Ex-BVB-Talent Christopher Nöthe im Interview: "Nach Zorcs Anruf saß ich in Arbeitskleidung im Zug"

Von Stanislav Schupp
Christopher Nöthe, BVB, Borussia DOrtmund
© imago images / Team 2
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Bei St. Pauli blieben Sie zwei Jahre, dann wechselten Sie zu Arminia Bielefeld.

Nöthe: Der Abschied aus Hamburg hatte keine Leistungsgründe. Abder Ramdane, der Co-Trainer von Ewald Lienen, und ich hatten uns im Training wegen eines Balls gezofft, der möglicherweise im Aus war. Ramdane sagte dann, ich solle die Schnauze halten - und so etwas lasse ich mir nicht gefallen. Ich erwarte einen respektvollen Umgang, wie ich ihn den Trainern auch entgegenbringe. Letztlich entschieden wieder Eitelkeiten darüber, dass ich erneut draußen war. Der Verein wollte mich dann loswerden und am besten noch Geld verdienen. Ich hätte mich ohnehin unter keinen Umständen mehr für diesen Co-Trainer zerreißen können.

Wie ist Lienen mit der Sache umgegangen?

Nöthe: Ramdane war sein Schwiegersohn. Daher war da wenig zu machen und die Angelegenheit schnell erledigt. Für den Verein war ich nur ein Werkzeug, das man entweder benutzt oder nicht.

Nöthe: "In Bielefeld wurde mir in der Wäschekammer der Laufpass gegeben"

Haben Sie ab 2015 in Bielefeld ähnliche Erfahrungen gemacht wie zuvor in Fürth und Hamburg?

Nöthe: Das erste Jahr unter Norbert Meier war herausragend, zwischen Spielern und Trainern entwickelten sich enge Freundschaften. 2016 wurde er allerdings von Rüdiger Rehm abgelöst und dann war der Spaß vorbei. Rehm wollte ein System spielen lassen, das wir gar nicht konnten. Das haben auch die Ergebnisse gezeigt. Als er gehen musste, hat sich unter Jürgen Kramny alles wieder etwas gefangen. Bis 2017 Jeff Saibene kam, der große Retter.

Soll heißen?

Nöthe: Im ersten Heimspiel unter seiner Leitung habe ich mir einen Kreuzbandriss zugezogen und fiel acht Monate aus. Von da an litt unser Verhältnis. In den Zeitungen stand zwar immer, dass man mich bestmöglich unterstützen würde, doch ich war auf mich allein gestellt. Während der Reha hatte ich kaum Kontakt zu Trainerteam oder Mannschaft.

Nöthe hatte es in Bielefeld nicht leicht.
© getty
Nöthe hatte es in Bielefeld nicht leicht.

Wie ging es weiter?

Nöthe: Wir haben am letzten Spieltag den Klassenerhalt in der 2. Liga geschafft. Ich habe mich doppelt gefreut, da sich auch mein Vertrag automatisch um zwei Jahre bis 2019 verlängerte. Ich hatte für die kommende Saison also Sicherheit und konnte mich auf die Reha konzentrieren. Als ich wieder zurück war, merkte ich aber, dass mich der Verein gar nicht mehr haben wollte. Es hieß, meine Leistungen würden nicht mehr reichen. Das ergab für mich keinen Sinn, da ich ja keine Möglichkeit bekam, mich zu zeigen.

Wie wurde Ihnen das mitgeteilt?

Nöthe: Kurz vor Ende der Saison 2017/18 baten mich Saibene und sein Co-Trainer Carsten Rump zu einem Gespräch. In der Wäschekammer wurde mir dann der Laufpass gegeben und gesagt, ich solle mir einen neuen Verein suchen.

In der Wäschekammer?

Nöthe: Ja, keine Ahnung warum. (lacht) Ich wusste bereits, was auf mich zukommt, da Sören Brandy unmittelbar vor mir dran war. Es war ziemlich skurril und irgendwie auch lustig, obwohl die Umstände natürlich traurig waren. Ich hielt entgegen, dass ich noch einen laufenden Vertrag habe. Ich hätte kein Problem gehabt, einen neuen Klub zu suchen, doch dafür hätte ich ein paar Spiele benötigt, um mich nach der Verletzung wieder in den Fokus zu spielen. Deshalb sagte ich, dass ich auf keinen Fall gehen, sondern definitiv zum Trainingsauftakt wieder erscheinen werde. Dann wollten sie mich vom Trainingsbetrieb ausschließen, obwohl mir das vertraglich zustand.

Wie haben Sie reagiert?

Nöthe: Während der Vorbereitung hat mein Berater mehrmals mit den Verantwortlichen gesprochen, doch es ergab sich keine Lösung, weil eine Vertragsauflösung für mich finanziell nicht in Frage kam. Einige Drittligisten zeigten Interesse, aber das war nicht mein Anspruch. Ich bin viel eher davon ausgegangen, dass Saibene nicht mehr lange Trainer bleibt, da ich an Karma glaube. Schließlich blieb ich und Saibene musste nur wenige Monate später im Dezember 2018 gehen. Bis dahin trainierte ich nur individuell und klagte mich ins Training ein, doch sie haben Möglichkeiten gefunden, mich weiter vom Training auszuschließen. Ich habe dann teils nur das Aufwärmprogramm mitgemacht und arbeitete danach auf dem Nebenplatz mit dem Athletiktrainer.

