BVB - Marco Rose und seine ersten 100 Tage als Trainer von Borussia Dortmund: Gut, aber kompliziert

Seit Sommer 2021 ist Marco Rose Trainer beim BVB.
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Seit dreieinhalb Monaten ist Marco Rose Trainer von Borussia Dortmund. Der 45-Jährige muss seitdem permanent improvisieren und aus Nöten Tugenden machen. Das gelingt bislang gut - der BVB ist unter Rose voll auf Kurs.

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Am vergangenen Freitag war der 100. Arbeitstag von Marco Rose als Trainer von Borussia Dortmund. Er fiel in eine Phase, die sinnbildlich für Roses bisherige Zeit bei den Westfalen ist: Es konnte zwar trainiert werden, doch längst nicht so, wie man es sich als Coach vorstellt.

Das lag diesmal natürlich an den zahlreichen Nationalmannschaftsabstellungen. Da bleiben dann kaum noch Profis übrig, die Trainingstruppe muss mit jungen Talenten aufgefüllt werden. Und dann gibt es noch einige, die Profis sind, aber nicht für ihr Land eingesetzt werden - weil sie verletzt sind.

Seit Rose im Juli seine Arbeit beim BVB aufnahm, ist es kompliziert. Der 45-Jährige muss permanent improvisieren, weil zahlreiche potentielle Stammkräfte zunächst noch im Urlaub weilten oder seitdem immer wieder ausfallen.

Unter ähnlich schweren Bedingungen arbeiten freilich auch einige andere Klubs in der Bundesliga. Daher ist es angenehm zu sehen, dass sich Rose nicht übermäßig beklagt - auch wenn er aufgrund der steten Blessuren seiner Spieler allen Grund dazu hätte. Der Beginn der englischen Wochen erschwert es dazu, effektiv auf dem Trainingsplatz zu arbeiten. "Nerven tut das nicht", sagt Rose. "Natürlich hast du als Trainer gern volle Kapelle, um Konkurrenzkampf zu schüren und die besten Elf auf dem Platz zu haben. Es ist manchmal einfach so, du hast solche Phasen. Da müssen wir jetzt durch, ohne zu jammern - und da gehen wir auch durch."

BVB-Trainer Marco Rose mit guter Zwischenbilanz in Dortmund

So muss Rose weiterhin auf den ominösen Zeitpunkt X warten, an dem idealerweise der Großteil seiner Spieler den körperlichen Rückstand aufgeholt hat und fit und gesund ist. Denn eine echte Stammformation konnte sich noch gar nicht herausbilden, der Trainer war bis dato meist mit dem Zuschütten personeller Baustellen beschäftigt.

Unter diesen Bedingungen ist Roses Zwischenbilanz bei der Borussia überaus gut. Seine Spielprinzipien hat er trotz unterschiedlicher Personalkonstellationen längst implementiert, sie sind in jeder Partie auf Anhieb sichtbar geworden. Dortmund ist jetzt der Rose-BVB und unterscheidet sich fundamental vom BVB unter Lucien Favre.

Beim Schweizer herrschte das Diktat der Spielkontrolle, das dann von Interimscoach Edin Terzic erfolgreich über Bord geworfen wurde. Rose verlängerte gewissermaßen Terzics Vorarbeit. Bei seiner Vorstellung sprach der Ex-Gladbacher von "Arbeiterfußball": Nun spielt Dortmund riskanter, intensiver, auch emotionaler. Es ist eine Herangehensweise, der den Spielertypen im Kader besser entspricht.

Marco Rose machte beim BVB aus Nöten Tugenden

Augenscheinlich ist dabei das Gegenpressing, das Rose hoch im Feld postiert spielen lässt. Zuletzt funktionierte das schon sehr gut, der entsprechende Impuls bei Ballverlust überträgt sich immer besser auf die gesamte Mannschaft, die eine Lust auf Zweikämpfe ausstrahlt. "Das ist etwas, was wir in der letzten oder vorletzten Saison nicht hatten", sagte Axel Witsel. "Das bringt nun der Trainer ein und ich finde, das ist richtig. Es ist immer besser, den Ball sofort zurück zu gewinnen, wenn man ihn verloren hat und nicht 40, 50 oder 60 Meter zurück zu rennen."

Ist der Ball erobert, bricht sich das enorme Potential der Offensivspieler Bann. Das temporeiche Umschaltspiel, die Variabilität im vorderen Bereich und die Torgefährlichkeit der Akteure sind zwar auch schlicht dem außerordentlichen Talent der Spieler geschuldet, mündeten dank Roses Ansatz aber bereits in das eine oder andere Spektakel - so soll der "Arbeiterfußball" idealerweise aussehen.

