Bo Svensson vom 1. FSV Mainz 05 im Interview: "Mein Eindruck von Deutschland war nicht gerade rosig"

Bo Svensson ist seit Anfang 2021 Cheftrainer beim 1. FSV Mainz 05.
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Bedauern Sie es, dass Sie nie mal wirklich komplett raus aus dem Geschäft waren?

Svensson: Nein. Ich bin ja ein selbständiger Mensch und trage die Verantwortung für meine Entscheidungen. Als ich zu diesem Weg Ja gesagt habe, war mir natürlich klar, was an positiven wie negativen Dingen mit allen Konsequenzen auf mich zukommen würde. Natürlich ist es nicht schön, meine Kinder am Wochenende nur selten sehen zu können oder dass die Medien einen nach drei Siegen sofort in den Himmel schießen, nur um einen nach drei Niederlagen wieder ganz unten einzuordnen. Man kann es sich im Fußball aber nicht so basteln, dass einem alles passt. Ich bin diesbezüglich auch klarer geworden mit dem Alter.

Ist die Sache mit den Medien in Ihren Augen mittlerweile extremer geworden?

Svensson: Nein, im Grunde nicht. Es gibt aber heute mehr Medien und einen verstärkten Konkurrenzkampf unter ihnen. Das Tempo ist noch höher geworden, weil man sich offenbar gegenseitig überbieten muss. Es gibt ja nur noch Katastrophe oder Riesenerfolg. Alles dazwischen wird nicht geklickt oder gelesen.

Bo Svensson während seiner Zeit als Trainer des FC Liefering.
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Bo Svensson während seiner Zeit als Trainer des FC Liefering.

Wie gehen Sie es heute als Trainer damit um, dass Ihre Arbeit vor allem durch das Ergebnis am Wochenende bewertet wird und der Rest quasi unsichtbar ist?

Svensson: Der Einblick der Öffentlichkeit ist meist nur ein sehr minimaler Ausschnitt des Gesamtbilds. Wie soll sie das also anders bewerten? Die Grundlage für sie ist jeweils das Spiel plus ein paar Interviews. Dass der Job sehr viel komplexer und vielfältiger ist, kommt medial deutlich zu kurz. Das ist einfach so. Für mich ist es gerade das Schöne an diesem Beruf, dass ich eigentlich nie genau sagen kann, was mich erwartet, wenn ich täglich zur Arbeit fahre.

Was Sie nach Ihrem Karriereende erwartet, war Ihnen lange Zeit auch nicht ganz klar. Es hieß, Sie wollten eigentlich zurück nach Dänemark. Wie passierte es, dass dies doch nicht eintrat?

Svensson: Ich war mir zunächst nicht sicher, ob ich weiter im Fußball-Geschäft arbeiten möchte, habe überlegt, noch eine Weile zu spielen oder etwas ganz anderes zu machen. Ich war einfach noch unentschlossen. Mitten in diese Phase hinein entschied Mainz dann, Kasper Hjulmand als neuen Trainer zu verpflichten. Da Christian Heidel mit mir zuvor schon darüber sprach, ob ich nicht Trainer werden möchte und ich dazu Kaspers Co-Trainer gut kannte, haben wir uns zusammengesetzt und miteinander gesprochen. Im Verlauf der Gespräche wurde mir klar, dass es eigentlich ganz interessant wäre, es zumindest einmal auszuprobieren und hineinzuschnuppern, wie das Trainer-Leben so ist. Zumal der Einstieg auf diese Weise leichter ist, als wenn ich erst drei Jahre nach dem Karriereende gesagt hätte: Ach, ich werde jetzt doch mal Trainer.

Stimmt es, dass Sie vor Ihrer Zeit als Profi ein Literaturstudium begonnen hatten?

Svensson: Ja, allerdings nur ein Jahr lang. Das hat mir viel Spaß gemacht, aber ich erhielt dann einen Profivertrag und habe die Bücher wieder weggelegt. (lacht) Ich habe als Teenager sehr viel gelesen, von Biographien bis hin zu den großen Autoren, das fand ich immer interessant. Heute lese ich nicht mehr in dem Umfang. Ich bin ziemlich früh Vater geworden und mit mittlerweile drei Kindern kann man am Abend auch ohne Buch ganz gut entspannen.

Nachdem Sie unter Hjulmand schnell in den Trainerstab integriert wurden, trainierten Sie schon eine Saison später die Mainzer U16 und übernahmen ein halbes Jahr danach die U17. Was trug dazu bei, dass Sie dieser Job auf einmal so faszinierte?