Nöthe: "Habe Saibene ins Gesicht gelacht"

Wie ging Saibene bis zu seiner Entlassung damit um?

Nöthe: Nach meinen Einheiten bin ich an ihm vorbei gelaufen und habe ihm ins Gesicht gelacht. Das hat ihn dann noch mehr geärgert. Ich wollte ihm einfach zeigen, dass ich auf keinen Fall vor Vertragsende gehen werde - ganz egal, was er mit mir macht. Man hat bis zum letzten Tag der Transferperiode versucht, mich loszuwerden.

Was meinen Sie, welchen Teil haben Sie zu den Auseinandersetzungen in Fürth, bei St. Pauli und Bielefeld beigetragen?

Nöthe: Darüber habe ich natürlich auch nachgedacht. Ganz unschuldig war ich sicher nicht, wenngleich ich die Hauptschuld auch heute nicht bei mir sehe.

Bei Arminia folgte auf Saibene Uwe Neuhaus, der nach wie vor an der Seitenlinie steht.

Nöthe: Er hat mich fair behandelt und jedem eine Chance gegeben. Ich traf dann in der Vorbereitung in nahezu jedem Spiel, doch kurz vor Saisonstart zog ich mir den zweiten Kreuzbandriss zu. Das hat dem Verein beim Vorhaben, mich loszuwerden, leider in die Karten gespielt. Kaum war ich verletzt, hatte ich keinen Kontakt mehr zur Arminia. Niemand hat sich nach mir erkundigt, auch Neuhaus nicht.

2019 verließen Sie Bielefeld mit Vertragsende. Seit Ihrem zweiten Kreuzbandriss sind Sie Sportinvalide. Insgesamt fielen Sie in Ihrer Laufbahn weit über 1000 Tage aus. Wann wurde Ihnen klar, dass die Karriere vorbei ist?

Nöthe: Ich habe mich selbst nie unter Druck gesetzt. Das Karriereende hat sich ja über längere Zeit abgezeichnet. Ich merkte, dass die harte Arbeit nichts mehr nützt. Das musste ich akzeptieren, ich konnte das vergleichsweise einfach verarbeiten. Mein Knie hat sich letztlich nie mehr erholt und bereitet mir heute noch Probleme. Seit meinem Abschied aus Bielefeld stand ich nicht mehr auf dem Fußballplatz und kann auch nicht mehr joggen, nur Fahrradfahren im Fitnessstudio oder mit den Kindern draußen spazieren geht noch.

Nöthe beendete seine Karriere in Bielefeld.
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Nöthe beendete seine Karriere in Bielefeld.

Wie bewerten Sie heute Ihre Laufbahn?

Nöthe: Ich habe das Maximum herausgeholt, ohne die Verletzungen wäre vielleicht mehr drin gewesen. Ich sah mich aber auch nie als Bundesligaspieler, nur weil ich da ein paar Spiele absolviert habe. Ich hatte nie das Gefühl, die Qualität zu haben, um mich dort auf Dauer durchsetzen zu können. Da ich nie verbissen war, trauere ich auch nichts nach. Ich bin durch den Fußball zwar kein Multimillionär geworden, aber es hat mir dennoch Spaß gemacht. (lacht)

Sie sind 33 Jahre alt. Mittlerweile studieren Sie Sportmanagement und absolvieren ein Volontariat bei der Kommunikationsagentur Avantgarde, die Sie auch als Spieler beriet. Wie läuft es als Student?

Nöthe: Der erste Monat war richtig hart. Ich saß nach 15 Jahren mal wieder vor einem Buch und musste lernen, das ist schon eine große Umstellung. Ich war ja sehr froh, als ich mit der Schule fertig war. (lacht) Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, es macht auch Spaß und ich lerne viel dazu. Es wäre schön, eines Tages wieder im Fußballbereich Fuß zu fassen.

Fehlt Ihnen der Fußball?

Nöthe: Wenn man nicht mehr jede zweite Woche in einer anderen Stadt schläft, merkt man, was man daran hatte. Das Zusammensein mit den Teamkollegen und auch die Busfahrten mit ihnen fehlen mir schon. Manche Sechs-Stunden-Fahrten gingen ja so schnell vorbei, dass man sich manchmal wünschte, noch in einen Stau zu geraten.

Christopher Nöthe im Steckbrief

Geburtstag3. Januar 1988
GeburtsortCastrop-Rauxel, Deutschland
Größe1,84 Meter
Starker FußBeidfüßig
PositionStürmer
StationenBorussia Dortmund, RW Oberhausen, Greuther Fürth, St. Pauli, Arminia Bielefeld