Ebenfalls Roses Verdienst ist es, dass er aus Nöten ziemlich ordentliche Tugenden gemacht hat. Das betrifft einzelne Spieler, Sorgenkinder wie Thomas Meunier, Nico Schulz, Marius Wolf und auch Julian Brandt sind derzeit deutlich besser in der Spur als noch im Vorjahr.

An den Schwächen in der Defensive muss Marco Rose bei Borussia Dortmund noch arbeiten.
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An den Schwächen in der Defensive muss Marco Rose bei Borussia Dortmund noch arbeiten.

Systematische Flexibilität und gute Stimmung unter Rose

Auch taktisch zauberte Rose bereits erfolgreich, indem er angesichts der Personalprobleme von seiner eigentlich bevorzugten 4-4-2-Rautenformation auf andere Grundordnungen auswich. Unter ihm agierte der BVB schon in einem 4-2-3-1, auch ein 4-3-3 sowie eine Dreierkette kamen bereits zum Einsatz. Der Wechsel der Formationen auch während eines Spiels stellte bislang keinen auffälligen Bruch und Substanzverlust dar.

Hört man sich in Dortmund bei Menschen um, die nah an der Mannschaft und ihrem Alltag sind, wird Rose im zwischenmenschlichen Bereich ein durchweg positives Zeugnis ausgestellt. Die Stimmung ist gut und es wird sehr positiv betrachtet, dass der Trainer das Team immer wieder mit ins Boot holt, um innerhalb seiner inhaltlich vorgegebenen Leitplanken Meinungen auszutauschen.

Dass Rose zugleich autoritär und deutlich in seinen Ansagen sein kann, schärfte sein Profil gegenüber der in Teilen sehr jungen Truppe zusätzlich. Dies war auch schon öffentlich zu beobachten, beispielsweise bei Roses klarem Appell an Neuzugang Donyell Malen ("Er muss besser gegen den Ball werden").

BVB und die erschwerte Suche nach der Balance

Noch nicht wirklich angekommen sind dagegen seine Ausführungen zum Thema Defensivstandards. Damit hat der BVB fast schon traditionell zu kämpfen. Training und Videostudium halfen bislang nicht, sechs der 13 Gegentore kassierte Dortmund nach ruhenden Bällen - einzig Wolfsburg ist prozentual schlechter.

Ohnehin gibt es nur drei Vereine, die sich mehr Treffer einfingen. Erst zweimal stand beim BVB die Null, einige Male gerieten dadurch souveräne Partien ins Wanken. "Wenn ich jetzt jede Woche Zinnober machen würde, dann würden wir eine negative Grundstimmung reinkriegen, die es gar nicht braucht", sagte Rose.

Konter abzusichern, die Abstände zwischen Mittelfeld und Abwehr nicht zu groß werden zu lassen - auch in diesen Bereichen hat Rose noch viel Arbeit vor sich. Die Suche nach einer ausgewogenen Balance zwischen Defensive und Offensive wird auch aktuell weiterhin von der Verletzungsmisere torpediert, ohne Zweifel aber über einen erfolgreichen Saisonverlauf entscheiden.

"Mit der Situation herausragend gut umgegangen"

Mit acht Siegen aus elf Pflichtspielen, einer makellosen Bilanz in der Champions League und nur einem Punkt Rückstand auf die Tabellenspitze der Bundesliga ist die Borussia unter Rose voll auf Kurs. "Er ist mit der Situation herausragend gut umgegangen, er hat sich nie beschwert, war kreativ und hat immer nach Lösungen gesucht", sagte Lizenzspielerchef Sebastian Kehl den Ruhr Nachrichten.

Der neue Coach hat bereits viele Entwicklungen angestoßen, die in die richtige Richtung laufen und sich unter weniger widrigen Bedingungen schnell noch positiver auf die Konstanz der Mannschaft auswirken könnten. Beim BVB ist die Hoffnung groß, dass dies in den nächsten 100 Tagen von Roses Amtszeit sichtbar wird.

BVB: Der Spielplan von Borussia Dortmund im Oktober

DatumAnpfiffWettbewerbGegnerOrt
16.10.15.30 UhrBundesligaMainz 05Mainz
19.10.21 UhrChampions LeagueAjax AmsterdamAmsterdam
23.10.15.30 UhrBundesligaArminia BielefeldBielefeld
26.10.20 UhrDFB-PokalFC IngolstadtDortmund
30.10.15.30 UhrBundesliga1. FC KölnDortmund