BVB - Ex-Dortmund-Talent Dario Scuderi im Interview: "Ich würde sofort wieder den Sprint in Warschau anziehen"

Dario Scuderi verletzte sich bei einem Youth-League-Spiel der U19 des BVB schwer.
© IMAGO / Newspix
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Erst kurz vor Saisonende am 8. Mai 2019, bei einem 3:0 beim Wuppertaler SV, standen Sie erstmals seit 967 Tagen wieder in einem Spieltagskader. Auch in den beiden finalen Saisonpartien waren Sie dabei, haben aber keine Minute gespielt. Wieso nicht?

Scuderi: Die Frage habe ich mir auch gestellt, die Antwort kenne ich bis heute nicht. (lacht) Ich habe schon gehofft, dass ich ein paar Minuten bekomme. Ich denke, man wollte einfach das Risiko einer weiteren Verletzung so gut es geht minimieren.

Ihr Vertrag bei der zweiten Mannschaft lief kurz darauf aus - und Sie beendeten Ihre Karriere. Wie kam die Entscheidung zustande?

Scuderi: Es stand fest, dass der Vertrag nicht verlängert wird, da man mir mit meiner Vorgeschichte keinen festen Platz in der U23 garantieren konnte. Ich erhielt noch Angebote aus der Regionalliga, aber das entsprach nicht meiner Ambition. Ich habe mein ganzes Leben dafür gekämpft, um in die Bundesliga oder die 2. Liga zu kommen. Der BVB machte mir dann das Angebot, als Trainer in der Fußballakademie anzufangen. Das erschien mir zukunftssicherer als eine ungewisse Situation in Liga 4. Ich wollte den BVB ohnehin nie verlassen und so konnte ich bei meinem Herzensklub bleiben.

Nachdem Sie diese Offerte angenommen hatten, unterschrieben Sie dennoch kurz darauf beim FC Iserlohn 46/49 in Ihrer Heimatstadt.

Scuderi: Genau. Ich habe in Dortmund als Trainer gearbeitet, wollte aber trotzdem nebenbei noch ein wenig kicken. In Iserlohn kannte man mich, ich hatte auch richtig Bock darauf und fühlte mich gut.

Am 18. August 2019 absolvierten Sie dann Ihr erstes Spiel für Iserlohn und gleichzeitig auch Ihr letztes überhaupt: 45 Minuten gegen DJK TuS Hordel. In der Woche darauf standen Sie noch im Kader, anschließend aber nicht mehr. Wie kam's?

Scuderi: Es stellte sich schnell heraus, dass sich der Job beim BVB und die drei wöchentlichen Trainingseinheiten in Iserlohn nicht vereinbaren lassen. Diese 45 Minuten waren super, ein tolles Gefühl. Ich weiß auch nicht, warum mich der Trainer zur Pause ausgewechselt hat. Das hätte es eigentlich nicht gebraucht. (lacht)

Was beinhaltete denn die Ausbildung zum Trainer in der BVB-Fußballschule genau?

Scuderi: Mir wurde in Aussicht gestellt, dass ich die Trainerlizenzen machen und natürlich ständig dazulernen kann. Ich habe mittlerweile auch die B-Lizenz erworben und zudem an der IST-Hochschule in Düsseldorf eine sechsmonatige Weiterbildung zu den Themen Spielanalyse und Scouting absolviert, die ich jeweils mit 1,0 abschloss. Nun folgt die Elite-Jugend-Lizenz, aber das ist aufgrund von Corona derzeit nicht möglich.

Die Fußballschule hält Ferienprogramme und Sichtungstrainings ab, insgesamt sind 20 hauptamtliche Trainer bundesweit und international unterwegs. Wie verlief Ihr Start?

Scuderi: Anfangs wusste ich nicht, ob mir das alles Spaß machen würde. Es ist auch Wahnsinn zu merken, wie intensiv der Trainerberuf schon auf dieser Ebene ist. Man trägt sehr viel Verantwortung. Als ich aber mein erstes Training leitete, war das richtig geil. Es ist toll zu sehen, wenn man diesen talentierten Kindern etwas beibringen kann.

Wie intensiv sieht denn Ihr Alltag aus?

Scuderi: Man ist schon täglich durchgehend beschäftigt. Diese meist neun- bis elfjährigen Spieler, die bei den Ferienkursen positiv auffallen, werden zum Sichtungstraining eingeladen. Die besten davon dürfen dann ein- bis zweimal die Woche in der Akademie trainieren, weil man in ihnen das Potential sieht, für das NLZ in Frage zu kommen. Seit dem ersten Lockdown fand allerdings kein Training mehr statt. Daher steht nun viel Austausch und Theorie zu Spiel- und Trainingsformen auf dem Programm.

Wie geht es Ihrem Knie heutzutage?

Scuderi: Super, ich habe keinerlei Probleme, aber eine Narbe von 115 Stichen. Ich kann auch ab und zu beim Training mitspielen und den Kindern zeigen, wie man richtig kickt. Ich kann normal gehen, aber bekomme meinen Fuß nicht richtig angehoben. Es hieß, der Nerv erholt sich von selbst wieder, aber es bleibt ungewiss, wie lange das dauert und ob das überhaupt geschieht.

Wie präsent ist Ihnen der Vorfall in Warschau jetzt, über vier Jahre später, noch?

Scuderi: Wenn ich meine ehemalige Mitspieler in den Top-Wettbewerben sehe, denke ich manchmal schon: Mensch, mit denen warst du mal auf einem Niveau und jetzt sitze ich hier vor dem Fernseher. Vielleicht ist alles auch einfach Schicksal, vielleicht sollte ich so früh Trainer werden.

Sie können sich sicherlich nicht vorwerfen, nicht alles probiert zu haben. War es das wert?

Scuderi: Auf jeden Fall. Ich würde alles noch einmal genauso machen. Ich würde auch sofort wieder den Sprint in Warschau anziehen, damit wir kein Tor kassieren. Diese gesamte elende Zeit der Verletzung hat mich als Mensch reifen lassen, gerade was Disziplin und Eigenmotivation angeht. Ich denke nun über Dinge nach, die zuvor nicht unbedingt in meinem Kopf waren.

Wo sehen Sie sich 2026, wenn die Verletzung zehn Jahre zurückliegt, Sie aber erst 28 Jahre alt sein werden?

Scuderi: Mein Traum ist es, eines Tages als Scout oder Trainer im Dortmunder NLZ zu arbeiten. Und genau dort sehe ich mich dann auch.