Svensson: Es war für mich enorm spannend zu sehen, was ich jungen Menschen individuell beibringen konnte und was man als Gruppe zu leisten imstande ist. Ich habe gespürt, was es mir als Mensch und Führungsperson alles gegeben hat, diese Situationen erlebt zu haben und eine Vielzahl an Entscheidungen treffen zu müssen. Dadurch habe ich viel über mich selbst gelernt. Es war mehr für mich als nur die Liebe zum Fußball. Diese Interaktionen mit einer Gruppe waren und sind immer noch der Grundstein, warum ich den Trainerjob genieße. Als Spieler hätte ich nicht gedacht, dass es diesen Effekt auf mich haben würde.

Weil man als Spieler den Trainerberuf auch unterschätzt?

Svensson: Ja, ich glaube schon. Vielleicht ist es sogar besser so. (lacht) Als Spieler hat man keine Vorstellung vom Arbeitsumfang eines Trainers. Die inhaltliche Arbeit auf dem Platz ist ja nur ein kleiner Bruchteil dessen, was alles zu tun ist.

2017 wurden Sie schließlich U19-Coach, ehe Sie zwei Spielzeiten später den FSV nach vier Jahren als Jugendtrainer in Richtung Österreich verließen und zum Salzburger Farmteam FC Liefering gingen. Was hatte sich nach zwölf Jahren in Mainz denn konkret abgenutzt?

Svensson: Ich habe in mir drin gespürt, dass der Punkt erreicht war, an dem ich den nächsten Reiz gebraucht habe. Die Arbeit soll ja keine Routine werden. Ich hatte bei der U19 eine sehr gute Zeit, aber dann das Gefühl, dass ich mich in einem dritten Jahr nicht mehr im erforderlichen Maße weiterentwickeln würde, um weiterhin der bestmögliche Trainer zu sein.

War es dann Ihr erklärtes Ziel, erstmals eine Senioren-Mannschaft zu übernehmen?

Svensson: Nein. Einen Karriereplan gibt es bei mir ohnehin nicht. Mir war nur klar, dass ich bei der U19 nicht mehr weitermachen wollte. Es gibt dann in Mainz noch zwei Jobs, die nach der U19 kommen. Das ging so ein bisschen hin und her, ich hatte aber auch ein paar externe Angebote vorliegen. Liefering empfand ich als total interessantes Projekt und nach sehr guten Gesprächen war mir schnell klar, dass das sehr gut zu mir passen würde - auch wenn es für meine Familiensituation nicht optimal war.

Ihre Familie lebte in Ihren eineinhalb Jahren in Liefering weiterhin in Mainz.

Svensson: Ich habe meine Familie nur einen Tag pro Woche gesehen - zuvor hatte ich sie immer um mich. Ich habe dann viel Zeit im Auto verbracht und bin hin- und hergefahren. Dort hat man auch die Zeit, um darüber nachzudenken: Habe ich wirklich drei Kinder in die Welt gesetzt, um nur 24 Stunden pro Woche mit ihnen zu verbringen? Es gab bestimmt mal Tage, an denen ich mich fragte, ob sich das alles auch lohnt. Es war aber kein grundlegender Gedanke oder das Gefühl in mir, deshalb in Liefering vorzeitig aufzugeben. Ich musste als Mensch einfach Lösungen finden. Genau das bringt einen auch weiter.

Bo Svensson während seiner Zeit als Spieler des FC Kopenhagen.
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Bo Svensson während seiner Zeit als Spieler des FC Kopenhagen.

Wie schwierig war es für Sie als Trainer an einem neuen und gänzlich unbekannten Ort, um sich zurechtzufinden?

Svensson: Es hat gedauert, aber es war genau die Herausforderung, die ich auch als Mensch gebraucht habe. Ich hatte keinen Bonus, weil ich Bo Svensson heiße und ehemaliger Spieler war. Ich hatte mit anderen Menschen zu tun, musste mich neu sortieren und mir alles erst einmal erarbeiten. Es hat nicht alles auf Anhieb funktioniert. Dazu kam die Distanz zur Familie. Doch all diese Herausforderungen, die sich eben nicht nur auf das Erlernen einer neuen Idee von Fußball beschränkten, waren im größeren Gesamtbild gesehen sehr gut und wichtig für mich.

Bald sind Sie wieder ein Jahr zurück in Mainz und mit der Familie vereint. Ist die Stadt mittlerweile Ihre Heimat geworden?

Svensson: Es gibt für mich nur eine Heimat und das ist Dänemark. Dort bin ich aufgewachsen, dort sind alle anderen Familienmitglieder und meine engsten Freunde. Für mich ist klar, dass ich eines Tages wieder dort leben werde.

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