu Inter Mailand war der Mittelfeldspieler zwar schon reife 27 Jahre alt, entscheidend weitergebracht habe ihn der Schritt in die damals wohl beste Liga der Welt aber trotzdem. Frei nach dem Motto: Konkurrenz belebt das Geschäft.

"Wenn du dich mit den Besten messen kannst, profitierst du auch davon. Das war bei mir in Italien auch der Fall und hat mich vielleicht dann auch zu einem Spieler gemacht, der den Unterschied ausmachen kann", erinnert sich Matthäus. "Ich glaube, dass das bei Bayern auf diesem Niveau damals nicht möglich gewesen wäre. Da hätten wir in der Bundesliga viele Spiele mit halber Kraft entscheiden können. In Italien musstest du stattdessen jedes Wochenende Vollgas geben. Das ist uns zugute gekommen. Zwei Jahre später ist Deutschland mit sechs italienischen Legionären Weltmeister geworden. Ich glaube, davon hat dann auch der deutsche Fußball profitiert."

Die nächste Weltmeister-Generation soll künftig auch in Frankfurt ausgebildet werden. Dort lässt der DFB auf 49.365 Quadratmeter Gebäudefläche aktuell den neuen Campus errichten. Kostenpunkt: 150 Millionen Euro.

Matthäus hofft darauf, dass das Projekt entscheidend zur Zukunft des deutschen Fußballs und Nachwuchses beiträgt: "Es hat im Juniorenbereich schon schlechtere Zeiten gegeben. Gerade unsere U21 hat uns in den letzten sechs bis acht Jahren Freude bereitet. Natürlich, in den jüngeren Jahrgängen stockt es manchmal. Aber mit dem neuen Campus hat man ein Zeichen gesetzt. Ich hoffe, dass das, was da an Geld und Fachwissen investiert wurde, so einfließt, dass wir auch in den anderen U-Nationalmannschaften große Erfolge feiern können."

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