BVB gegen Schalke das letzte Revierderby? Neururer: "Die Schuld an Schalkes Zusammenbruch liegt sicher nicht bei Schneider"

Peter Neururer war zwischen 1989 und 1990 Trainer des FC Schalke 04.
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Das heißt?

Neururer: Dazu gehört ein funktionierender Aufsichtsrat, ein funktionierendes Präsidium sowie eine Ausgliederung der Profiabteilung. Ansonsten wird es fast unmöglich, um realistisch an einen direkten Wiederaufstieg denken zu können. Man sieht ja, wie schwer es der HSV hat, um wieder nach oben zu kommen. Für Schalke würde allein ein zweites Jahr in der 2. Liga es noch schwerer machen - und drei Jahre in Liga zwei darf es für Schalke nicht geben. Dann gäbe es riesengroße Probleme und das Konstrukt Schalke 04 wäre in der aktuellen Form ohne Ausgliederung nicht mehr zu halten.

Glauben Sie, das Thema Ausgliederung findet bei den Mitgliedern die notwendige Mehrheit, um den Verein zukunftsfähig aufzustellen?

Neururer: Es bräuchte eine vernünftige und klar strukturierte Form der Jahreshauptversammlung, bei der persönliche Präsenz der Mitglieder möglich ist. Klar ist: Man kann nicht davon ausgehen, dass man die Leute überreden muss, um zur Ausgliederung zu kommen. Überreden wird nicht gelingen, jetzt muss man überzeugen. Schauen Sie zu Rot-Weiss Essen, dort musste Insolvenz angemeldet werden. Wenn man den Schalker Mitgliedern vor Augen führt, dass Schalke unwiderruflich dasselbe Schicksal bevorsteht, dann sollte man überzeugend ein Konzept vorschlagen, dem die Mitglieder zustimmen.

Auf Schalke wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Fehler gemacht. Welche ärgern Sie am meisten?

Neururer: Es war ja eine ganze Fehlerkette, die im Erfolg begonnen hat. Das fing an, als der überragend gute Mensch und Trainer Felix Magath nicht das als Coach ausgleichen konnte, was der Manager Magath angerichtet hat. Anschließend wurden durch die regelmäßige Teilnahme am internationalen Wettbewerb immer mehr Gelder ausgegeben, als ob das alles ganz normal immer so weiterlaufen würde. Unter Christian Heidel, der für Mainz 05 ein super Mann war, aber die Situation Schalke 04 gänzlich falsch eingeschätzt hat, wurden schließlich Spieler zu nicht marktgerechten Preisen verpflichtet, die vielleicht bei einem Verein wie Mainz funktionieren. Allerdings nicht bei einem Klub, dessen Pflicht es ist, in die Champions League zu kommen. Diese Spieler wurden von Trainern begleitet, die qualitativ gut, aber nicht der Situation und dem Verein gewachsen waren.

Während Heidels Amtszeit wurde Schalke aber immerhin Vizemeister.

Neururer: Da wurde groß bejubelt, doch welcher Fußball damals gespielt wurde, das hat man offenbar vergessen. 50 Prozent der Spiele wurden mit einem Tor Unterschied gewonnen und hätten bei gleicher Spielqualität genauso gut verloren gehen können. Das wurde verkannt. Anschließend ging der Weg so steil nach unten wie bei keinem anderen Bundesligisten.

Der viel kritisierte Sportdirektor Jochen Schneider, der nun spätestens zum Saisonende aufhören wird, hatte dieses Erbe dann zu verwalten. Welche Schuld trägt er an der Misere?

Neururer: Er weiß selbst, dass er natürlich genauso den einen oder anderen Fehler gemacht hat. Doch seine Fehler sind mehr oder weniger durch das entstanden, was konsequenterweise schon viel eher hätte reguliert werden müssen. Es konnte aber nicht mehr reguliert werden - und zu genau diesem Zeitpunkt kam die Pandemie um die Ecke. Seitdem wurde das finanzielle Loch immer größer und dann kommt es fast zwangsläufig zu den Fehlern, die Jochen bei Personalentscheidungen gemacht hat. Er wurde von seinen Mitarbeitern teilweise auch falsch beraten. Die Schuld an Schalkes desaströsem Zusammenbruch liegt sicher nicht bei Jochen Schneider.

Lassen Sie uns kurz zum BVB blicken: Der wird in der nächsten Saison von Marco Rose trainiert. Ist er der richtige Mann, um die Dortmunder wieder in die Spur zu bekommen?

Neururer: Das kann ich nicht richtig beurteilen. Für mich war Lucien Favre der richtige Mann. Nicht in der Außendarstellung, denn Favre ist dahingehend nicht der Typ, den der BVB haben wollte. Favre war aber vom ersten bis zum letzten Tag in Dortmund authentisch, denn wer Favre verpflichtet, darf sich nicht wundern, wenn er auch Favre bekommt. Ich verstehe nicht, wieso er nach einer kurzen Phase der Schwäche sofort entlassen wurde. Da muss wohl intern etwas vorgefallen sein.

Was fehlt dem BVB derzeit, warum ist er nicht der Herausforderer, der er sein will und kann?

Neururer: Das Problem der Dortmunder Mannschaft liegt in deren Struktur. Wenn pro Spiel vier bis sechs Spieler, die alle vermeintliche Leistungsträger sein sollen, noch im U-Bereich spielen könnten, dann kann ich niemals Druck auf Bayern München ausüben. Ein paar Wochen vielleicht, aber nicht über eine gesamte Saison. Diese jungen Spieler können über einen solch langen Zeitraum nicht derart stabil sein, dass sie fortwährend ihre großartigen Qualitäten konstant abrufen. Das ist einfach nicht möglich, so kannst du nicht Meister werden. Momentan ist der BVB weit weg vom FC Bayern.

Wenn Sie sich an die zahlreichen Revierderbys erinnern, welche ist Ihre bemerkenswerteste Anekdote?

Neururer: Da gibt es unzählige. Seit ich lebe, habe ich ja so gut wie alle Derbys gesehen. Zum ersten Mal war ich im Stadion, als Friedel Rausch 1969 von einem Polizeihund in den Hintern gebissen wurde. Die aktuellste Anekdote stammt vom legendären 4:4 aus dem Jahr 2017. Damals bin ich zur Halbzeit beim Stand von 0:4 abgehauen, weil ich mir den Scheiß nicht mehr angucken konnte. Ich saß nur unter Dortmundern, das konnte ich nicht mehr ertragen. Auf der B1 habe ich bei WDR 2 im Radio erfahren, dass das 1:4 gefallen ist. Dann stand's plötzlich nur noch 2:4 - sofort bin ich die nächste Ausfahrt raus- und volles Rohr zurückgefahren.

Und haben den Rest dann wieder im Stadion verfolgt?

Neururer: Ja. Ich hatte zum Glück einen VIP-Zugang, der mir zugewiesene Parkplatz war also frei. (lacht)

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