VfB-Blogger Ron Merz im Interview: "Was schlummert da noch in den Giftschränken?"

Thomas Hitzlsperger steht beim VfB in der Kritik.
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Hitzlsperger will den VfB zu einem modernen Fußballunternehmen machen und sieht Vogts Romantik offenbar eher hinderlich und nicht mehr zeitgemäß. Was würden Sie Hitzlsperger entgegen?

Merz: Ich habe mein Herz nicht an ein Unternehmen verloren. Ich habe mein Herz an einen Verein verloren. Das würde ich mir gerne erhalten. Ich weiß sehr wohl und bin Realist genug, dass sich gewisse Entwicklungen nicht mehr aufhalten werden. Es rennen auf dem Feld keine elf Freunde herum, die nach jedem Training einen Kasten Bier leeren - das war vielleicht früher mal so. Trotzdem finde ich es wichtig, dass wir dafür kämpfen, dass gewisse Grenzen gesetzt und gewisse rote Linien nicht überschritten werden. Wenn Hitzlsperger davon spricht, dass ein Traditionsverein wie der VfB mit den schwierigen Strukturen zu kämpfen hat, finde ich diese Aussage maximal bedenklich. Wenn ich ein Romantiker bin, nur weil ich das Mitspracherecht der Mitglieder für unverhandelbar halte, dann bin ich es gerne. Ich muss auch sagen, dass es von einer immensen Naivität zeugt, sollte Hitzlsperger tatsächlich davon überrascht sein, wie negativ seine Kandidatur aufgenommen wurde und wie die Strömungen unter vielen Mitgliedern so sind. Er hat die ganze Dietrich-Zeit mitbekommen. Er stand mit auf der Bühne beim WLAN-Gate und hat eine Rede gehalten. Er weiß genau, wie die Stimmung war und ist. Vielleicht hat er es aber auch einkalkuliert, ich weiß es nicht.

Wie haben Sie seine Entschuldigung aufgenommen?

Merz: Ich fand seine Entschuldigung sehr künstlich und oberflächlich. Sein Brief ist nach wie vor online. Wenn es ihm so ernst mit der Entschuldigung ist, warum wird der Brief nicht runtergenommen? Und 14 Tage für diese Entschuldigung zu brauchen, ist lächerlich. Wir wissen auch gar nicht, ob er sich überhaupt persönlich bei Claus Vogt entschuldigt hat? Er steht nach der Entschuldigung eher nochmal schlechter da als vorher, kaum jemand hat sie ihm abgenommen. Sie wirkt nicht ehrlich und ohne gleichzeitigen Rückzug der Bewerbung ist sie auch nichts wert.

Wie erklären Sie sich dann Hitzlspergers Vorgehen?

Merz: Sein ganzes Verhalten ist mir nach wie vor ein Rätsel. Er betonte bisher vehement, die Aufklärung zu wollen, gleichzeitig hat er sich so vehement für Oliver Schraft (bisheriger Direktor Kommunikation des VfB, Anm. d. Red.) eingesetzt, obwohl dieser eine der zentralen Personen in der Causa ist. Er schreibt diesen maximal scharfen und beschädigenden Brief, mit dem er ja Claus Vogt nicht nur als Präsidenten angreift, sondern auch persönlich und als Unternehmer, wenn wir an die Vorwürfe wie Budget nicht im Griff oder schlechtes Projektmanagement denken. Und dann kommt so ein lauwarmes Zurückrudern. Auch das passt nicht. Genauso wenig wie, dass so ein gewandter Kommunikationsprofi vom Gegenwind nach seinem Brief überrascht ist. Die einzige Erklärung ist und bleibt, dass Vogt zum sofortigen Rücktritt genötigt werden sollte. Das ist aber gründlich schiefgegangen.

Merz: "Das war ein wichtiger Beitrag von Mislintat"

Auch das Drohszenario, dass die Existenz des Vereins auf dem Spiel steht, scheint verpufft.

Merz: Diese Drohszenarien sind beim VfB ein oft gewähltes Mittel, aber es ist tatsächlich sehr ermüdend und ich kann das auch nicht mehr ernst nehmen. Uns wurde bei der Mitgliederversammlung auch schon gesagt, dass ohne Dietrich das Chaos ausbrechen würde. Auch das ist nicht passiert. Ich fand es in dem Zusammenhang sehr bemerkenswert, dass Sven Mislintat jetzt deutlich gemacht hat, dass er sich nicht Personen, sondern dem VfB verschrieben sieht. Das ist auch für die Diskussion um meinen Antrag sehr hilfreich, weil es allen, die Sorge haben, dass ohne Hitzlsperger auch Mislintat weg ist und alles zusammenbricht, den Wind aus den Segeln nimmt. Aus meiner Sicht war das ein extrem wichtiger Beitrag von Mislintat.

Thomas Hitzlsperger und Claus Vogt werden wohl keine Freunde mehr.
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Thomas Hitzlsperger und Claus Vogt werden wohl keine Freunde mehr.

Wie beurteilen Sie denn die Arbeit von Vogt bis jetzt? In gewisser Weise scheint er ja seine Arbeit unfassbar gut zu machen, sonst wäre alles nicht so eskaliert. Auf der anderen Seite kann eine gewisse konstruktive Kritik ja auch angebracht sein.

Merz: Das muss man wohl so sehen, dass er seinen Job gut machen muss, sonst wäre die Lawine nicht losgetreten worden. Generell stört es mich, wenn von Vogt ein Bild des kleinen Unternehmers gezeichnet wird, der komplett neu im Fußball ist und nicht weiß, was er tut. Vogt ist alleine durch sein Engagement beim FCPlayFair gut vernetzt und war auch vorher beim VfB zum Beispiel ja schon im Mitgliederausschuss. Natürlich ist der VfB seine Herzensangelegenheit, aber da steckt schon noch ein bisschen mehr dahinter. Vogt wurde in erster Linie ja gewählt, um der Gegenentwurf von Dietrich zu sein. Das hat er bis jetzt zu hundert Prozent erfüllt.

Aber bei vielen Projekten stockt es.

Merz: Wir müssen nicht darüber sprechen, dass Corona natürlich ein großer Faktor ist, warum einige Projekte noch nicht so weit fortgeschritten sind wie erhofft, gerade die Themen Frauenfußball und Fan-/Mitgliederbeteiligung. Ich gebe aber gerne zu: Ich hätte mir auch gewünscht, dass wir an ein paar Stellen schon weiter wären, das läuft schon sehr zäh. Ich weiß aber auch nicht, inwiefern Vogt eventuell intern auf Hindernisse gestoßen ist, oder ob manche Sachen schon weiter sind, aber vom VfB nicht kommuniziert wurden. Das ist ja beim VfB auch immer denkbar. Am wichtigsten ist es, dass Vogt es - zusammen mit Hitzlsperger - geschafft hat, wieder eine Verbindung zwischen Fans und Verein herzustellen. Das ist extrem viel wert.

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